Der neue SPIEGEL: Verzweifelt über vernichtende Kritik am deutschen Journalismus
Im aktuellen SPIEGEL widmet der Journalist Cordt Schnibben einen Beitrag auf den Seiten 80 bis 86, der leider nur im Anriss online steht, der anhaltenden massiven Kritik vieler Bürger am deutschen Journalismus. Dabei fordert er ein neues Verhältnis der Medien zu ihren Lesern, "die kritischer und mächtiger" seien, "als vielen von uns lieb ist".
Schnibben berichtet in dem Artikel über seine Arbeit für Die Zeit, wo Schnibbens Ressortleiter ungnädigen Lesern schon mal mitteilte, "er habe leider einen Zimmerbrand zu beklagen und dabei müsse wohl auch dessen Leserbrief in Flammen aufgegangen sein." Die anmaßende Haltung vieler Journalisten betrachtet Schnibben skeptisch:
Texte wurden über dem Publikum abgeworfen, Widerspruch war das Werk von Querulanten, denen man am besten das Abo kündigte. (...) Doch seit einiger Zeit verschärft sich der Ton der Zuschriften. Es ist etwas passiert zwischen mir und Ihnen, zwischen uns Journalisten und Ihnen, den Leserinnen und Lesern.
Ein Teil von Ihnen hält uns (...) einen "Journalismus ohne Fakten" vor. Mehr oder minder pauschal werden Journalisten als willfährige Helfer dubioser Interessen abgekanzelt, im Chefarztton, das hat sich umgedreht, und das Misstrauen in solchen Briefen – und in unsere Arbeit – ist unübersehbar. Wo kommt es her, dieses Misstrauen? Warum wenden sich Leser von Zeitungen und Zeitschriften ab, gerade die Jüngeren, die auch immer seltener den Fernseher einschalten? Warum ist der seriöse Journalismus in eine ökonomische Krise geraten – obwohl er aufgrund der Weltlage doch gerade mehr gebraucht würde denn je?
Schnibbens Artikel macht umstandslos deutlich, dass kritische Leser weiter ignoriert würden, wenn sich deren Kritik nicht so spürbar auf Journalisten auswirken würde:
Die Versuche von Tages- und Wochenblättern, ihre sinkenden Print-Einnahmen durch steigende Erlöse im Digitalgeschäft zu kompensieren, sind bisher wenig erfolgreich (...) Jeden Monat findet irgendwo auf der Welt mindestens eine Konferenz statt, auf der Verlage und Redaktionen darüber debattieren, was sie tun können gegen Leserschwund und Werbeflaute.
Im Vergleich damit hat der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk es leichter. Der kann seine Zuschauer dazu zwingen, Geld dafür zu bezahlen, dass sie in diversen Beiträgen zu Monstern gemacht werden.
Mit der Einschätzung, Kritik an Journalisten habe lange Zeit als Majestätsbeleidigung gegolten, und zwar gerade dann, wenn sie berechtigt war, zitiert Schnibben den Blogger Richard Gutjahr. Die Fehlerkultur in den Redaktionen sei wenig ausgeprägt: "Einer der ersten Sätze, die ich als junger Radio- und später als Fernsehjournalist in den Sendern im Umgang mit schlampiger Recherche gelernt habe, lautete: 'Halb so wild, das versendet sich!'" Das räche sich jetzt.
Auf die immer deutlicher werdende Krise des deutschen Journalismus reagiert Schnibben in seinem Artikel, indem er "die Treueprämie, die ich für 25 Jahre SPIEGEL-Mitarbeit bekommen habe", dafür nutzen möchte,
um zumindest einige von Ihnen kennenzulernen und Sie in den SPIEGEL einzuladen. Wie das gehen soll? Schreiben Sie mir, was wir besser machen sollen, loben Sie, wenn es nicht anders geht. Hundert von Ihnen kann ich zu einem Leser-Dinner einladen, so weit reicht das Geld der Treueprämie, in unser Haus-Restaurant, in dem unser Koch Alfred Freeman für Sie anrichtet. Vorher diskutieren Sie mit Chefredakteuren und lernen die Dokumentationsabteilung kennen, in der die 60 Kollegen daran arbeiten, dass SPIEGEL-Artikel fehlerfrei in den Druck gehen. Wir losen die Gäste unter allen aus, die uns schreiben unter dem Stichwort "SPIEGEL-Kritik". Schreiben Sie an: DER SPIEGEL, Cordt Schnibben, Ericusspitze 1, 20457 Hamburg oder an Cordt_Schnibben@spiegel.de
Hat jemand Lust und Zeit, Herrn Schnibben ein paar Zeilen zu schreiben? Und zwar nicht nur über eine fehlerhafte Berichterstattung, sondern auch und vor allem über das Totschweigen missliebiger Themen?
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