Dienstag, August 18, 2015

Vermischtes vom 18. August 2015

Frauenpolitik und Quote – Wie die Linken auf ihre Ideale verzichten lautet die Überschrift eines neuen Artikels von Dr. Alexander Ulfig. Dabei untersucht Ulfig den Verrat linker Ideale insbesondere bei taz-Journalistinnen wie Bascha Mika, Simone Schmollack und Heide Oestreich. Die einzige legitime Lebensentscheidung für Frauen scheint diesem Lager zufolge "Karriere" zu sein – womit wir das Leitmotiv für den heutigen Blogeintrag in der Reihe "Vermischtes" hätten: wie wenig nämlich Frauen die Lebensentscheidungen anderer Frauen Ernst nehmen – wobei aber regelmäßig auch Männer zu kurz kommen.

Los geht es mit Prostitution: warum Amnesty Recht hat und EMMA nicht, einem lesenswerten Blogartikel Robert M. Fendts zur Prostitutionsdebatte. Ein Auszug:

Eine Alice Schwarzer von 2015 ist tatsächlich gleichzeitig gegen das Kopftuch und gegen den Minirock, ohne die grundsätzliche Widersprüchlichkeit dieser Haltung zu sehen. Frauen sollen zwar sexuell frei sein, aber gleichzeitig wird jede Äußerung von Sexualität und Individualität zutiefst misstrauisch beäugt. (...) An die Stelle der Forderung nach individueller Entscheidungsfreiheit scheint ein etwas anderes Credo getreten zu sein: "ihr dürft alles, was ICH für richtig halte". Letztlich sind EMMA & Co. heute nicht besser als die männlichen Tugendwächter, gegen die sie früher so vehement kämpften.

Gemeinsame Feindbilder führen zu seltsamen Bettgenossen. Geht es beispielsweise um Prostitution, finden sich EMMA und Alice auf einmal im selben Lager wieder wie erzkonservative Kirchenvertreter, vereint im Hass auf das deutsche Prostitutionsgesetz, auf den Weg gebracht von einer rotgrünen Koalition im Jahr 2001.

(...) Die Reaktion auf die erwähnte Forderung von Amnesty International nach einer weitgehenden weltweiten Entkriminalisierung von Sexarbeit ließen natürlich auch hierzulande nicht lange auf sich warten. "Amnesty kämpft jetzt auch für Zuhälter" titelte der Spiegel in seiner Online-Ausgabe, zog diese Überschrift allerdings später verschämt wieder zurück. (...) Was mich dabei fasziniert ist, dass auf Kritiker-Seite nie jemand auf die Idee kommt, mit den Sexarbeiterinnen selbst zu sprechen. Amnesty International hat genau dies getan, und zwar nicht mit einzelnen Frauen, sondern mit Hunderten weltweit, und schloss in der Folge sich deren Forderung nach Entkriminalisierung an. (...) Und dabei lasse ich das Fass einmal bewusst zu, dass nicht jeder Freier ein sexistisches Arschloch und ein Frauenhasser ist, sondern im Gegenteil in unserer individualisierten Gesellschaft immer mehr Menschen einen Großteils ihres Lebens unfreiwillig allein verbringen, womöglich also einfach von Zeit zu Zeit zumindest die Illusion von Nähe verspüren möchten.

(...) Anderseits gilt derselbe Mechanismus auch für die "andere" Fleischindustrie: die Arbeitsbedingungen dort sind teilweise ebenfalls nur noch als moderne Sklaverei zu bezeichnen. Faszinierenderweise sehe ich allerdings keine EMMA-Redakteurin, die ganz grundsätzlich in Frage stellt, dass man freiwillig in der Fleischverarbeitung arbeiten kann, oder welche die gesamte Fleischindustrie des Menschenhandels bezichtigt; die Empathie von Frau Schwarzer und ihren Kolleginnen hat anscheinend Grenzen, sobald es um Fleisch nicht nur im übertragenen Sinn geht und sobald nicht vornehmlich Frauen ausgebeutet werden, sondern mal zur Abwechslung Männer.


Fendt hat mit seiner Analyse vollkommen Recht. Beim Thema Prostitution hat selbst das katholisch-feminismuskritische Lager – ich verlinke einmal beispielhaft Birgit Kelle – kein Problem damit, explizit Einigkeit mit Alice Schwarzer zu demonstrieren, auch dort kommt das, was Sexarbeiterinnen selbst sagen, diese dummen Dinger, erst gar nicht vor. So wie die klassische Hausfrauenrolle aus feministischer Sicht als Wahlmöglichkeit für Frauen indiskutabel ist, finden es beide Lager indiskutabel, dass eine Frau sich dafür entscheidet, Sexarbeiterin zu werden. Immer wieder lautet die Botschaft: Geschlechtsgenossinnen, werdet gefälligst so wie wir!

Auch in den Leitmedien erhalten die eigentlich Betroffenen auch keine große Plattform; da diskutiert man dieses Thema lieber am grünen Tisch. Eine der wenigen Ausnahmen findet man aktuell bei der Huffington Post, wo Monika Kreusel einen offenen Brief an Alice Schwarzer veröffentlicht hat und darin Schwarzers platte Weltsicht, in der Frauen immer Opfer und Männer immer Täter sind, kritisiert. Auch hieraus ein Auszug:

Schon mehrfach habe ich Ihre Einstellung zu Prostitution zur Kenntnis genommen und den Eindruck gewonnen, sie sprechen bei Zuhältern nicht wirklich von Menschen. Von Menschen, die vermutlich eher häufig selbst Drogen nehmen, die sie gegebenenfalls auch verkaufen, die selbst Menschen sind mit Bedürfnissen, Gefühlen, Ansichten und einer eigenen Geschichte sind, die Anteil daran hat, wie sie Beziehungen eingehen.

(...) Weiter argumentieren Sie voller Eifer, Deutschland sei seit der Legalisierung der Prostitution im Jahr 2002 zum Bordell Europas geworden. Diese Behauptung von Ihnen enthält einen ganz gravierenden Fehler, sie ist sachlich schlicht falsch!

Im Januar 2002 wurde das damals eingeführte Prostitutionsgesetz gültig, das den Zweck hat, die rechtliche Situation und die Selbstbestimmung von Prostituierten zu sichern und zu stärken. Nebenbei bemerkt gilt dies Gesetz allerdings auch für Männer. Es dreht sich eben nicht alles nur um "Männer gegen Frauen".

(...) Ich frage mich ernsthaft, woher Sie sich anmaßen, das baldige Ende der weltweit arbeitenden Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" zu erwarten. Meinen Sie ernsthaft, weil "Amnesty International" ihr Weltbild und Ihre Meinung zu diesem Thema nicht teilt, höre deren Existenzberechtigung augenblicklich auf?

(...) Ich bin ohne Wenn und Aber der Ansicht, dass Kunden bestraft werden müssten, die wissentlich zu Frauen oder Männern gehen, die dazu gezwungen werden. Ansonsten lehne ich Verbote hier ab, weil mir diese mehr weltbildorientiert erscheinen, als am Leben der Menschen, die es betrifft. Wenn Sie meinen, es gebe keine selbst- und eigenverantwortlich gewählte Prostitution, dann sprechen Sie diesen Menschen die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und zu eigenverantwortlichen Entscheidungen ab.


Manchmal glaubt man, das einzige politische Lager, das noch für die Selbstbestimmung von Frauen plädiert, seien die Männerrechtler.

Auch in den USA haben Feministinnen mit der Entscheidungsfreiheit ihrer Geschlechtsgenossinnen Probleme. So gibt es derzeit Proteste gegen ein Werbevideo einer Studentinnenverbindung, in dem sich die Studentinnen nicht so zeigen, wie sie es dem feministischen Lager zufolge dürften. Das Video sei sogar schlimmer als Donald Trump und musste trotz seines Erfolges zurückgezogen werden:

Alpha Phi deleted the video, which had 500,000 views on YouTube before it was taken down, but it has since been uploaded to YouTube by others. The chapter also has taken down its Facebook, Twitter and Tumblr pages.


Damit beende ich das heutige Leithema und werfe zuletzt noch einen Blick nach Indien: Dort berichtet inzwischen auch die Times of India über die Konferenz der Männerrechtsbewegung am Wochenende. Bekanntlich finden im Herbst dieses Jahres auch in den USA und in Deutschland Konferenzen mit männerpolitischem Schwerpunkt statt.

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