Mittwoch, März 02, 2016

Leserpost (FDP-Antrag: Gleichstellung auch für Männer)

Einer meiner Leser bezeichnet den gestern auf Genderama verlinkten Antrag der FDP im Landtag Nordrhein-Westfalens Männer auch bei der Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes gleichberechtigen, der morgen im Plenum debattiert werden wird, als "leider ein frommer Wunsch" und führt dazu aus:

Wie es der Zufall will, wollte ich gestern einen Beschwerdebrief an die Stadt Freiburg verfassen. Der Grund ist die genau diese Praxis, die auch die FDP kritisiert. Obwohl der Anteil der weiblichen Beschäftigten bei der Stadtverwaltung 2012 bereits bei 59% lag (Tendenz steigend), werden bei den Stellenausschreibungen, bei denen Frauen unterrepräsentiert sind, diese nach wie vor ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert. Diese Praxis entspricht den Vorgaben des Gesetzes zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg.

Deswegen habe mich bei Stellenausschreibungen für Erzieher/innen gefragt, warum es umgekehrt keine Diskriminierung darstellt, wenn bei dieser Berufsgruppe nicht ausdrücklich Männer zur Bewerbung aufgefordert werden? Das Argument von Frau Künast in dem Punkt ist, dass Männer in dem Beruf des geringen Verdienstes wegen und folglich freiwillig unterrepräsentiert sind. Erstens kommt es darauf im Chancengleichstellungsgesetz gar nicht an und zweitens ist das leicht zu widerlegen. Die städtischen Bediensteten bei der Feuerwehr haben nämlich dieselbe Entgeltgruppe. Und deren Tätigkeit ist verbunden mit Gefahren, Schicht- und Wochenenddienst. Aber Verdi hat der Gruppe die Lohnerhöhung verschafft, die (O-Ton) darauf achten muss, dass Kinder von Veganern keine Gummibärchen essen. Dagegen ist das Löschen eines Brandes im Chemielabor oder in der Chemiefabrik ein Klacks.

Ich wollte diesbezüglich das Personalamt der Stadt Freiburg um Auskunft bitten. Nach Durchsicht der Paragrafen 1 und 6 des oben genannten Gesetzes habe ich mir die Mühe geschenkt. Dieses Gesetz kann in meinen Augen nicht verfassungskonform sein.

§1: "In Erfüllung des Verfassungsauftrags nach Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) wird die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in den Behörden des Landes und den sonstigen in diesem Gesetz genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nach Maßgabe dieses Gesetzes gefördert. Ziel des Gesetzes ist die berufliche Förderung von Frauen unter Wahrung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Artikel 33 Abs. 2 GG), insbesondere die Verbesserung der Zugangs- und Aufstiegschancen für Frauen, eine deutliche Erhöhung des Anteils der Frauen in Bereichen, in denen sie geringer repräsentiert sind als Männer, sowie die Beseitigung bestehender Benachteiligungen. Weiteres Ziel ist es, auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer hinzuwirken."

Immerhin wird korrekt von Gleichberechtigung und nicht von Gleichstellung als Verfassungsauftrag geschrieben. Leider wird dadurch nur umso deutlicher, dass man bei der Verabschiedung des Gesetzes bewusst diese Vorgabe überdehnt. Der Verfassungsauftrag die Gleichberechtigung von Männern und Frauen umzusetzen, wird bereits im nächsten Satz unverhohlen zum Auftrag verklärt, ausschließlich die Förderung von Frauen umzusetzen. Dabei wird durch geschickte Formulierung ("Ziel des Gesetzes …") der Eindruck provoziert, es handele sich um die Umsetzung der Artikel 3 und 33 GG. In Wirklichkeit wird nur §33 Absatz 2 berücksichtigt (Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt). Aus §6 ergibt sich glasklar, dass Männer in den Bereichen in denen Sie unterrepräsentiert sind, nicht gefördert werden dürfen. (Deswegen konnte ich mir den Brief an das Personalamt der Stadt Freiburg schenken) Was das noch mit dem angeblich so edlen Ziel der Gleichberechtigung von Männern und Frauen gemein haben soll, erschließt sich mir nicht. Männer finden aus edlen Motiven nur Berücksichtigung, wenn es indirekt den Frauen zugutekommt. (Vereinbarkeit von Familie und Beruf)

§ 6: "Inhalt des Chancengleichheitsplans (1) Der Chancengleichheitsplan hat eine Bestandsaufnahme und beschreibende Auswertung der Beschäftigtenstruktur seines jeweiligen Geltungsbereiches zu enthalten. Im Chancengleichheitsplan ist darzustellen, in welchen Bereichen die Frauen unterrepräsentiert sind. Hierfür sind alle fünf Jahre folgende Daten jeweils getrennt nach Geschlecht zu erheben und auszuwerten: – die Zahl der Beschäftigten, gegliedert nach Voll- und Teilzeittätigkeit, Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen, Laufbahnen und Berufsgruppen, – die Zahl der Beurlaubten und Beschäftigten in Positionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben sowie – die Zahl der Auszubildenden, gegliedert nach Laufbahnen und Ausbildungsberuf. Stichtag ist der 30. Juni des Berichtsjahres. (2) Der Chancengleichheitsplan hat die Zielvorgabe zu enthalten, mindestens die Hälfte der durch Einstellung zu besetzenden Stellen in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zur Besetzung durch Frauen vorzusehen. Sind in Bereichen geringerer Repräsentanz von Frauen voraussichtlich nicht genügend Frauen mit der notwendigen Qualifikation zu gewinnen, können entsprechend weniger Stellen zur Besetzung mit Frauen vorgesehen werden. Dies ist im Chancengleichheitsplan darzulegen. Bei Beförderungen und der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist der Anteil der Frauen in Bereichen, in denen sie in geringerer Zahl beschäftigt sind als Männer, deutlich zu erhöhen. Der Vorrang von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist zu beachten."

Der letzte Satz offenbart die Absurdität des Argumentes, Frauen würden schließlich nur bei gleicher oder besserer Eignung bevorzugt. Wie lässt sich dann binnen weniger Jahre der Anteil im unterrepräsentierten Bereich, im öffentlichen Dienst, deutlich erhöhen? Es geht hier überwiegend um Stellen im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich sowie um Stellen im höheren Dienst. Diese Stellen werden in der Regel selten ausgeschrieben und erzielen in der Regel einen hohen Eingang von Bewerbungen. Die Chance, dass eine Frau für eine begehrte Stelle eingestellt wird, tendiert logischerweise mit der Gesamtzahl m/w Bewerber zu 1. Dies bedeutet praktisch einen Ausschluss männlicher Bewerber bei sehr begehrten Stellen.

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