Lesermail (Gesundheitsschäden durch Zivildienst)
Zu dem heute morgen veröffentlichten Erfahrungsbericht eines ehemaligen Zivildienstleistenden ist heute nachmittag eine Mail von einem anderen Leser zum selben Thema eingetrudelt:
Ich finde es sehr gut, dass Sie diese Mail von dem einen Zivildienstleistenden in ihrem Blog online gestellt haben. Hier mein Fall, den Sie auch gerne veröffentlichen dürfen (aber bitte ohne meinen Namen).
Ich habe vor sieben Jahren Zwangszivildienst geleistet und leide psychisch heute noch unter den Folgen.
Ich musste immer morgens um 5.30 Uhr aufstehen, um überhaupt rechtzeitig da zu sein. Das war mir aber viel zu früh. Ich kann das auch dann nicht, wenn ich schon um 20.00 Uhr oder 21.00 Uhr ins Bett gehe, denn nicht jeder Mensch ist in der Lage, seinen Körper dazu zu zwingen, um eine ganz bestimmte Uhrzeit zu schlafen.
Kurzer Einschub von mir: Stimmt. Menschen unterscheiden sich nun mal in "Lerchen" und "Eulen", und es gilt mittlerweile als immer besser belegt, dass es zu Gesundheitsschädigungen führen kann, wenn man den einen Typus zwingt, so wie der andere zu leben. Einen ausführlichen Artikel zur Chronobiologie bietet die Wikipedia.
Da ich ahnte, dass ein 20jähriger, der über Müdigkeit klagt, dafür so leicht nicht krankgeschrieben wird, habe ich alles mögliche versucht, um besser schlafen zu können (Arzneitees, Alkohol, exzessiver Sport usw.). Hat alles nicht geholfen.
Ich habe mich nicht daran gewöhnen können, so früh aufzustehen. Ich habe aber gemerkt, dass ich mich einigermaßen trotz Müdigkeit (ich war nicht einfach nur müde, sondern benommen. Mir ging es richtig schlecht!) auf den Beinen halten konnte, wenn ich ganz viel Wasser trinke.
Mein Wasserkonsum steigerte sich in der Zivildienstzeit auf 7-8 Liter am Tag.
Erst nach ein Paar Monaten habe ich mich getraut, mit meinem Problem zum Arzt zu gehen. Der hat mich aber immer nur für ein Paar Tage krankgeschrieben und mein Problem nicht gelöst. Bei Untersuchungen kam immer nur heraus, ich sei gesund!
Wenn er mich doch mal krank schrieb, dann nicht wegen Schlafentzug, sondern wegen z.B. einem „grippalen Infekt“, den ich gar nicht hatte. Ich hatte auch Angst, richtig Stimmung zu machen, weil ich dachte: Wenn ich vom Schlaf anfange, verurteilen sie mich erst recht zur Arbeit und schreiben mich nicht mal für ein Paar Tage mehr krank. Und ich hatte auch Angst, dass ich angezeigt werde (Simulanten oder Leute, die für Simulanten gehalten werden, können ja juristisch belangt werden!), wenn ich mich zuviel krankschreiben lasse bzw. zu oft versuche, an den Krankenschein dran zu kommen. (Ich hatte halt auch Angst, den Krankenschein dann für den Rest der Dienstzeit immer verweigert zu kriegen!) Insgesamt hatte ich die Wahl zwischen „ich ruiniere mir meine Gesundheit“ und „ich begehe eine Dienstflucht und damit eine Straftat“. Natürlich habe ich auch die Leute der Dienststelle, über die ich als Ex-Zivi leider Schweigepflicht habe, darum gebeten, mich nicht so früh am Morgen einzusetzen, aber darüber konnte man mit denen natürlich nicht diskutieren.
Ich habe den Zivildienst jedenfalls als die Hölle auf Erden empfunden. Am Ende war ich regelrecht kurzatmig geworden. Meine Sucht nach viel Trinkwasser hielt nach Ende des Zwangsdienstes noch über zwei Jahre an und endete eher zufällig durch einen „Durstversuch“ im Jahr 2003 im Krankenhaus. Während ich an dieser „Wassersucht“ litt, hatte ich mindestens jeden dritten Tag Kopfschmerzen. Ich hab mir abends immer 2 Liter Wasser ans Bett gestellt, weil ich am nächsten Morgen vor dem Aufstehen so viel trinken musste, um nicht umzukippen. Dass mein Studium in dieser Zeit gut ging, ist fast schon ein Wunder! Mittlerweile bin ich wieder gesund, kann aber über das Thema „Wehrpflicht“ kaum mit einem ihrer Befürworter sprechen, ohne ihn dabei auf der verbalen Ebene regelrecht umzubringen!
Es würde den Rahmen dieser Mail sprengen, alles, was passiert ist, Symptom für Symptom, einzeln zu erläutern.
Ich habe aber durch die ganze Geschichte eines gelernt: Als junger Mann wird man auch dann als „arbeitsfähig“ eingestuft, wenn man es gar nicht ist. Es glaubt einem keiner. Man ist nur der „blöde junge Bock, der ja nur nicht arbeiten will und den man gar nicht feste genug in den Arsch treten kann“. Man hat gerade als junger Mann kein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wenn man gerade Zivi ist und krank ist, muss man beweisen, dass man krank ist, um von der Arbeit ganz oder teilweise befreit zu werden. Will man sich Jahre später gegen Arbeitsunfähigkeit versichern lassen, muss man beweisen, dass man gesund ist. Das System ist nämlich immer nur gegen einen!
Ich wünsche mir ein Deutschland, in dem sich kein Politiker mehr für die Wehrpflicht aussprechen kann, ohne dass danach von allen Seiten Rücktrittsforderungen laut werden. Wenn einer auch nur das Geringste gegen Frauen sagt, muss er ja auch zurücktreten!
Vor allem muss jede Art von Zwangsarbeit abgeschafft werden. Auch Arbeitslose sollten endgültig „nein“ sagen können zu jedem ach so zumutbaren Jobangebot! Zwangsarbeit nützt der Gesellschaft nämlich nicht, sondern schadet nur!
Zuletzt noch ein wichtiger Link: Hier steht das „Schwarzbuch Wehrpflicht“ zum kostenlosen Download bereit!
Labels: Zwangsdienste
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