Jungen im Netz von Menschenhandel – Hilfe gesucht
Ich stehe gerade mit einer weiteren Studentin, Franziska Feuerstein, wegen ihrer Bachelorarbeit in Kontakt – aber diesmal muss die Arbeit erst noch geschrieben werden, und Frau Feuerstein bittet bei der Recherche nach Informationen um Mithilfe. Ich zitiere hierzu einmal aus ihrer Anfrage:
Das Thema meiner Bachelorarbeit lautet: "Jungen im Netz von Menschenhandel - Aufgabe und Herausforderung für die Soziale Arbeit". Es ist leider sehr viel schwerer, als ich erwartet habe, an wertvolle und verwendbare Informationen zu diesem Thema zu gelangen. Von außen betrachtet erweckt es den Anschein, als ob Menschanhandel mit Jungen überhaupt kein Thema in Deutschland wäre. Doch bezweifel ich dies, besonders vor dem Hintergrund letzter politischer Ereignisse, sehr stark!
Allein St. Peterburg hat über 200.000 Straßenkinder, wieviele Straßenkinder dann Russland hat, möchte ich gar nicht wissen. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Kinder aus den Ostblockstaaten in die westlichen, reicheren Länder eingeschleust werden. Straßenkinder dürften hierbei ein eher leichtes Opfer für die Machenschaften der Menschhändler darstellen. Doch finde ich überhaupt keine Informationen, die solche Vermutungen belegen. Generell habe ich keine Studien oder Informationen über die Anzahl (und Dunkelziffer) der nach Deutschland geschleusten Jungen gefunden, welche Opfer von Menschhandel wurden oder immer noch sind. Auch weiß ich nicht, auf welchem Wege diese nach Deutschland gelangen und wie sie hier "gehalten" werden, geschweige denn welche Zukunftsperspektiven die Jungen erwarten können. Auch würde mich interessieren, wieviele Kinder generell im Zuge des Prozesses von Menschenhandel ihr Leben lassen müssen. Ich habe einen recht interessanten Artikel gefunden, bei welchem der Autor angibt, dass die Kinder in Deutschland, welche Opfer von Menschenhandel wurden, in speziellen Einrichtungen oder in Zeugenschutzprogrammen untergebracht werden würde. In der Fussnote erwähnt der Autor jedoch, dass diese Einrichtungen in der Praxis selten als solche genutzt werden würden. Haben Sie ähnliche Erfahrungen diesbezüglich gemacht?
Ich musste Frau Feuerstein insofern enttäuschen, als ich zwar für meine Bücher Not am Mann und Plädoyer für eine linke Männerpolitik auch zum Thema "Jungen als Opfer von Menschenhandel" recherchiert habe, dabei aber nur auf internationale und nicht auf deutsche Zahlen gestoßen bin. Ich zitiere mal einige Absätze aus dem betreffenden Kapitel (Fußnoten mit Quellenanganben im Buch):
Schaut man statt auf innerstädtische Prostitution auf Ländergrenzen überschreitenden Menschenhandel, gelangt ein Bericht des US-Außenministeriums aus dem Jahr 2008 auf eine Rate von 45 Prozent Betroffener mit männlichem Geschlecht. Während die meisten von ihnen als Arbeiter gehandelt werden, werden viele Jungen und Männer auch für sexuelle Dienstleistungen herangezogen. Dieses Problem beschränkt sich nicht auf die USA: So wurde im Jahr 2010 in Spanien ein Menschenhandelsring speziell für männliche Prostituierte ausgehoben. (Man versorgte die Männer mit Viagra, Kokain und anderen Stimulanzien, damit sie 24 Stunden am Tag einsatzbereit waren). Im selben Jahr stießen Ermittler auf Sexsklaven, die aus afrikanischen Ländern nach Schottland gebracht worden waren. "Ich glaube, es gibt kein Land auf dieser Erde, in das nicht auch Jungen beim sexuell ausgerichteten Menschenhandel verschleppt werden", bekundet Blair Corbett, Direktor der Initiative Ark of Hope for Children, ein Fachmann auf diesem Gebiet. Und eine kanadische Studie (Under the Radar. The Sexual Exploitation of Young Men) stieß gleich auf eine ganze Reihe von Fakten, die bisherige Klischees gründlich in Frage stellen: Die sexuell ausgebeuteten Jungen und jungen Männer haben einen vergleichbaren Hintergrund an sexuellem und körperlichem Missbrauch wie die Mädchen und jungen Frauen in diesem Bereich, die sexuelle Ausbeutung begann allerdings durchschnittlich in einem jüngeren Alter, und die jungen Männer blieben länger in dieser Situation, was vielleicht auch daran liegt, dass sie (...) von den meisten Helfern in diesem Bereich kaum wahrgenommen werden.
Ronald Weitzer, Professor für Soziologie an der George Washington University und Fachmann in den Bereichen Sexhandel und Sexindustrie, erklärt zu den Hintergründen: "Nichtregierungsorganisationen haben herausgefunden, dass sie die Öffentlichkeit und mögliche Unterstützer erreichen, wenn sie den Sexhandel von Mädchen betonen. Diese Organisationen haben ein Interesse daran, das Problem auf eine bestimmte Weise zu definieren. Ständig von Frauen und Mädchen zu sprechen dient eindeutig dem Zweck, Regierungsgelder zu erhalten sowie die Aufmerksamkeit der Medien, aber Jungen, die zu Opfern werden, werden ignoriert, weil die meisten Mittel für Mädchen reserviert sind." Cameron Conaway, ein weiterer US-amerikanischer Experte für Menschenhandel, weiß ähnliches zu berichten: "Filmemacher, die den Horror des Sexhandels dokumentieren, berichten, ihre Arbeit würde nicht akzeptiert werden, wenn sie den Missbrauch von Jungen zeigen würden. 'Die Öffentlichkeit ist noch nicht soweit' wird mir gesagt."
"Sexuelle Gewalt gegen Männer ist ein Tabuthema", zieht der anonyme Verfasser des Männerrechtler-Blogs Toy Soldiers ein Fazit zu solchen Studien und Berichten. "Die meisten männlichen Opfer berichten nicht über ihren Missbrauch, es gibt weniger Anlaufstellen für sie, wo sie Hilfe bekommen könnten, und praktisch kein Interesse seitens Regierungsorganisationen. Dieser Mangel an Beachtung macht männliche Opfer unsichtbar, und was nicht gesehen wird, wird oft so behandelt, als ob es nicht existieren würde."
Das alles erklärt, warum die Quellenlage derart desolat ist, aber vielleicht hat der eine oder andere Genderama-Leser ja doch Informationen oder Ideen zur Hand, mit denen er Frau Feuerstein weiterhelfen kann. Wenn ja, freut sie sich über eine Mail an feuerstein.franziska@googlemail.com.
Ich habe ihr außerdem empfohlen, sich mit ihrer Anfrage an das Bundesforum Männer zu wenden. Schließlich handelt es sich hierbei um eine staatliche Institution, die mit hunderttausenden an Steuergeldern gefüttert wird und dazu ruhig mal irgendetwas an Leistung vorweisen könnte. Dass solche Anfragen an NGOs und Männerrechtler gehen, die sich darum dann in ihrer Freizeit kümmern dürfen, ist eigentlich ein Unding.
Allerdings befürchte ich, dass es eine starke Männerrechtsbewegung braucht, damit auch Jungen als Opfer von Menschenhandel zum Thema werden. Das Entstehen einer starken Männerrechtsbewegung wird von Leuten wie Thomas Gesterkamp, Andreas Kemper, Hinrich Rosenbrock und Ralf Homann allerdings massiv torpediert. Ich kann kaum ausdrücken, wie widerwärtig ich das alles aus Menschenrechtsperspektive finde.
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