Montag, Februar 10, 2014

Die Welt: "Die scheinheilige Republik"

Die "Welt" beschäftigt sich mit der Frage, warum ausgerechnet vermeintliche moralische Vorbilder wie Alice Schwarzer sich jetzt auf eine ausgesprochen hässliche Weise entpuppen. In dem Artikel von Reinhard Mohr heißt es:

Nach Hitler und den ungeheuerlichen Nazi-Verbrechen, von Deutschen und im Namen Deutschlands begangen, wollen wir nur noch auf der Seite der Guten sein. Für immer und ewig. Weil wir dennoch Deutsche bleiben, übertreiben wir es manchmal ein wenig mit der politischen Korrektheit. Vor allem dann, wenn das große Ganze auf den vermeintlich symptomatischen Einzelfall trifft. So etwa, als es wegen Rainer Brüderles "Dirndl-Gate" vor einem Jahr zu einem moralischen "Aufschrei" kam, der kein Ende mehr nehmen wollte.

(...) Vor allem das allgegenwärtige Talkshow-Wesen lockt vorwiegend jene Protagonisten auf die öffentliche Bühne, deren moralisch aufgeladene Rhetorik die Fernsehzuschauer zu Hause vor lauter virtuellem Schuldbewusstsein ganz tief ins Sitzkissen drückt. Die notorische Selbstinszenierung als Ankläger der Republik gelingt dem narzisstischen Charaktertypus offenkundig am besten. Wenn Alice Schwarzer gegen Pornografie, Prostitution und andere Übel unserer Zeit zu Felde zieht, spürt man regelrecht die savonarolahafte Lust an der fanatischen Selbsterhebung über alle anderen.

(...) Und genau hier könnte eine Erklärung für den Sündenfall der Tugendbolde liegen. Sie haben der Gesellschaft so viel Gutes, Wahres und Schönes gegeben, dass es auf die paar Hunderttausend Euro in der Schweiz auch nicht mehr ankommt. Ausgestattet mit unzähligen Ehrenpreisen, Bundesverdienstkreuzen und jeder Menge Promi-Bonus kann man im kleinen privaten Reich, so glauben sie womöglich, ruhig mal Fünfe gerade sein lassen.


Von Reinhard Mohr war im Gütersloher Verlagshaus vergangenes Jahr das Buch Bin ich jetzt reaktionär? Bekenntnisse eines Altlinken erschienen, das die Grundlage zu einer CICERO-Titelgeschichte über den neuen deutschen Tugendfuror bildete. Ich hatte damals hier ausführlich darüber berichtet.

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