Donnerstag, Juni 04, 2015

Lesermail (Nachtrunk 2)

Auch auf diese Zuschrift gab es rasch eine Erwiderung:

Was der Leser schreibt, ist zwar – zumindest in groben Zügen – richtig, gilt aber für den Bereich des Straßenverkehrs (oder z.B. Kneipenschlägereien usw.). Das Problem ist, daß sich in einem solchen Zusammenhang begangene Delikte in einem Punkt grundlegend vom hier möglichen Szenario unterscheiden: Sie werden generell recht schnell nach Begehung direkt von offizieller Seite untersucht und Beweismittel werden gesichert, soll heissen: Wenn nach einem Unfall oder bei einer Verkehrskontrolle der Verdacht auf Alkoholisierung besteht, wird unmittelbar darauf gedrungen, per Athemalkoholtest den Verdacht zu bestätigen und dann so schnell wie möglich per Blutprobe als Beweis zu sichern. Besteht die Möglichkeit, daß die Einrede des Nachtrunk erhoben wird (also z.B. Polizei wird zum Unfallort gerufen und die Beteiligten müssen da eine Zeit warten oder Unfallflucht mit inszenierter Auffindesituation des Tatverdächtigen), dann wird standardmäßig eine zweite Blutprobe ca. eine Stunde nach der Ersten genommen, um die Alkohol-Auf- bzw. -Abbaukurve in diesem speziellen Fall genau bestimmen zu können.

Dieses Verfahren ist relativ exakt, solange der Alkoholabbau noch auf relativ hohem Niveau stattfindet (oder gar, im Falle eines tatsächlichen Nachtrunkes, noch im Aufbau). Je flacher die Kurve ist, desto ungenauer sind die Ergebnisse und umso größer ist das eventuelle Tat-Zeit-Fenster bzw. der theoretisch höchstmögliche Wert der Blutalkoholkonzentration.

Völlig anders als z.B. beim Verkehrsdelikt verhält es sich bem Szenario Sexueller Übergriff / Vergewaltigung, da hier eine Ermittlung und Beweissicherung generell erst nach Anzeige durch das tatsächliche oder vermeintliche Opfer erfolgt. Wenn dieses nun durch Eigen- oder Fremdeinwirkung einen entsprechend hohen Alkoholspiegel hat, so wird es in aller Regel erstmal seinen Rausch ausschlafen und erst, wenn es wieder halbwegs zu rationalem Denken und Entscheidungen fähig ist, wird es die tatsächliche oder behauptete Tat anzeigen. Dann ist in der Regel aber bereits so viel Zeit vergangen, daß zwar die Alkoholisierung an sich noch festgestellt werden kann und mit einiger Warscheinlichkeit auch auf die ungefähre Höhe das Blutalkoholkonzentration-Spiegels rückgerechnet werden kann, nicht aber die genaue Trinkmenge, die Art(en) der Alkoholika und der genaue Zeitablauf, da die meisten Informationen hierzu nicht mehr forensisch gesichert werden können. Man wäre man hier auf Zeugenaussagen und Erinnerungen vornehmlich des "Opfers" angewiesen, die natürlich im Falle einer Falschbeschuldigung entsprechend angepasst sein können und auch werden.

Die Gefahr ist also durchaus gegeben, daß leichtfertiger Sex durch nachträgliches Sturztrinken zur behaupteten Vergewaltigung wird und es kaum oder nicht exakt beweisbar oder wiederlegbar sein wird, was tatsächlich geschehen ist.

Natürlich sollte dann im Zweifel für den Angeklagten entschieden werden, jedoch ist es Legende, wie in der aktuellen Rechtspraxis die 'in dubio pro reo'-Regel im Sexualstrafrecht angewendet oder ignoriert wird – ganz davon abgesehen, was allein eine bloße Behauptung mit anschließender offizieller Ermittlung und vielleicht sogar Klageerhebung für den Beschuldigten bedeutet, völlig unabhängig davon, was dabei am Ende heraus kommt.

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