Montag, September 12, 2016

Vermischtes vom 12. September 2016

1. Ich habe mir gestern Abend noch die Druckausgabe der Welt am Sonntag besorgt, weil der Artikel, den die Zeitung online gestellt und den ich gestern auf Genderama verlinkt hatte, im Verhältnis zum Rechercheaufwand seiner Verfasserin, den ich ja mitbekommen hatte, recht knapp ausgefallen war. Mein journalistischer Instinkt lag richtig. In der Printausgabe ist Anette Dowideits Artikel, der auf der Titelseite der Zeitung beginnt, dreimal so lang wie die Online-Fassung. Einen Großteil davon nimmt die Geschichte eines Mannes ein, der schildert, wie er von seiner Frau misshandelt wird, während Deutschlands "Justiz, sich weigert, ihn zu schützen und die Vergehen zu ahnden". Er wurde von seiner Frau unter anderem die Kellertreppe heruntergestoßen, wovon er sich nie wirklich erholt hat, und erlitt mittlerweile einen Herzinfarkt, wonach er körperlich noch angeschlagener ist.

Einige zitierenswerte Auszüge aus Anette Dowideits Artikel:

Bundesweit gibt es 435 Frauenhäuser, zudem Hunderte Hilfeinrichtungen und Netzwerke. Es gibt Gesetze, die dafür sorgen, dass Frauen gewalttätige Männer aus der gemeinsamen Wohnung werfen können – und die Polizei setzt sie durch. Männerhäuser dagegen gibt es bundesweit gerade einmal drei. Und macht ein Mann Gewalt in der Beziehung öffentlich, erlebt er nicht selten, dass er allein gelassen wird. Die wenigen Beratungsstellen für Männer berichten von Unverständnis bei der Polizei, von Bagetellisierung und Konzeptlosigkeit bis hin zu Feindseligkeit von Beamten, die den Hilfesuchenden eigentlich zur Seite stehen müssten.

(...) Eine Studie der Universität New York ergab vor zehn Jahren, dass es in rund einem Viertel aller Partnerschaften zu Gewalt kommt. In fast zwei Dritteln ging diese von beiden Partnern aus. In zwölf Prozent der Beziehungen schlug nur der Mann zu – und in 25 Prozent nur die Frau.

(...) Die Opferschutzorganisation Weißer Ring hält Misstrauen gegenüber Männern für ein strukturelles Problem. "Männer brauchen keine Hilfe. Sie sind stark und können sich wehren – diese falschen Rollenbilder und Vorurteile sind leider immer noch tief in unserer Gesellschaft verankert, wenn es um Männer als Opfer von Gewalt geht", sagt Bundesgeschäftsführerin Bianca Biwer. Bis ein Mann den entscheidenden Schritt wagt, Hilfe zu suchen, dauert es sehr lange.

Das liegt auch daran, dass Frauen neben körperlicher Gewalt auch psychische ausüben. Das sagt etwa Jürgen Waldmann von der Sozialberatung Stuttgart, die seit eineinhalb Jahren drei Zufluchtswohnungen für Männer betreibt. "Frauen drohen dann zum Beispiel mit Kindesentzug, um die Männer einzuschüchtern, oder sie demütigen ihre Partner." Das komme in allen gesellschaftlichen Schichten vor.


Es folgen weitere ausführliche Fallbeschreibungen, die wirklich erschütternd sind. Ein Mann, der von seiner Frau über lange Zeit schwer misshandelt wurde, schildert die Reaktion der von ihm schließlich zur Hilfe gerufenen Polizei so:

Einer der Polizisten habe nur mit den Augen gerollt und gesagt: "Der Mann kann keine Anzeige erstatten." Damit war das Gespräch für ihn beendet.


Auch spätere Versuche, auf der Polizeiwache eine Anzeige aufzugeben, scheiterten. Besser kann man nicht zeigen, wie wenig es hilft, wenn das Gewaltschutzgesetz zwar geschlechtsneutral formuliert ist, aber sämtliche Begleitpropaganda vor allem der SPD von männlichen Tätern und weiblichen Opfern spricht.

Im Schlussteil des Artikels wird berichtet, dass auch dem Verein MANNdat mehrere solcher Fälle bekannt sind und MANNdat deshalb schon vor Jahren das Innenministerium Nordrhein-Westfalens per offenem Brief darum bat, männliche Opfer bei der Polizei ernst zu nehmen. Getan habe sich seither nichts. Eine Anfrage der Welt am Sonntag beantwortete das Innenministerium mit der knappen Aussage, die Polizei verfolge Fälle häuslicher Gewalt unabhängig vom Geschlecht.

Das Bundesinnenministerium reagiert gleich gar nicht auf die Frage, wie ernst männliche Opfer bei der Polizei genommen werden und ob möglicherweise Nachschulungsbedarf bestehe.


Was lernen wir aus diesem Artikel?

* Es gibt zu diesem Problemfeld nicht mehr nur feministisch ideologisierte Beiträge wie etwa den von Nina-Marie Bust-Bartels, den Lucas Schoppe hier analysierte, und die vor allem dazu dienen, männliche Opfer unsichtbar bleiben zu lassen und die Helfenden aus der Männerrechtsbewegung zu dämonisieren. Sondern auch qualitativ hochwertigen Journalismus wie den von Anette Dowideit – Artikel, die den Machtlosen eine Stimme gebe und das bestehende ungerechte System kritisieren und hinterfragen, statt es zu unterstützen.

Bezeichnend ist, dass sich diese Qualitätsartikel in konservativen Zeitungen wie WELT und FAZ finden, während es zum Beispiel bei der Süddeutschen Zeitung vorkommt, dass einer ihrer Mitarbeiter ein langes Interview mit MANNdat führt, das dann im fertigen Artikel komplett unter den Tisch fallen gelassen wird, weil MANNdat offenbar nicht die Statements lieferte, die für diesen Artikel erhofft worden waren: Der veröffentlichte Artikel, so stellte sich heraus, drehte sich nämlich um das Problem einer angeblich grassierenden Frauenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft.

Ein derartiges Qualitätsgefälle wird für die Blätter meines eigenen politischen Lagers zunehmend peinlich.

* Männerrechtler-Vereine sind längst nicht so marginalisiert, wie sie aufgrund der kontinuierlichen Hetzpropaganda einiger Ideologen scheinen, sondern liegen auf einer Linie mit allgemein anerkannten Organisationen der Opferhilfe wie etwa dem Weißen Ring.

* Während es aus unserer Sicht schade ist, dass nicht der komplette Welt-am-Sonntag-Artikel im Web veröffentlicht wurde, wurden immerhin gerade jene Passagen online gestellt, die auf die Erkenntnisse von MANNdat und von Professor Amendt hinweisen. Es ist in erster Linie unsere Bewegung, bei der wahrgenommen wird, wie sehr sie sich einem hoch brisanten, massiv tabuisierten Problem widmet. (Wobei häusliche Gewalt nur eines von vielen derart massiven Problemen ist, mit denen wir uns auseinandersetzen.)

Fazit: Es lohnt sich durchzuhalten, sich durch all die kreativen Unterstellungen und Verleumdungen gegen unsere Bewegung nicht einschüchtern zu lassen, sondern konsequent immer wieder auf die bestehenden Probleme aufmerksam zu machen.

Bei dieser Gelegenheit: Die Öffentlichkeitsarbeit die etwa Genderama bei diesen Themen allen Anfeindungen zum Trotz täglich leistet, können Sie durch Spenden unterstützen. Erst dadurch machen Sie es möglich, dass Aktivisten wie ich überhaupt die notwendige finanzielle Atemluft haben, um all die Zeit aufzuwenden, die es kostet, öffentliche Aufmerksamkeit für solche tabuisierten Probleme herzustellen. Allen bisherigen Unterstützern danke ich insofern noch einmal sehr herzlich – wohl auch im Namen der zahlreichen Opfer!



2. Konsequent dran bleiben sollte man auch an der Frage, wie sexistisch die Hilfsorganisation PLAN ausgerichtet ist. Aktuell übernimmt dies das Blog des "Lotosritters" mit dem Beitrag "Alle Kindersoldaten sind Mädchen".



3. Die Neue Zürcher Zeitung beschäftigt sich mit der Political Correctness in unserer Gesellschaft und dabei insbesondere mit der Dialektik der Mikro-Aggression. Der Verfasser dieses Artikels, Hans Ulrich Gumbrecht, Professor für Literaturgeschichte in Stanford, wunderte sich, warum ihn seine Universität keine Doktoranden mehr betreuen ließ. Er musste hartnäckig nachbohren, bis er erfährt weshalb:

Dann sass ich irgendwann meiner Dekanin gegenüber und erfuhr unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass Klage über meinen "Hang zu frauenfeindlichen Äusserungen" ("tendency to use language offensive to women") eingegangen war. Ich hatte keinerlei Erinnerungen an schuldhafte Taten und bestand auf einer spezifischeren Auskunft. So hörte ich schliesslich, dass der Stein des Anstosses ein im öffentlichen Rahmen gefallener Satz war, in dem ich meine eigene und die Tochter eines Kollegen als Beispiele für sehr gutes Aussehen ("looking gorgeous") angeführt hatte. (...) Nein, eine Absicht, Frauen zu verletzen, unterstelle mir niemand, beschied mir die Dekanin. Aber da nicht jede Frau sich selbst für "sehr gut aussehend" halte, müsse die Universität davon ausgehen, dass jene Worte "aggressiv" gewirkt hätten.


Der Feminismus war bemerkenswert erfolgreich: Männer, die von ihrer Partnerin halb tot geprügelt werden, werden von Polizeibeamten ignoriert, aber ein Mann, der behauptet, eine Frau sehe hinreißend aus, kann sich für derartige Aggression auf berufliche Sanktionen gefasst machen.



4. Auch die britische Huffington Post widmete am Welttag der Suizidprävention dem Selbstmord als Männerproblem. Hier fällt ebenfalls auf, wie sehr eine Regierung versagt, wenn von einem Problem vor allem das männliche Geschlecht betroffen ist. Jane Powell führt aus, wie regelrecht bizarr das Desinteresse mittlerweile geworden ist:

In 2012 the government announced a commitment of £1.5 million for suicide research. This figure is less than the estimated cost of one single suicide in the UK. To put this in context, there were more than 6,000 suicides in 2014, so suicide is now costing us in the region of £10 billion a year. The £1.5 million spend on research was not unwelcome, of course, and many important initiatives were identified. But not a penny was spent asking the question "why men?".

(...) The assumption is that it’s all too easy to understand the gender bias in suicide. Remember those lazy truisms? Men drink more, visit the doctor less, and take more fatal methods. And yet the female suicide rate has halved since the early 1980s. The problem doesn’t then appear to simply biological. We have to go beyond these surface indicators and ask what is really going on. (...) The problem isn’t just that we don’t know. The problem is that we’re not even asking the question, which 10 years on from when CALM first started pushing on this, feels unreal.

(...) Today is a wake-up call for male suicide to be taken seriously. Twelve men die at their own hands every day. 76% of lives lost to suicide in the UK are male. Telling men to reach out for help isn’t enough. The question still lies unanswered. Why men?




5. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Ich habe gerade diesen Imagefilm des Regensburger Verbundkatalogs gesehen und habe mir sofort gedacht, dass ich das dir melden muss. (Anscheinend braucht man zum Abspielen noch den Flash-Player, den man aufgrund von Sicherheitslücken ansonsten beerdigen sollte.) Der Inhalt ist schnell erzählt: Eine Studentin wartet auf ihren Freund (offenbar will sie mit ihm ihren Geburtstag feiern), aber der kommt erst mit erheblicher Verspätung. Als Grund dafür gibt er an, er habe so lange gebraucht, um in der Bibliothek gewisse Bücher zu finden. Sie fragt, ob es sich um eine Bibliothek mit RVK handelt, er bejaht dies. Sie verpasst ihm daraufhin eine Ohrfeige. Aus dem Off ertönt eine Stimme: "Schlechte Ausrede: RVK -- damit findest du jedes Buch". Das erinnert mich sehr an eine dir wahrscheinlich bekannte alte Mercedes-Werbung. Es ist aber schlimmer, denn das ist ein Werbefilm einer öffentlichen Einrichtung.

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