Vermischtes vom 2. September 2016
1. Ähnlich wie Lucas Schoppe habe ich die Beiträge von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung lange Zeit gern gelesen. Aber wenn der Gute mal falsch liegt, leistet er sich dafür auch richtige Klopper: so wie aktuell mit dem Artikel Das Kuckuckskind-Gesetz ist ein Schritt in die Vergangenheit. Lucas Schoppe gibt darauf die verdiente Antwort mit dem Beitrag Herrn Prantls Schwierigkeiten mit der Gleichberechtigung. Schoppe findet: "Mit einem neuen Text knackt [Prantl] glatt das Niveau gedankenloser Aggressivität, das Lalon Sander in der taz doch eigentlich so beeindruckend unknackbar etabliert hat."
Das Scheinvater-Gesetz wird heute auch bei Christian Schmidt diskutiert. Aber die eigentliche Spitzenmeldung für heute (und weil ich darauf gewartet habe, erscheint mein Blogbeitrag heute so spät), ist, dass der auf dieses Thema spezialisierte Männerrechtler Ludger Pütz hierzu von der Süddeutschen ausführlich interviewt wurde. Ganz herzlichen Glückwunsch sowohl an Ludger Pütz wie an die Süddeutsche – so gehört das!
Für beide hier vorgestellte Artikel kann man der Zeitung natürlich Rückmeldungen geben. Die Adresse für Leserbriefe lautet forum@sueddeutsche.de.
2. Eigentlich zu alt für ein Newsblog - aber ich mache mal eine Ausnahme - ist eine Meldung auf dem Blog "Schindluder": Jennifer Rostock präsentiert ihre Titten und beschwert sich, dass die BILD ihre Titten präsentiert.
3. Die Publizistin "Erzählmirnix" verweist auf Twitter auf "die dümmste Antwort, die ich je auf einen Comic erhielt".
4. Die australische Sceptics Society berichtet über die unerwarteten Effekte eines Erziehungsprogramms gegen sexuelle Belästigung.
5. Ein Urlauber wird in Wales von seiner schreienden Freundin mit zwei Messern auf offener Straße angegriffen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit eines weiteren Mannes erregt – der den Angegriffenen prompt zusammenschlägt.
A holidaymaker who was attacked with two knives by his drunk girlfriend was then beaten up by a man who misread the situation.
Raffal Kossowski, 37, heard a woman screaming from a holiday chalet in Towyn, North Wales, a court heard.
Jumping to the wrong conclusion, the have-a-go hero ran to the chalet and kicked Daniel Copeland with such force he broke his arm. reports Birmingham Mail.
Kossowki, from Birmingham, then dragged Copeland out of the chalet where he was beaten up by two other men.
Und so, liebe Kinder, sehen unsere "rape culture" und die oft so selbstverständlich hingenommenen Privilegien von Männern im Patriarchat aus.
Wahrscheinlich landet dieser Fall in irgendeiner feministischen Statistik über die Gewaltgeilheit von Männern.
6. Die Post. einer meiner Leser schreibt mir zum Thema Ausbeutung von Männern aus der Unterschicht. Dazu zitiert er einen Artikel der SPIEGEL-Rubrik Eines Tages darüber, "wie US-Präsident Richard Nixon Ende der 60er Jahre versuchte, 'Wehrgerechtigkeit' herzustellen, als herauskam, dass sich zahlreiche Söhne begüterter Eltern vor dem Kriegsdienst in Vietnam drückten: Indem er eine Lotterie einführte, bei der nach dem Zufallsprinzip darüber entschieden wurde, wer zu Hause bleiben durfte und wer sein Leben in Vietnam riskieren mußte.
Dabei kam es dem Artikel zufolge zu unglaublich bizarren Szenen:
Schauen, schießen, beschleunigen - Denis R. O'Neills Körper funktionierte, mehr nicht. Selten hatte man den Kapitän der Dartmouth-College-Eishockeymannschaft in Hanover, New Hampshire, so unkonzentriert gesehen. Mit den Gedanken war er ganz woanders, mit den Blicken auf den Zuschauerrängen. Dort saßen seine Freunde mit Transistorradios. "Sie schrien uns zu - 31. August: 11! 24. Mai: 31! 3. September: 49!", erinnert sich O'Neill im Gespräch mit einestages.
Die Zahlen konnten über Leben oder Tod entscheiden. Denn an diesem 1. Dezember 1969 wurde Lotterie gespielt: Im fernen Washington lagen 366 Kugeln in einer Glasschüssel, eine für jeden Tag des Jahres, inklusive 29. Februar. Die Ziehung entschied über das Schicksal junger Amerikaner im Alter zwischen 18 und 25 Jahren: Wer Lospech hatte, musste damit rechnen, bald auf den Schlachtfeldern Vietnams zu kämpfen.
Kugel für Kugel zogen Angestellte des Selective Service System die Geburtsdaten von Männern, die zum Militärdienst antreten mussten. Jeder befürchtete, dass sein Geburtstag sich unter den ersten 200 Ziehungen befand. Die groteske Lotterie wurde live im Fernsehen und im Radio übertragen, Denis R. O'Neill und seine Mannschaftskameraden verfolgten sie auf dem Eis. "Es war surreal", sagt er. (…)
"Ich sehe jetzt noch vor mir meinen glücklich grinsenden Mitspieler mit dem zugekotzten Shirt. Er hatte Nummer 365", erzählt Denis R. O'Neill vom Abend nach dem Eishockeyspiel. "Auf der anderen Seite des Raumes heulte ein Junge aus Maine Rotz und Wasser. Nummer 14. Und dazwischen ich, Nummer 163."
(…) Vor drei Jahren veröffentlichte O'Neill ein Buch über die Zeit der Lotterie. "Es war eine Zeit, die unbekümmerten jungen Männern wegen eines völlig unnötigen Krieges ein Damoklesschwert über den Kopf hängte", sagt er. Und ist sicher: Niemand hat seine Losnummer je vergessen, oder seinen Aufenthaltsort, als die Lotterie lief.
Mein Leser kommentiert:
Könnte man sich so etwas vorstellen: Eine sogar in Funk und Fernsehen übertragene Lotterie, bei der Frauen für ihren möglichen Tod ausgewählt werden? Für Männer jedenfalls hat es so etwas nicht in irgendeinem reißerischen Hollywoodfilm, sondern tatsächlich gegeben!
Ein weiteres Beispiel dafür, was in unserem Patriarchat den "unterdrückten Frauen" im Gegensatz zu den "privilegierten Männern" über Jahrhunderte hindurch so alles erspart geblieben ist.
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