Freitag, März 04, 2016

Vermischtes vom 4. März 2016

1. Was im Kieler Einkaufszentrum Sophienhof geschehen ist, wo ersten Pressemeldungen zufolge junge Mädchen von einem Mob aus 30 Männern belästigt worden sein sollen, wird zunehmend klarer. So berichtet Spiegel-Online:

Lediglich zwei weitere Frauen hätten sich seit Freitag gemeldet, die "allgemein" über ein Unsicherheitsgefühl durch Flüchtlinge geklagt hätten, sagte der Polizeisprecher. Einen Bezug zum Sophienhof gebe es nicht.

(...) Zu den Vorwürfen der Mädchen sagte ein Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft, es sei "noch nicht klar, ob ein Straftatbestand" erfüllt sei. Nach den bisherigen Aussagen hätten die jungen Männer die Mädchen zeitweise verfolgt, sich zu den Mädchen an einen Tisch gesetzt und ihnen Luftküsse zugeworfen. Und sie hätten gesagt: "Ich liebe dich" und "Du bist so schön".


Das klingt allerdings mehr nach schwer erträglichem Generve durch irgendwelche Spackos als nach versuchter Vergewaltigung oder Übergriffen ähnlicher Schwere, die normalerweise vom Strafrecht erfasst werden. Allerdings wird eben jenes Sexualstrafrecht aktuell immer weiter ausgeweitet, um möglichst jedes Verhalten zu erfassen, durch das sich Frauen belästigt fühlen (könnten). Der Experte für Sexualrecht Dr. Alexander Stevens kritisiert insofern zu Recht, dass von Pick-up-Aufreißern bis zu Rainer Brüderle das "Verhalten der Männer von heute ein omnipräsentes Problem zu sein" scheint:

Geht es nach einschlägigen Medienvertretern und Feministen-Gruppen, ist der Sexismus in deutschen Bars und Clubs, aber auch in Schulen sowie am Ausbildungs- und Arbeitsplatz ein allgegenwärtiges Dauerproblem. Der Ruf nach schärferen Gesetzen und härteren Strafen gegen sexuelle Belästigung erklingt immer lauter und die Toleranzgrenze bei wie auch immer gearteter Annäherung ist bundesweit am Siedepunkt.


Dabei sei derart unscharf, ab wann überhaupt sexuelle Belästigung vorliege, dass eine solche Belästigung bislang aus gutem Grund nicht strafbar sein könne. Dass dies aktuell aufweiche, erachtet Stevens als problematisch:

Wenn sich also die oder der Eine schon bei schmutzigen Witzen oder schmierigen Anmachsprüchen sexuell belästigt fühlt, ist die Toleranzgrenze bei Anderen vielleicht erst bei körperlichen Berührungen im Intimbereich überschritten. Gleichzeitig wäre auch aus "Tätersicht" - welche in Bezug auf den Vorsatz im Strafrecht zwingende Relevanz hat - bei der Anbahnung geschlechtlicher Kontakte schwierig zu beurteilen, wann nun der richtige Moment ist, um beispielsweise beim gemeinsamen Date oder bei der charmanten Bar- Bekanntschaft die Hand über die Schultern oder vielleicht sogar auf den Oberschenkel zu legen, um sich so (endlich?) näher kommen zu können.


Im Fall des Kieler Sophienhof wird also jetzt überprüft, ob ein Straftatbestand (!) vorliegt bei Verhaltensweisen wie Einer-Frau-Folgen, An-denselben-Tisch-Setzen, Luftküsse-Zuwerfen und "Du-bist-so-schön"-Sagen. Was dadurch flankiert wird, dass unsere Leitmedien dieses Angebaggere zum Riesenskandal hochjazzen.

In diesem Fall sind jedoch zugewanderte Männer die allzu heißblütigen Verehrer, weshalb selbst ein Blatt wie die Berliner taz zur Mäßigung aufruft und die Vorverurteilungen der "Täter" anprangert:

Auf Twitter rauschte der Hashtag "Sophienhof" unter die meistgelesenen, gehetzt wird gegen "linke Kläffer", die die "Rapefugees" auch noch verteidigten. "Angesichts des Drucks auf die klassischen Medien, der durch die sozialen Netzwerke extrem beschleunigt ist, bleibt auf keiner Seite mehr Zeit, Luft zu holen und nachzudenken", sagt Bettina Neitzel, Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbands in Schleswig-Holstein.


Das galt allerdings auch durch den Druck der sozialen Netzwerke, wenn es um "sexuelle Belästigung" im Allgemeinen geht. Auch der "Aufschrei!" wurde über Twitter lanciert. Gehetzt wurde damals statt gegen "linke Kläffer" gegen "Maskutrolle", die nicht die "rapefugees", sondern die "rape culture" auch noch verteidigten. Zeit zum Luftholen und Nachdenken nahm man sich auch damals nicht.

In der aktuellen Debatte meldet sich ein führender Politiker zu Wort:

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig hat einen ausgewogenen öffentlichen Umgang mit tatsächlichen oder vermeintlichen Übergriffen unter Beteiligung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern angemahnt. Medien, Politik und Gesellschaft dürften nicht das Maß verlieren, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Kiel. "Ich finde jede Art von sexuellen Übergriffen unerträglich. Es ist aber wichtig, dass wir jetzt nicht Bilder produzieren, die das Gefühl in der Öffentlichkeit vermitteln, als hätten wir es nur noch mit Vergewaltigern oder mit sexuellen Übergriffen zu tun."


Alles grundsätzlich richtig und unterstützenswert – aber könnten wir auf die Einschränkung "unter Beteiligung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern" vielleicht verzichten? Könnten wir stattdessen generell einen "ausgewogenen öffentlichen Umgang mit tatsächlichen oder vermeintlichen Übergriffen" fordern und Kampfbegriffe wie "Rape Culture" zurückweisen, die ein Bild propagieren, als hätten wir es bei Männern generell "nur noch mit Vergewaltigern oder mit sexuellen Übergriffen zu tun"? Hier gab es etwa während der Aufschrei!-Hysterie nur wenig entschiedenen Widerspruch von führenden Politikern (und als Bundespräsident Gauck Widerspruch versuchte, wurde er von der feministischen Front dafür sofort öffentlichkeitswirksam gemaßregelt. bis er wieder brav war). Hysterie gilt offenbar nur dann als schädlich, wenn sie Fremdenfeindlichkeit Vorschub leistet. Facht sie lediglich allgemeine Männerfeindlichkeit an, dann wird sie von vielen Politikern und Journalisten unkritisch gestützt.



2. Bettina Hammer untersucht in ihrem Artikel "Die ganz alltägliche Auslassung" die einseitige mediale Berichterstattung über die Fälle James Deen und Kesha, und zerpflückt diese wie gewohnt nach allen Regeln der Kunst. Ein Auszug:

Kesha und Stoya sind zwei prominente Frauen, die sich derzeit verstärkt in den Medien wiederfinden. (...) Beide sind derzeit jedoch weniger wegen ihrer Tätigkeiten in den Schlagzeilen, sondern weil sie jemanden der sexuellen Gewalt bzw. der Vergewaltigung bezichtigen. Wie darüber berichtet wird, sagt viel darüber aus, welche Seite bereits bei der Berichterstattung eingenommen und wie der Leser durch Auslassungen bzw. Falschinfos in eine bestimmte Richtung geschoben wird.

(...) Die Lösung bzw. der goldene Mittelweg wäre eine ausgewogene Berichterstattung, die alle wichtigen Aspekte aufzeigt und dem Leser zutraut, sich selbst ein Bild zu machen ohne dies schon vorzugeben als wäre der Rezipient nur noch zu "Malen nach Zahlen" fähig. Allerdings wird vielfach nicht mehr darauf abgezielt, ein Gesamtbild mit allen Schattierungen und Facetten zu zeichnen.

Stattdessen folgen die Artikel einer Agenda und rufen dann nach Solidarität - egal was wirklich passierte. In Deutschland wäre es wünschenswert, dass der Fall Horst Arnold bei vielen präsenter wäre, wenn es um Vergewaltigungsanschuldigungen geht. Zu schnell werden Existenzen vernichtet weil sich die Menschen zu sehr darüber einig sind, was passiert ist und wem ihre Solidarität und Loyalität gelten muss.




3. Eine britische Firma schenkt ihren weiblichen Mitarbeitern bezahlten Urlaub, wenn immer sie ihre Tage haben. Ja, jeden Monat. Das setzt sich bei uns bestimmt auch irgendwann durch. Die Vorstellung, dass Feministinnen in einer gleichberechtigten Gesellschaft irgendwann die Forderungen ausgehen könnten, ist jedenfalls unbegründet.



4. Außerdem gibt es jetzt eine Dating-App, die Rechnungen in Restaurants automatisch so aufsplittet, dass weiße Männer mehr bezahlen. Unbegründet ist also auch die Sorge, in unserem Zeitalter könnte die traditionelle Männerpflicht aussterben, für die bloße Gegenwart von Frauen Geld ausgeben zu müssen.

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