NZZ: "Wokeness-Kitsch und der Knüppel der Binarität"
1. Die Neue Zürcher Zeitung kritisiert "Wokeness-Kitsch":
Wokeness bedeutet ein Bewusstsein für die oft unsichtbaren und «normalen» Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen im sozialen Leben. Wokeness-Kitsch dagegen ist eine Dauererregtheit, die überall Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen wittert, nach Triggern der Empörung Ausschau hält. Eine "indignatio praecox". Wir empören uns, um uns gut zu fühlen. Und das heisst vor allem: besser als die anderen.
Hier zeigt sich das Grundmotiv: "Wir zuerst!" Wir sind woke, ergo sind wir. Ein Paradox: Ständig redet man von einer Vielfalt der Identitäten, von Nonbinarität, aber der Wokeness-Kitsch operiert mit dem polarisierenden Knüppel der Binarität: Wir – "personae gratae" – contra die anderen – "personae non gratae". Dabei lastet auf den anderen ständig der Druck, sich dafür rechtfertigen zu müssen, nicht so zu sein wie die Woken: Bevor du etwas sagst, entschuldige dich dafür, dass du ein weisser, europäischer, alter, privilegierter, heterosexueller Mann mit satter Rente bist! Und glaube ja nicht, die Woken zu verstehen!
Wokeness-Kitsch ist sich sicher, einem "richtigen" Bewusstsein verpflichtet zu sein, während er die anderen eines "falschen" Bewusstseins bezichtigt. Dabei leitet ihn die Annahme, moralische Integrität messe sich am Grad der Indigniertheit. Der emotionale Ausdruck zeigt zweifellos oft am wahrnehmbarsten und stärksten die innere moralische Bewegtheit an. Aber umgekehrt zu meinen, sicht- und hörbare Empörtheit sei das "authentische" Symptom guter Moral, zeugt eher von pubertärer Motzmentalität.
2. Eine Lehrerin in den USA, die eine Zwölfjährigen sexuell missbraucht haben soll, ist dabei schwanger geworden und sagt: "Ich werde dieses Kind austragen". (In früheren Fällen dieser Art sind die Missbrauchsopfer sogar zur Zahlung von Unterhalt an die Täterin verurteilt worden.)
3. In eigener Sache: Genderama wird nächste Woche pausieren, weil ich ein paar Tage im Ausland bin. In dieser Zeit werde ich auch keine Mails beantworten können.
<< Home