Zweite maskulistische Blogparade: Geschlechterrollen aus Sicht der Männerbewegung
Vor zwei Monaten fand die erste maskulistische Blogparade zum Thema Homosexualität statt. Sie führte dazu, dass das Thema Schwulendiskriminierung stärker als zuvor in das Thema Männerrechte eingebunden wurde, außerdem mag sie die Bloggerin "Erzählmirnix" zu ihrem Blogstöckchen mit Fragen zum Thema Maskulismus angeregt haben. Noch Wochen nach unserer Blogparade waren die Zeitungen voll mit Artikeln zum Thema Homosexualität und Homophobie, was selbstverständlich nur an unserer Blogparade gelegen haben kann, auch wenn diese doofen Journalisten das schmählich verschweigen ... Okay, okay, wahrscheinlicher ist wohl, dass wir Blogger schlicht vor den Journalisten erkannten, wie relevant, kontrovers und belastet dieses Thema für viele immer noch ist.
Ich bin gespannt, was sich aus unserer zweiten Blogparade entwickelt, in der maskulistische und feminismuskritische Blogger ihre Position zum Thema Geschlechterrollen darlegen. Bei unserer ersten Blogparade war der Konsens gegen die Ausgrenzung von Schwulen ja sehr stark – wird es heute ähnlich sein? Bislang wurden die folgenden Beiträge veröffentlicht:
Alles Evolution: Häufungen wird es immer geben, dies sollte aber keinen Konformitätszwang erzeugen
Man Tau: Wie man böse Kerle zu netten Jungs umbaut
Flussfänger: Das Gras auf der anderen Wiese
Maskulismus für Anfänger: Fack ju Dschända
Mein Senf: Rollen
Gay West: Mein kleines Pony (schon vor dem Start der Blogparade geschrieben und nachgereicht)
Wortschrank: Finde deine Nische!
Der Frontberichterstatter: Scheiße, warum hatten wir unsere PayBack-Karten vergessen?
Es folgt mein Genderama-Beitrag.
Identity Economics: Wie mit ungedeckten Schecks "Männlichkeit" verkauft wird
Warum greifen männliche Soldaten eine feindliche Stellung auch dann an, wenn sie fast sichergehen können, dabei getötet zu werden? Warum schuften sich Männer auf den verschiedensten Hierarchieebenen zu Tode, obwohl sie von dem schwer verdienten Geld kaum etwas genießen können, sondern allenfalls ihre Familie? Warum gilt bei manchen, wie uns unter anderem der Kinderkanal berichtet, nur ein verstümmelter Mann als "ganzer Mann"? Warum haben Männer solche Probleme damit, sich als Opfer von häuslicher Gewalt oder von Diskriminierung zu outen? Und warum werden Männerrechtler von anderen Männern massiv angefeindet, nachdem sie sich auch für das eigene statt nur das weibliche Geschlecht einsetzen?
Man könnte zahlreiche andere Verhaltensweisen von Männern aufführen, die rational wenig Sinn zu ergeben scheinen, weil sie offenkundig selbstzerstörerisch sind. Zur Klärung könnte eine vor einigen Jahren entwickelte Theorie beitragen, die als Identity Economics bekannt geworden ist. Wenn man sie auf Geschlechterfragen anwendet, besagt sie, dass für Menschen nicht nur ihre Gesundheit und Unverletztheit eine Form von "Kapital" darstellt, sondern auch, ob sie die Erwartungen erfüllen können, die sie selbst und andere an ihre Geschlechtsidentität richten ob sie also beispielsweise einen "echten Mann" darstellen.
Erstaunlicherweise trägt dieses Ideal des "ganzen Kerls" vielfach auch in Zeiten, in denen Männer kollektiv verächtlich gemacht werden – oft auch gerade, weil sie dieses Ideal nicht erfüllen ("maskulistische Jammerlappen" etcetera). Während es einerseits längst keine Instanz mehr gibt, die festlegen könnte, was als "echte" Männlichkeit zu gelten hat, führte gerade die dadurch bei vielen Männern entstandene Verunsicherung dazu, dass die unterschiedlichsten Männer ihre eigene Vorstellung davon auch ihren Geschlechtsgenossen überstülpen möchten. Jedes Jahr erscheinen immer neue Bücher darüber, wie ein echter Mann angeblich auszusehen hat. Das macht die Orientierung keineswegs leichter. Stattdessen kommt es zu bizarren Polarisierungen. Auf der einen Seite wird ein Junge so sehr ausgegrenzt, weil er die Fernsehserie My Little Pony mag, dass er schließlich versucht, sich umzubringen. Am anderen Extrempunkt will ein feministischer Skandalverein wie Dissens, der später ins "Bundesforum Männer" übergegangen ist, einem Jungen, dessen Männlichkeitskonzept Dissens-Mitarbeitern nicht passte, weismachen, er wäre in Wirklichkeit gar kein richtiger Junge, sondern tue nur so und besäße in Wirklichkeit eine Scheide. Selbsterklärtes Ziel der Dissens-Ideologen war die "Zerstörung von Identitäten". ("Wer Identitäten zerstört, zerstört Menschen" hatte Professor Gerhard Amendt, zitiert hier, zu dieser Form des Kindesmissbrauchs erklärt: "Identitätszerstörung oder auch nur -verwirrung führt zu pathologischen Zuständen, die als leidvolle Desorientierung erlebt werden. Identitätszerstörung, wie sie von 'Dissens' an Jungen praktiziert wird, ist Teil einer politischen Strategie. Sie beruht auf einem Bild von Männlichkeit, das Männer generell als Täter und als schlecht zeichnet.") In beiden genannten Fällen wurden Jungen drangsaliert, weil sie sich nicht bereitwillig in die von anderen vorgegebenen Raster von Männlichkeit gefügig hineinrammen lassen.
Das Aberwitzige ist, dass all die Menschen, die sich mit Identity Economics versuchen, längst kein echtes Kapital mehr anzubieten haben, sondern lediglich ungedeckte Schecks. Wenn man wissen möchte, was heutzutage einen "echten Mann" ausmacht, genügt dazu ein einfaches Diagramm. Alles andere ist Ballast. Für einen (links)liberalen Männerrechtler wie mich kann die Emanzipation und die Befreiung von Männern nur so aussehen, dass jeder für sich den eigenen Weg findet, der ihm persönlich am besten tut. Aus diesem Grund habe ich in Büchern wie Männerbeben vom klassischen Macho über den Hausmann bis zum Transgender die unterschiedlichsten Konzepte von Männlichkeit vorgestellt, denn keines davon hat weniger Berechtigung als die anderen.
Diese Überzeugung ist relativ selten ein Thema auf Genderama, weil ich auch hier gerne dem Einzelnen überlasse, wie er sich orientiert. Wer sich an einem verbindlichen Männerideal ausrichten möchte, kann das gerne tun, auch wenn das für mich so wäre, als wenn man mit einem großen Felsbrocken in seinem Rucksack marschiert, den man gar nicht benötigt. Und während ich persönlich der Ansicht bin, dass das althergebrechte Männlichkeitskonzept (stark wie eine Eiche, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl etc.) Männern eher schadet als nutzt, beispielsweise was ihre Lebenserwartung angeht, kann ein Mann, dem dieses Ideal entspricht, argumentieren: Es ist mein Leben, es ist meine Entscheidung, und alles andere sind doch bloß Statistiken.
Entgegen seiner Behauptungen hat übrigens der Feminismus wenig dazu beigetragen, den neuen, freien Mann voranzubringen, wie etwa der Männergesundheitsforscher Dr. Matthias Stiehler in seinem Buch Der Männerversteher ausführt. Auch aus der Sicht vieler Feministinnen sollen sich traditionelle Geschlechterrollen gar nicht grundsätzlich ändern, sondern nur in den engen Grenzen, die der feministische Mainstream ihnen vorschreibt: "Sie sollen nicht auf ihre Bedürfnisse achten" stellt Stiehler fest, "denn das täten sie in ihrem männlichen Egoismus ohnehin zu viel. Vielmehr sollen sie noch größere Kraftanstrengungen unternehmen, die an sie gestellten Erwartungen besser zu erfüllen. Die vielen Forderungen an die neuen Männer sind bei Licht betrachtet eine Fortschreibung der alten Verhältnisse, mit ein wenig neuer Tünche: Männer, tut, was wir von euch verlangen, und achtet auch weiterhin bloß nicht darauf, was ihr wollt und was für euer Leben gut ist. Es geht im derzeitigen gesellschaftlichen Mainstream überhaupt nicht darum, dass Männer lernen, mehr auf sich zu achten. (...) Im Kern geht es (...) darum, dass sich Männer NICHT ändern." Männer, die tatsächlich ihren eigenen Weg gehen, ernten vor allem Anfeindungen und Kritik, wogegen sie Männerrechtler eloquent verteidigen.
Egal ob man Frauen als Männern ähnlich oder zu Männern komplementär betrachtet, bedeutet Rollenfreiheit für Männer im übrigen auch Rollenfreiheit für Frauen: von der klassischen Hausfrau und Mutter (vgl. Karin Jäckel, Eva Herman und Birgit Kelle) über den weiblichen Nerd (vgl. viele Bloggerinnen) bis zur toughen Business-Powerfrau. Während ich privat zum Beispiel den weiblichen Nerd wesentlich attraktiver finde als eine Frau, die ein klassisches Rollenbild erfüllt, würde ich politisch die Rollenfreiheit von Frauen ebenso verteidigen wie die von Männern. An dieser Stelle gibt es also zwischen mir und der dritten Welle des Feminismus, die in den USA eine solche Rollenfreiheit für Frauen einforderte, einmal keine Kontroverse.
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