Freitag, Oktober 20, 2017

#MenToo: Männer outen sich als Opfer sexueller Belästigung – News vom 20. Oktober 2017

1. Während unter #MeToo hauptsächlich Frauen ihre Erlebnisse teilen, äussern sich sexuell belästigte Männer inzwischen unter #MenToo. Die Schweizer Zeitung 20 Minuten berichtet, schloss den Kommentarbereich unter dem Artikel, wo Männer begannen, ihre Erfahrungen zu schildern, wegen des großen Ansturms jedoch zügig.

In Österreich berichtet Heute über den neuen Hashtag – nicht ohne zu erwähnen, dass sich "etliche Frauen" kritisch dazu äußern, dass jetzt auch Männer über ihre Opfererfahrung sprechen.

Ein deutsches Medium, das über #MenToo berichtet, konnte ich nicht finden. Hier herrscht ungebrochen der gewohnte Sexismus, bei dem das "Opfer-Abo" Frauen vorbehalten bleibt.



2. Für Männer indes bleibt die Täterrolle reserviert. Der Feministin Yasmina Banasczuk geht das natürlich nicht weit genug: Sie ruft Männer auf Twitter zur Selbstbezichtigung unter dem Hashtag #ichwars auf. Darauf erhält sie zwar viel Resonanz, aber diese scheint zu einem großen Teil sarkastisch zu sein. (Hier der Hashtag im Original.)



3. Im liberalen Online-Magazin Spiked! äußert sich Ella Whelan zu der aktuellen moralischen Panik. In ihrem Artikel heißt es:

It’s time we clarified what sexual harassment really means. It’s not just the occasional offhand comment or unpleasant exchange. By labelling everything from shouts on the street to glances at the bar as sexual harassment, we denigrate the term. The panic about harassment and women’s safety is spinning out of control. Listening to some feminists, you’d be forgiven for thinking women are in danger every time they step into the street. And that we need more regulation and more law to protect women and control men. Cat-calling is now a hate crime in Nottinghamshire. Calling on the state to protect women from men smacks of a Victorian, patronising illiberalism.

It’s time for some uncomfortable truths about the harassment panic. Feminists who peddle the idea that women are wallflowers – always at risk, requiring protection, and too damaged to talk seriously about the reality of our experience and therefore we need a caring Twitter leg-up – are doing a gross disservice to women. Of course, actual cases of sexual misconduct, which are rare, should be investigated and tackled. But feeding a moral panic that encourages women to feel more vulnerable, and which demonises men, is just destructive and wrong.




4. Auch ihre Kollegin Karol Markowicz ist mit dem Verlauf der Debatte unzufrieden:

In short, as people in the Twitterverse routinely put it, "men are trash." The phrase "not all men" has become an Internet meme that feminists use to mock men who defend themselves against these kinds of mass accusations. Plainly, "not all men" are rapists or sexual harassers or predators like Weinstein--but when men try to say so they get shut down with an "oh yeah, not all men" eyeroll.

After Weinstein, though, the line the left is pushing is "yes, all men." Shaun Lau, host of the "No, Totally!" podcast tweeted that and added "To masculine domination, non-consensuality is a feature, not a bug. Power requires neither permission nor forgiveness." Writer Paraic O'Donnell tweeted "Yes, all men. In some degree, in some capacity, at some remove. Yes. Now, shut the f*** up, and try to make the world just, safe and kind."

These are both men who believe that "all" men behave this way, presumably including themselves. (...) This eagerness to spread blame beyond the perpetrator, to all men, to all of society, lets these awful men off the hook. (...) That’s the real problem with casting this wide net to include all men in this atrocious behavior. It ends up giving a pass to the predators. (...) Maligning half the population as exploiters of women mixes in the bad guys with the good ones--and it’s the Weinsteins of the world who benefit.




Themawechsel.



5. Die "Interessensgemeinschaft Jungen, Männer, Väter", in der ich auch Mitglied bin, schreibt einen Offenen Brief an die Koalitionsparteien anlässlich der aktuellen Sondierungsgespräche zur aktuellen Bundesregierung. Natürlich wird auch der Inhalt dieses Briefes von mir unterstützt.



6. In der Online-Männerszene macht bereits ein aktuelles Gerichtsurteil von sich reden, das Geschlechterquoten für verfassungswidrig erklärt. Wie konnte es in unserer feministischen Gesellschaft zu einem solchen Urteil kommen? Ganz einfach: Diesmal wurde die Quote von einem Jungen eingefordert.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine Geschlechterquote kein zulässiges Kriterium für die Aufnahme in ein grundständiges bilinguales Gymnasium sein kann.

Der Antragsteller, ein Junge, begehrte die Aufnahme in ein solches Gymnasium. Da es mehr Bewerber als freie Plätze gab, musste ein Auswahlverfahren auf der Grundlage der bisherigen schulischen Leistungen durchgeführt werden. Danach wurden – wegen besserer Noten – überwiegend Mädchen ausgewählt.

Das VG Berlin hatte dem vorläufigen Rechtsschutzantrag des Jungen teilweise stattgegeben. Das bilinguale Gymnasium müsse nach der hier einschlägigen Rechtsverordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen Mädchen und Jungen zur Gewährleistung des koedukativen Unterrichts dem schwächer vertretenen Geschlecht – d.h. hier den Jungen – mindestens ein Drittel der Plätze zur Verfügung stellen. Dies sei nicht geschehen.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat sich dieser Auffassung im Beschwerdeverfahren nicht angeschlossen.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die in der Verordnung vorgesehene Geschlechterquote verfassungswidrig. Sie verstoße gegen den in Art. 10 Abs. 1 und 2 der Verfassung von Berlin garantierten Gleichheitsgrundsatz und das Verbot, Menschen wegen ihres Geschlechts zu bevorzugen. Dies müsse der Verordnungsgeber beachten, wenn er den Zugang zu öffentlichen Schulen regle. Unabhängig davon fehle eine Rechtsgrundlage im Schulgesetz, aufgrund derer die Senatsschulverwaltung ermächtigt werde, eine Geschlechterquote für grundständige bilinguale Gymnasien in einer Rechtsverordnung zu regeln.


Dieselbe juristische Logik müsste natürlich für beide Geschlechter gelten. Insofern spekulieren manche, dass dieses Urteil die Tür dazu öffnet, Geschlechterdiskriminierung durch Quoten generell zu unterbinden.



7. An der US-amerikanischen Universität Wisconsin, möchte eine Professorin Kurse stärker so ausrichten, dass Frauen lernen, wie unterdrückt sie in unserer Gesellschaft sind. Ohne eine derartige Unterrichtung teilen nämlich immer weniger Frauen diese Sicht:

Cristina Mogro-Wilson, who teaches social work at UConn, surveyed 118 students pursuing a Masters in Social Work (MSW) degree and found that the overwhelming majority of respondents — 94 percent of whom were women — do not believe that "discrimination and subordination” are “salient issues in women’s lives."

(...) The findings are problematic, Mogro-Wilson contends, because without a sense of their own oppression, students may be disinclined to "embrace the notion of change through unification," such as in the form of protesting.




8. Die sogenannten TED Talks sind eine beliebte Online-Plattform, auf der Meinungsführer und Vordenker unserer Gesellschaft Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen halten können. Wer dort sprechen darf und wer nicht sowie welche Statements dort abgegeben werden ist ein immer wieder heiß diskutiertes Politikum. Jetzt hatte auch die Filmemacherin Cassie Jaye Gelegenheit zu einem dieser hoch angesehenen Vorträge: Meeting the Enemy. A feminist comes to terms with the Men's Rights movement.

(Denselbe oder zumindest einen sehr ähnlichen Vortrag hatte Jaye früher schon gehalten, aber bei TED erhält sie eine viel stärkere Aufmerksamkeit. Und der Vortrag ist nun mal verdammt stark.)



Blicken wir kurz auf die Meldungen von heute zurück: Männer sprechen über ihre Erfahrungen als Betroffene sexueller Belästigung. Junge Frauen müssen an Universitäten eigens indoktriniert werden, um sich noch benachteiligt zu fühlen. (Und es ist sehr unsicher, ob diese Indoktrination funktionieren wird.) Eine ehemalige Feministin spricht sich bei TED dafür aus, alle Stimmen in der Geschlechtebatte zu hören und Männerrechtler nicht länger durch Dämonisierung zum Schweigen zu bringen.

Zugegeben: Die Machthaber in Politik, Medien und dem akademischen Bereich tun noch immer ihr Menschenmöglichstes, um das alte sexistische Denken vom Täter Mann und Opfer Frau aufrecht zu erhalten. Dem unbenommen hat der kulturelle Wandel zu einer tatsächlich geschlechtergerechten Gesellschaft längst begonnen.

Werden diejenigen, die heute als Männerrechtler aktiv sind, noch selbst von diesem Wandel profitieren, oder werden es erst spätere Generationen sein, während wir bis zu unserem Tod durch den Dreck gezogen werden? Ich weiß es nicht. Aber diesen kulturellen Wandel voranzubringen ist ohne Frage notwendig. Die gesamte menschliche Zivilisation beruht darauf, dass Menschen Bäume geflanzt haben, in deren Schatten sie selbst niemals sitzen konnten. Vielleicht tun wir gerade dasselbe.

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