Leserbrief (Flüchtlingsdebatte)
Einer meiner Leser schreibt mir zu der umstrittenen Karikatur der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo:
Ich bin nicht unbedingt ein Freund der Cartoons Charlie Hebdos. Aber ich glaube nicht, dass der Zeichner Riss dies so plump meint, wie es auf den ersten Blick wirkt. Mir scheint, die Absicht des Zeichners ist, den krassen Wechsel in der Betrachtung des Flüchtlingsthemas herauszuschälen. Ich erachte diesen Cartoon sogar als sehr clever. Legt er doch frei, dass Emotionen die Sichtweise auf ein Thema bestimmen. Er spannt einen Bogen zwischen medialen Top-Themen. Liegt ein totes Kind am Strand, fließen Mitleidstränen und Politiker haben es schwer, sich gegen weiteren Flüchtlingszuzug zu stellen. Vergreift sich aber mutmaßlich eine kleine Zahl der Gesamtheit an Frauen, können einige Politiker, die noch vor wenigen Wochen populistische Parolen gegen Flüchtlinge ächteten, gar nicht schnell genug in den Populismus-Modus wechseln. um die Ganze Härte des Gesetzes zu verkünden. Es zeigt sich, dass die Politik in der Flüchtlingsthematik eher Getriebene als Akteurin ist.
Ist ja schließlich schon schlimm genug, wenn die muslimischen Kerle den Frauen nicht die Hand geben wollen. Umgekehrt hyperventiliert aber keiner von einer Missachtung der Männer, obwohl gläubige muslimische Frauen es mit Männern ganz genauso halten, wenn diese nicht zum engeren Verwandtenkreis zählen.
Und weil sie den religiösen Hintergrund nicht kennt, hat es die CDU-Politikerin Julia Klöckner mächtig gewurmt, dass ihr im September ein Imam im Flüchtlingsheim, der wie nicht anders zu erwarten die islamischen Religionsweisungen strikt befolgt, den Handschlag verweigerte. Danach war ihr Tag versaut und sie forderte sogleich ein "Gesetz zur Integrationspflicht für Flüchtlinge", obwohl ihr kein Flüchtling den Handschlag verweigerte und, um einen peinlichen Moment für Frau Klöckner zu vermeiden, der Imam auch im Vorfeld ausrichten ließ, diesen zu verweigern.
Ihre Tageserkenntnis nach dem Besuch war wohl, dass reibungsloses Händeschütteln im Flüchtlingsheim an oberster Stelle auf der To-do-Liste stehen muss. Jedenfalls äußerte sie daraufhin: "Es gibt einige Positionen in Deutschland, die sind nicht verhandelbar". Dumm ist nur, dass sie im Eifer des Feminismus nicht erkannte, dass ausser ihrem Angriff auf die Religionsfreiheit nichts verhandelt wurde. Vorhaut ab geht hingegen immer, selbst wenn es nur kulturell begründet ist. Aber aus religiösen Gründen einer Frau das Händeschütteln zu verweigern, ist aus feministischer Sicht ein No-Go. Es gibt kein Gesetz, das zum Handschlag verpflichtet. Auch wenn es manchen Frauen und pro-Feministen nur schwer zu vermitteln ist: Es ist Bestandteil der Menschenrechte, einen Handschlag verweigern zu dürfen.
Übrigens wurde der Cartoon mit den schwangeren Frauen, die ihr Kindergeld verteidigen, vom Autor nicht verstanden. Mit der Überschrift "die Sex-Sklavinnen des Bolko Haram" und dem Bezug auf das Kindergeld hat der Zeichner Riss nicht die Sklavinnen des Boko Haram gezeichnet, sondern auf die Zwangsheirat abgezielt und betroffene Frauen der französischen Muslime als Sex-Sklavinnen im eigenen Land gleichgesetzt. Dabei beging Riss leider den typischen Denkfehler, muslimische Männer würden unter einer Zwangsheirat weder leiden noch selbst Betroffene einer Zwangsehe sein.
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