Freitag, März 02, 2018

Roberto De Lapuente: Rechts gewinnt, weil Links versagt (Buchvorstellung)

In der Kategorie "Zentrale Texte für einen linken Maskulismus" steht Roberto De Lapuentes Beitrag "Mannhafter Feminismus" (eine Auseinandersetzung mit der "taz"-Journalistin Simone Schmollack), seit mehr als fünf Jahren auf der Blogroll von Genderama. Gestern erschien im Frankfurter Westend-Verlag, wo ich auch veröffentliche, Lapuentes Buch "Rechts gewinnt, weil Links versagt" – das ist seit Jahren meine Rede auf diesem Blog, wobei ich mich durch den Rechtsrutsch bei der letzten Bundestagswahl bestätigt sehe. In der Kurzvorstellung des Buches heißt es:

Die gesellschaftliche Linke steckt seit Jahren in der Krise und schafft es nicht, sich als Alternative für Deutschland zu etablieren. Daran hat natürlich auch die neoliberale Kampagne gegen linke Politik einen Anteil, aber Roberto De Lapuente zeigt in seiner kritischen Analyse auch, dass viele Probleme der Linken hausgemacht sind: Ausladende Gender-Debatten und ewige Marx-Exegesen, aber vor allem die Selbstgefälligkeit und Abgehobenheit, mit der sich manche Linke präsentieren, vergraulen selbst diejenigen, die eigentlich zur Stammklientel gehören sollten. Um wieder mehrheitsfähig zu werden, fordert De Lapuente eine Rückbesinnung auf alte Stärken und einen neuen, ergebnisoffenen Diskurs mit allen Beteiligten.


Ein ergebnisoffener Diskurs mit allen Beteiligten ist bekanntlich genau das, was in der aktuellen Geschlechterdebatte fehlt. Stattdessen genießen Feministinnen dort absolute Lufthoheit, während Männerrechtler denunziert und ausgegrenzt werden. Insofern erschien es mir reizvoll, Lapuentes Buch speziell mit Blick auf diese Geschlechterdebatte zu lesen, auch wenn es insgesamt weit darüber hinaus greift. Aber ich weiß von vielen linken Männern, die nicht zuletzt wegen dieser einseitigen Geschlechterdebatte in eine Art innerer Emigration gegangen sind, oder aber rechte Parteien wählen oder aber, etwa in meinem Fall, jetzt die FDP unterstützen. Die Linke hat hier in der Tat dabei versagt, ihre Mitglieder an sich zu binden, und es ist sinnvoll, wenn dieses Versagen aufgearbeitet wird.

Dabei macht Lapuente schnell deutlich, dass es DIE Linken eigentlich gar nicht gibt. Unter den Linken gibt es allerdings ein Spektrum von Akteuren, die "mit ihrer Haltung, ihrem Hang zur Dramatisierung und Diabolisierung politischer Kontrahenten ganz gewaltig die politischen Normalverbraucher" abschreckten und zugleich "mit utopischen Aussichten und Umerziehungsratschlägen" verprellten. Diese Akteure schaffen es, das linke Lager insgesamt als nicht wählbare Alternative erscheinen zu lassen:

Mit Leuten, die sich ständig nur im Karree abschotten, die narzisstisch mit der Moralkeule hantieren, politisch Andersdenkende im Wahn der eigenen Überlegenheit verprellen, (...) macht man nun mal keinen Staat.


Lapuente diagnostiziert bei diesem Spektrum einen regelrechten Wettbewerb in Sachen ideologischer Reinheit:

Keiner ist links genug und jeder der Feind. Und wer das fraglie Moralverständnis, das man sich selbst als höchste innere Verfassung verliehen hat, auch nur touchiert, der ist raus, für den gibt es keine Existenzberechtigung innerhalb der Linken mehr.


Es ist eigentlich offenkundig, dass diese politische Strategie nicht erfolgreich sein kann: Statt möglichst viele Verbündete zu suchen erklärt man die eigene Meinung zum Ideal der politisch-moralischen Reinheit und folgert daraufhin, dass jeder mit anderer Auffassung nicht moralisch rein sein kann, also "rechts" sein muss und folglich bekämpft gehört. Trotzdem wird diese Strategie gewählt, auch in der Geschlechterdebatte. Auch hier versuchen die lautstärksten Protagonisten nicht etwa, mit linken Männerrechtlern Bündnisse zu schließen, sondern erklären lieber entrüstet, warum das undenkbar sei. Und danach wundert man sich, dass der Truppenzuwachs im gegnerischen Lager größer als im eigenen ist.

Als weiteren Fehler im linken Spektrum kritisert Lapuente, dass Politik oftmals zum reinen Posing verkommt:

Gegen die Rechten sein. "Den Faschisten keinen Fußbreit!" "Nationalismus raus aus den Köpfen!" Das sind alles so Parolen, die pathetisch klingen, im Kern ja auch zutreffend sind, die mich aber ratlos zurücklassen.


An echten Gegenkonzepten statt reinem Parolendreschen nämlich mangele es. Und auch das lässt sich auf die Geschlechterdebatte übertragen. Beispielsweise habe ich von meinen eigenen Kritikern niemals ein inhaltliches Gegenkonzept zu meinem Buch "Plädoyer für eine linke Männerpolitik" erhalten. Es gab nie einen Gegenentwurf, der argumentierte, aus bestimmten Gründen überzeugender als mein Entwurf zu sein. Dass ein Grüppchen randalierender Feministinnen hinter die Nürnberger Mistersingerhalle "Fuck Arne Hoffmann" sprühte, war stattdessen noch die intelligenteste Erwiderung, zu der dieses Lager fähig war. Thomas Gesterkamp erklärt in der "taz", ich sei "nicht links, sondern bestenfalls libertär" (Begründung: keine), und Andreas Kemper vergleicht die Männerrechtsbewegung umstandslos mit dem Nationalsozialismus. "Der Antifaschismus der linken Linken", erläutert Lapuente, "will nicht warnen und mahnen – er will diskreditieren. Ein falsches Wort und man wird ohne viel Federlesens in die Riege vergangener Mörder eingereiht. Hier wird Moral nicht als ethischer Imperativ verstanden, sondern als Waffe missbraucht." Damit instrumentalisiere man letztlich den Holocaust, beflecke das Andenken der Opfer und tue tragischerweise genau das, was der Antifaschismus ausschließen wolle.

Darüber hinaus drängt man potentielle Verbündete fast gewaltsam zum politischen Gegner und wundert sich dann mit großen Augen über den entstandenen Rechtsruck bei den Wahlen. Oder um mit Lapuente zu sprechen:

In einem Facebook-Dialog schrieb mir mal einer, dummerweise auch noch jemand, der sich in der Linkspartei engagiert, nachdem ich Bedenken um den Kampf der Köpfe geäußert hatte, dass man diese Leute gar nicht im eigenen Lager wissen wollte. (...) Wer aber so wählerisch ist, bei dem sind die Wähler eben auch nicht wählerisch.


Dabei verdeutlicht Lapuente, dass ja beileibe nicht nur wir Männerrechtler von diesem Abgrenzungsdrang betroffen sind, sondern dass etliche linke Grüppchen "untereinander teilweise spinnefeind und arg zerstritten" sind. Wie könnte es auch anders sein, wenn schon simple Meinungsunterscheide bei einzelnen Themen ausreichen, den anderen als "unrein" und damit unzumutbar zu erklären? Diese Grüppchen und Strömungen, so Lapuente "halten nichts voneinander. Auch das macht sie aus."

Es ist wichtig, über diese Eigenart im linken Spektrum Bescheid zu wissen. Andernfalls nämlich fragt man sich, ob man diverse hässliche Anfeindungen irgendwie verdient habe, weil man sich für die Menschen- und Bürgerrechte auch von Männern einsetzte oder anderweitig eine abweichende Meinung vertreten hat. Es droht hier eine Form von Victim-Blaming oder sogar, dass sich ein Opfer selbst die Schuld für die erlittenen Aggressionen gibt. Das wäre ein Fehlschluss, den manche radikale Linke gerne verstärken. Tatsächlich sind sie es, die ein massives Problem mit Meinungspluralismus haben. Hier hilft es eben zu wissen, dass manche radikale Linke anderen Linken grundsätzlich gerne jegliche politische Existenzberechtigung absprechen. Es gehört in diesem Spektrum ein bisschen zur allgemeinen Psychodynamik.

Lapuente stellt nun verschiedene dieser linken Splittergruppen näher vor, darunter die sogenannte "Fantifa" (feministische Antifa).Hier veranschaulicht er das eben Erklärte, indem er ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert:

Die Erfahrung, wie Geschlechterkampf in diesen Kreisen ausgefochten wird, machte ich persönlich, als ich vor Jahren online einen Text publizierte, der sich mit der Männerrolle in der öffentlichen Wahrnehmung beschäftigte. Nichts Weltbewegendes eigentlich. Prompt klebte sich eine ostdeutsche Anarchofeministin virtuell an meine Fersen und veröffentlichte Texte, in denen es um die Darlegung meines Charakters ging. So war ich wahlweise ein "Arschloch", ein verkappter Rechter oder mal einer, über den man flugs Missbrauchsvorwürfe gegen Frauen und Kinder in den Weiten des Internets streuen konnte. (...) Kurz nachdem bekannt wurde, dass ich in einer Volkshochschule in Nordrhein-Westfalen zum Thema Bloggen informieren werde, rief jene Frau und ihr anarchistisches Amazonat die Männer vor Ort auf, sie sollten ihre Frauen festhalten, man wisse ja nie, wie der Tätermensch, den man der Einfacheit halber Mann nennt, reagiere, sobald er in der Stadt ist.

Auch diese Person verstand sich grundsätzlich als Richtigstellerin der linken Sache, definierte Kapitalismuskritik grundsätzlich als Kritik am Mann, der in diesem Kontext dann allerdings Maskulinist hieß. Sie brachte mehr Energie dafür auf, sich um die Symptome meiner vermeintlich derangierten Libido zu kümmern, als um zentrale Fragen linker Wirtschaftspolitik und neoliberalen Wirtschaftsversagens. Auf diese Weise zeigte sie die selbe Schwanzfixiertheit, die sie Maskulinisten unterstellte. Da kam sie nun wieder zum Vorschein, diese linke linke Überzeugung der Allwissenheit, die am Ende die Menschen gegen linke Ansätze in der Politik verschließt.


Das ist alles fein beobachtet. Die einzige Frage, die ich darüber hinaus spannend finde und die Lapuente leider nicht beantwortet, ist die nach dem psychologischen Urgrund bei so manchen "linken Linken" dafür, komplett durchzuknallen, sobald jemand anderes auch nur bei einem Nebenthema eine abweichende Meinung zur eigenen Auffassung äußert. Warum fehlt bei solchen Menschen bei ihren diversen Überreaktionen jegliche funktionierende Kontrollinstanz, die ihnen sagt "Was du dich gerade anschickst zu tun, ist weder in irgendeiner Weise konstruktiv noch angemessen in der Sache noch politstrategisch sinnvoll". Warum greift man ganz selbstverständlich allein auf das Erzeugen von Angst als zentralem Machtinstrument zurück? (Im eigenen Lager soll Angst beispielsweise vor den bösen Maskulisten erzeugt werden, außerhalb des eigenen Lagers Angst, als böser Maskulist angeprangert und damit ausgegrenzt zu werden.) Irgendwo muss diese Leidenschaft für Angstkommunikation doch herkommen? Wenn man hier die psychischen Triebfedern kennen würde, könnte man dieses destruktive Verhalten eher angehen.

Eine weitere Passage dieses Buches passt exakt auf die MeToo-Debatte der Gegenwart, wiewohl das Buch offenkundig deutlich vor Beginn dieser Debatte geschrieben wurde:

Dass es zwischen der neoliberalen Gesellschaft und diesen radikal feministischen Elementinnen eine Affinität und Geistesverwandschaft gibt, kann man recht gut an so fundamentalistischen Auffassungen erkennen wie jener vom "Nein heißt nein!" und ihren kruden theoretischen Vorbauten dazu. Auf der sexualtheoretischen Agenda der neoliberal-feministischen Bürgergesellschaft hat sich nämlich das eigentlich alte katholische Ideal der züchtigen Frau, des weiblichen Wesens als an sich asexuelles, über den Trieben stehenden Wesens neu kultiviert. Nur geschieht das nicht mehr in Form biederer Jungfräulichkeit, sondern anhand der Stilisierung der Frau als rund um die Uhr von sexuellen Übergriffen bedrohten Wesens. Die Frau ist die große Neinsagerin, sie muss dieses negierende Wörtchen mehrmals am Tag benutzen, weil der männliche Übergriff an allen Ecken drohe.


Wenn jetzt, wie in Schweden geplant, Geschlechtsverkehr erst nach einem (mündlichen) Vertrag stattfnden könne, zeige dies Lapuente zufolge

wie die Vertreterinnen und Vertreter dieses Weltbildes Sexualität einordnen: als eine Verwaltungsentität, als einen Akt, der gehandhabt werden kann wie eine vertragliche Einigung. Sie sehen darin einen Deal der Körperlichkeit, der Dienstleistung zwischen zwei unabhängig agierenden Empfängern enthält. Da man in neoliberalen Kreisen im Grunde alles, was in der Gesellschaft stattfindet, als reine Vertragssituation begreift, wundert es ja wahrlich nicht, dass die Politik und ein breiter Teil der Öffentlichkeit solchen Gesetzesinnovationen positiv gegenüberstehen. Was dann aber durchaus verwunderlich ist, das sind die radikalen Feministinnen, die mit in den Chor einstimmen und glauben, dass solche Gesetze als ein emanzipativer Fortschritt zu feiern sind, wobei die doch in ihrem Wesenskern mehr so mittelalterliche, ja scholastische Elemente rekrutieren. (...) Das Frauenbild der Weibsbilder, so kann man salopp festhalten, gleicht jenem der Klerikalen von einst.


Wie schon eingangs dieser Buchvorstellung erwähnt, ist die Geschlechterdebatte nur ein Aspekt von Lapuentes umfassenderen Analyse. Das Inhaltsverzeichnis dieses geradezu überfälligen Buches ist ja über den obigen Link zu Amazon einsehbar. Der Kern der Kritik bleibt indes: Rechts gewinnt, weil Links versagt. Wer diese Tendenz stoppen möchte, für den ist es höchste Zeit, das linke Versagen zu bewältigen. Und da man die schrillen Feindbildproduzenten weder übertönen kann noch ihnen den Mund stopfen sollte, hilft lediglich, sich von ihnen nicht aufstacheln zu lassen, selbst mit positivem Beispiel voranzugehen und sich an konstruktiver Sacharbeit zu orientieren.

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