Mittwoch, Januar 15, 2025

Überraschende Metastudie: Romantik und Beziehungen sind eher Männersache

Also gut, ihr habt gewonnen. :-) Über eine bestimmte Meldung wollte ich eigentlich gar nicht berichten, weil sie wenig mit der Benachteiligung von Männer zu tun hat und ich sie nicht wirklich für "News" halte. Inzwischen haben mich aber dermaßen viele von euch darauf aufmerksam gemacht, dass ich sie heute doch ansprechen möchte. Dann machen wir das Fass aber richtig auf und nicht nur als eine Meldung einer umfassenderen Medienschau.

Mit folgendem Absatz beginnt ein Artikel über eine neue Metastudie (Studie, die die Ergebnisse früherer Studien zusammenfasst):

Ob das nun die Titelseiten der Illustrierten sind oder Single-Frauen in Filmen, von denen eher ein mitleidiges Bild gezeichnet wird: Es braucht nicht besonders viel Kreativität, um festzustellen, dass unsere Gesellschaft gefühlige Angelegenheiten wie Liebe, Beziehung und Romantik insbesondere Frauen zuschreibt. Nicht alles zu glauben, was die Gesellschaft so sagt, ist die eine Sache. Nachzuforschen, die andere. Erkenntnisse legt jetzt die Humboldt-Uni in Berlin vor.


Das berichtet aktuell der MDR. In dem Beitrag heißt es weiter:

Wahring und Team wollten herausfinden, was da wirklich dran ist, an dem vermeintlich femininen Interesse an Romantik – und zwar Romantik im wissenschaftlichen Sinne, sprich: Liebesbeziehung. Die Forschenden haben mehr als fünfzig Studien zu heterosexuellen Beziehungen in westlichen Industriestaaten untersucht. Eine Frage, die die Psychologin bereits seit Uni-Zeiten umtreibt und der sie jetzt gemeinsam mit ihrem damaligen Professor in der vorliegenden Meta-Untersuchung nachgeht.

(…) Nun, das Ergebnis stellt den Volksglauben auf den Kopf. Heraus kam, "dass Männer eher sagen, eine Partnerschaft zu haben ist wesentlich für sie, um glücklich zu sein im Leben. Auch, dass Männer generell eher sagen, dass sie eine Beziehung suchen. Und auch, dass sie sich schneller und häufiger verlieben." Männer sind sogar die, die tendenziell eher die Liebe gestehen. Hinzu kommt: Männer profitieren eher psychisch von Liebesbeziehungen – und sogar körperlich.

(…) Warum sich die Relevanz einer Beziehung für Männer nun völlig konträr zum gesellschaftlichen Bild verhält, dazu gebe es verschiedene Erkläransätze. Aber einer sticht für Iris Wahring ganz besonders hervor: "Männer bekommen durchschnittlich weniger emotionale Unterstützung von Freunden und Familie als Frauen. Also sie sind mehr auf die Partnerschaft angewiesen, um emotionalen Unterstützung zu bekommen." Kein Wunder, dass Trennungen tendenziell eher von Frauen ausgehen, wie Wahring bereits bei einer Untersuchung im Herbst 2024 gezeigt hat.


Auch andere Medien, etwa Österreichs Standard, berichten. Zu diesem Artikel im "Standard" habe ich von euch auch die meisten Hinweise erhalten.

Das ist alles sehr überraschend – für unsere Leitmedien. Mal schauen, was einer dieser zurückgebliebenen Männerrechtler dazu vor 25 Jahren im ersten Kapitel seines Buchs Sind Frauen bessere Menschen? geschrieben hat (Belegquellen jeweils im Original):

Vor allem als Resultat der "Frauen-sind-besser-Bewegung" wurden Eigenschaften, die früher als weibliche Schwächen betrachtet wurden, nun zu Stärken umgemünzt. Infolgedessen erscheinen die Herren der Schöpfung eher als emotionale Krüppel, als "Eisenhans". Buchtitel nach der Masche "Männer lassen lieben" gibt es zuhauf. "Wenn die Liebe ein Geschlecht hat, dann ist es gewiss weiblich und nicht männlich", wird die Feministin Christa Mulack zitiert.

An der nach Geschlechtern geordneten Zuschreibung von Gefühlstiefe wird auch im Zeitalter der Emanzipation kaum gerührt. Aber stimmen diese Klischees wirklich? Können Männer tatsächlich kaum mithalten, wenn es um Gefühle geht? Und wie will man etwas so wenig Greifbares wie Emotionen überhaupt wissenschaftlich "beweisen"?

Beweisen kann man hier natürlich wenig. Aber es gibt etliche Belege dafür, dass das Gefühlsleben von Männern nicht nur von einem ausgetrockneten Brunnen weit entfernt ist, sondern dass es das von Frauen - generell gesprochen - in vielem weit übertrifft. Fangen wir mit der nüchternen Statistik an.

* Männer verlieben sich schneller als Frauen. In einer Studie, in der 700 Paare befragt wurden, zeigte sich, dass 20 % der Männer sich schon vor dem vierten Rendezvous verliebt hatten. Hingegen hatten nur 15 % der Frauen Amors Pfeil gespürt. Bei der zwanzigsten Verabredung waren sich 45 % der Frauen immer noch nicht über ihre Gefühle im Klaren, verglichen mit lediglich 30 % bei den Männern. Diese US-amerikanischen Ergebnisse werden durch sehr ähnliche Zahlen des Münchner Max-Planck-Instituts bestätigt. Dort stellte man fest, dass der Mann seine Entscheidung genau genommen bereits in den ersten Sekunden des Kennenlernens fällt: Wenn ihm seine Intuition sagt "Das ist die Richtige!", wird er unumkehrbar seine gesamte emotionale Energie auf diese Frau bündeln.

Sie hingegen weiß, dass sie Zeit hat, und die lässt sie sich auch: Während ihr Verehrer schon unaufhaltsam verstrickt ist, wägt sie noch skeptisch prüfend eine Begegnung nach der anderen ab, wobei der Großteil ihrer Entscheidungen vom Kopf gesteuert wird. Psychologen führen das darauf zurück, dass eine Frau außer einer romantischen auch eine ökonomische Entscheidung in dem Sinne fällen muss, wie gut der Betreffende als Ernährer geeignet wäre. Insofern überrascht es nicht, dass Frauen in Umfragen viel häufiger als Männer bekunden, jemanden auch dann heiraten zu würden, wenn sie nicht verliebt in ihn wären.

* Männer haben die größeren romantischen Ideale. Eine andere Untersuchung zeigte nämlich sehr deutlich, dass Männer eine wesentlich unpragmatischere Einstellung zur Liebe hatten, sich etwa viel weniger Gedanken über die soziale Position oder das Einkommen ihres möglichen Partners machten. Ihr Motto war: Solange sich zwei Menschen wahrhaft liebten, würden sich alle anderen Probleme schon lösen lassen.

Die Initiative zu einer Trennung geht in der Regel von Frauen aus. Männer hingegen waren bereit, um die Beziehung bis zum Äußersten zu kämpfen. Das zumindest behauptet eine Studie von Harvard-Soziologen. Laut einer Statistik von Anfang der neunziger Jahre verließen nur 60.000 Männer pro Jahr ihre Partnerin (davon 59 %, weil sie sich vernachlässigt fühlten), aber 160.000 Frauen ihren Partner.

Männer leiden nach einer Trennung definitiv mehr als Frauen. Sie fühlen sich eher einsam, machtlos, niedergeschlagen und ungeliebt und haben große Schwierigkeiten, damit klarzukommen. Während Frauen ihr Leben längst neu ausrichten, klammern sich Männer immer noch an die Hoffnung, dass sie nur das Richtige zu tun oder zu sagen brauchten, um die alte Harmonie wiederherzustellen. Dieser Zustand kann sich über Jahre hinziehen. Sie tragen sich auch häufiger mit Selbstmordgedanken. Ehemänner, deren Frauen sterben, begehen zehnmal häufiger Selbstmord als Frauen, deren Männer gestorben sind.

Insgesamt kommt die Autorin Kate Fillion unter der treffenden Überschrift "Frauen sind vom Mars, Männer von der Venus" zu dem Schluss, dass es in der Tat die Männer sind, die zu viel lieben: Ihre komplette geistige Verfassung scheint von ihren Beziehungen zu Frauen abzuhängen. Männliche Singles begehen doppelt so oft Selbstmord wie verheiratete Männer und leiden doppelt so oft unter psychischen Problemen - von Depressionen bis zu Nervenzusammenbrüchen - wie alleinstehende Frauen.

Auch die Ergebnisse von Umfragen können aufschlussreich sein: 72 % der 16- bis 29-jährigen Männer geben zu, beim Erstkontakt mit einer Frau schüchtern zu sein. Zwei von drei Männern haben Sehnsucht nach mehr Verständnis und fänden es klasse, wenn ihre Partnerin zärtlicher zu ihnen wäre. Drei von vieren möchten sich gerne mal wieder richtig verlieben. 38 % wünschen sich nichts sehnlicher, als dass ihre Frau (bzw. ihre Mutter) endlich aufhören würde, an ihnen herumzunörgeln. 41 % finden es schade, dass ihre Partnerin sich so wenig dafür interessiert, was sie tun, denken und schätzen. Gleichzeitig haben 17 % aber auch enorme Schwierigkeiten, ihre Gefühle offen zu zeigen.

Nun kann es an diesen 17% allerdings nicht liegen, dass dem männlichen Geschlecht der Ruf der Gefühlskälte vorausgeht. Es handelt sich hier immerhin nur um ein Sechstel der Gesamtheit. Stattdessen scheint es eine ganze Reihe von Gründen für diese Fehleinschätzung zu geben:

= Das männliche Rollengefängnis =

Zum einen können Männer in der Regel auf beruflicher Ebene Ängste, Depressionen und Hilflosigkeit nicht sehr offen zeigen. Typisch hierfür ist der Fall eines Bankangestellten, der eine Konferenz mit Tränen in den Augen verließ und daraufhin bei der nächsten Beförderung demonstrativ übergangen wurde. Aber auch auf privater Ebene herrscht das Lebensmotto: "Ein schwacher Mann kriegt keine Frau!" Und das ist leider Gottes keine bloße Paranoia. Zahllose Studien belegen, dass Männer richtig liegen, wenn sie der Forderung, mehr Gefühle zu zeigen, nicht so recht trauen. Sobald sie nämlich tatsächlich ihre Ängste und Sorgen offen legen, werden sie auch von ihren Partnerinnen allzu schnell als "zu feminin" und "nicht ganz auf der Reihe" betrachtet - statt als stark, ruhig, männlich, selbstsicher und kompetent.

Männer, die jammern oder Angst zeigen, wirken offenbar nicht sehr erotisch. Statt dessen wird Männlichkeit immer noch damit gleichgesetzt, den Belastungen des Lebens standzuhalten, ohne zu klagen. Die Familientherapeutin Olga Silverstein erklärt dazu: "Frauen wollen, dass er ein echter Mann ist. Wenn er aber ein Mann ist, dann mögen sie das auch nicht, weil das bedeutet, dass er zu dominant auftritt, und sie haben Angst vor ihm. Sie wollen alle Helden, aber sie wollen warmherzige, sanfte, liebende Helden... Oh! Was für ein Wunschtraum das doch ist!" Im Endeffekt sind Männer sowohl beruflich als auch privat von ihren eigenen emotionalen Bedürfnissen abgeschnitten.

= Psychologische Parteilichkeit =

Es ist kein Wunder, dass in etlichen psychologischen Studien die Frau als das emotional kompetentere Geschlecht ermittelt wird. Eine vergleichende Analyse etlicher dieser Untersuchungen ergab nämlich, dass diese durchgehend an der weiblichen Werteskala ausgerichtet waren. Selbstenthüllung, das Reden über Einstellungen und Gefühle, wurde als DAS entscheidende Kriterium für Intimität und Nähe ausgewählt. Männer, die dazu nicht bereit oder in der Lage waren, wurden wegen dieser "Unzulänglichkeit" bemitleidet oder kritisiert. Wenn man Männer aber nach ihrer eigenen Werteskala für Nähe und Zuneigung fragt, nennen sie Kriterien wie "gegenseitiges Geben und Nehmen", "einander helfen" und "gemeinsame Aktivitäten". Das lassen Psychologen aber nicht gelten. Für sie zeugt nur das Darüber-Sprechen von Reife, übrigens auch auf dem Gebiet der Sexualität, wo Männer ihre Gewogenheit am liebsten zeigen, indem sie "es" einfach tun.

(…) Für Männer zeigt sich [auch] eine enge Bindung zu anderen Männern eher durch gegenseitige Gefallen, freundschaftliche Wettkämpfe, Witze, Berührungen, gemeinsame Aktivitäten. Für sie ist es gerade entspannend, einmal nicht auf jedes Wort achten zu müssen, wenn Frauen abwesend sind. Durch diese unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen ist der Konflikt zwischen den Geschlechtern allerdings vorprogrammiert. In einem Experiment wurden Ehepaare angehalten, ihre Aktivitäten im Haushalt und in der Partnerschaft ebenso niederzuschreiben wie ihre Zufriedenheit mit der Beziehung. Es stellte sich heraus, dass die Frauen am glücklichsten waren, wenn ihre Männer etwas Nettes SAGTEN, während für Männer Taten und nicht Worte ausschlaggebend waren.

Daraufhin wiesen die Psychologen die Ehemänner an, mit ihren Liebesbekundungen etwas großzügiger zu verfahren. Die Frauen meldeten keine Verbesserung der Situation. Als daraufhin die Männer noch einmal gesondert befragt wurden, antwortete z. B. einer von ihnen, natürlich habe er seine Zuneigung verstärkt zum Ausdruck gebracht - indem er den Wagen seiner Frau gewaschen habe. Er hielt das für ein eindeutiges Zeichen seiner Liebe. Sie wusste es nicht zu deuten.

Kurz gefasst kann man beiden Geschlechtern nach dem Gesagten zwei wichtige Ratschläge mit auf den Weg geben. Frauen: Eure Männer lieben euch, auch wenn sie es nicht ständig sagen. Und Männer: Wenn ihr eure Zuneigung ab und zu in Worte packt, könnt ihr euch eine Menge Arbeit sparen.

= Fehlerhafte Selbsteinschätzung =

Beide Geschlechter glauben an ihre eigenen Stereotypen und Rollenerwartungen. Wenn man Frauen wie Männer danach fragt, wie sie sich selbst beschreiben würden (wie es oft gemacht wird), erscheint die Fähigkeit von Frauen, sich in andere einzufühlen und mit ihnen mitzuleiden, um ein Beträchtliches höher als bei Männern. Betrachtet man aber nonverbale Signale wie Veränderungen im Blutdruck, das Mienenspiel oder tatsächliche Hilfeleistungen, zeigt sich so gut wie kein Unterschied.


Das Kapitel geht noch ein paar Seiten lang weiter, aber ich denke, die Grundgedanken sind klar geworden. So wie bei vielen anderen Themen (etwa häuslicher Gewalt) sind Journalisten als diejenigen, die Geschlechterklischees oft am eifrigsten verbreiten, regelmäßig besonders verblüfft über Dinge, die in der seriösen Geschlechterforschung eigentlich seit Jahrzehnten bekannt sind.



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