Donnerstag, Februar 26, 2015

Liebe Nina Marie Bust-Bartels,

gerade gestern erst ergab die erste wissenschaftliche Studie über die Männerrechtsbewegung (Maskulimus), dass diese Bewegung ein breites politisches Spektrum umfasst und "nahezu aller politischen Grundhaltungen von sozialistisch über linksliberal und bürgerlich bis hin zu dezidiert konservativ oder gar rechtsaußen" umfasst. Sie haben mich als linken Männerrechtler in Ihrer Sendung zwar zweimal kurz zu Wort kommen lassen, sich aber ansonsten durchgehend auf das rechte Lager konzentriert – und dabei ausgezählt, dass dort tausendfach Begriffe wie "Schlampe" und "Fotze" gängig sind – obwohl ich Ihnen in unserem Gespräch lesenswerte männerpolitische Blogs jenseits dieser unappetitlichen Szene empfohlen hatte. Darüber hinaus haben Sie Gender-Ideologen wie Thomas Gesterkamp und Hinrich Rosenbrock eine pseudowissenschaftliche Einordnung der Männerrechtsbewegung überlassen, wobei Sie die beiden als Wissenschaftler bzw. Ersteller von "Studien" vorgestellt haben, ohne zu erwähnen, dass beiden von seriösen Wissenschaftlern aus gutem Grund die Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird.

Vieles davon ist geschenkt. In einer Zeit, in der jeder zweite sich über die tendenziöse Arbeit unserer Medien im Klaren ist, erwarten wir insbesondere von den Öffentlich-Rechtlichen schon gar nichts anderes mehr. Sie sind Feministin, und offenbar weil Sie selbst Geschlechterpolitik als Nullsummenspiel begreifen – eine Haltung, die Sie auf Männerrechtler projizieren – halten Sie es anscheinend für geboten, an der Dämonisierung der Männerbewegung mitzuwirken.

Einige Abschnitte der Sendung sind so abenteuerlich, dass ich mich damit gar nicht lange aufhalten will. "Eigentümlich frei" ist bei Ihnen zum Beispiel ein Blog (es handelt sich um eine Zeitschrift), und Hinrich Rosenbrock schießt sich mal wieder selbst ins Knie, indem er den Maskulismus mit genau jener Argumentation mit Antisemitismus in Verbindung zu bringen versucht, die beim Feminismus Sinn ergäbe, ohne es zu merken:

Im Antisemitismus wird ja im Gegensatz zum normalen Rassismus davon ausgegangen, dass es etwas gibt, was mächtiger ist, was irgendwie stärker ist und wo man selber keine Chance hat, obwohl man sich eigentlich als überlegene Rasse fühlen würde. (...) Und die das erklären muss und die deswegen einen abstrakten Gegner, eine abstrakte Gegnerin konstruiert, die durch gute Netzwerke, durch Verschlagenheit, durch Macht, wie auch immer, es schafft, sie zu unterdrücken


Das ist natürlich die feministische Patriarchatsthese mit "gläsernen Decken" und "Männerseilschaften" in Reinform. Und tatsächlich ist ja immer wieder auf Überschneidungen zwischen Feminismus und Antisemitismus aufmerksam gemacht worden.

Besonders bemerkenswert finde ich allerding, wie sehr Sie sich mit der Einseitigkeit Ihres Beitrags an zwei Stellen sogar ins eigene Fleisch schneiden.

Zum einen: Je mehr Menschen durch Beiträge wie Ihren erfahren, wie fragwürdig die journalistische Arbeit in den etablierten Medien aussieht, desto mehr wenden sich jenen verschwörungstheoretischen Plattformen zu, vor denen Sie gerne warnen möchten.

Zum anderen: Sie lassen jemanden wie Hinrich Rosenbrock – den Sie, wie gesagt, als "Soziologen" vorstellen, ohne darauf hinzuweisen, dass ihm von seriösen Wissenschaftlern bescheinigt wird, nicht Wissenschaftler sondern Ideologe zu sein – Behauptungen wie diese verbreiten, was die hunderte internationaler Studien über häusliche Gewalt angeht:

Wenn man sich die Studien genauer anschaut, dann ist das eine Erfassungsmethode aus den USA kommend, die kennt zwei Kodierungen, die kennt Null, es gibt keine Gewalt und die kennt Eins, es gibt Gewalt. Und dieses Eins, das kann ein böser Blick sein, das kann anschreien sein, das kann schlagen sein, das kann vergewaltigen sein, das kann töten sein. Das wird überhaupt nicht differenziert. Und mit dieser Perspektive kommt man dann tatsächlich zum Ergebnis, dass eigentlich zwischen Geschlechtern häusliche Gewalt so gut wie gleich verteilt ist.


Hinrich Rosenbrock behauptet also, dass hunderte international tätiger Gewaltforscher, die oft seit Jahrzehnten zum Problem der häuslichen Gewalt forschen, sich in ihren Studien nie die Mühe gemacht haben, zwischen Vergewaltigungen und bösen Blicken zu differenzieren. Und so eine Nummer wollen Sie einfach so geschluckt haben, ohne jede Gegenrecherche, und präsentieren das Ihren Hörern?

Selbstverständlich erfassen all diese Gewaltstudie die verschiedenen Schweregrade von Gewalt. So heißt es etwa in der Metastudie Bastian Schwithals Weibliche Gewalt in Partnerschaften auf Seite 136:

Übersicht "Studien: Severe Violence" gibt die Ergebnisse von 94 Studien und Untersuchungen hinsichtlich schwerer Gewaltformen ("severe violence") wieder. Ähnlich wie bei "minor violence" lässt sich auch hier die Beobachtung machen, dass ein höherer Anteil an Frauen schwere Gewalt gegenüber einem Intimpartner gebraucht als umgekehrt. Das Verhältnis von Männern und Frauen im Hinblick auf "verübte Gewalt" ist 47,0% zu 53,0%. Bei "erlittener Gewalt" ergibt sich hinsichtlich der Geschlechtsverteilung folgendes Bild: 52,3% Männer gegenüber 47,7% Frauen hatten schwere Gewaltformen durch einen Intimpartner erlitten.


Nun gibt es auch Metastudien, die zu anderen Ergebnissen gelangen. Aber den Eindruck zu erwecken, als fände in der internationalen Gewaltforschung keinerlei Gewichtung statt, ist hochgradig unseriös.

Nun erwecken Sie dadurch, dass Sie Männerrechtler als gemeingefährliche Horde und Hinrich Rosenbrock als Fachmann darstellen, den Eindruck, seine wirklichkeitsfernen Behauptungen seien die glaubwürdigeren. Und das ist ein besonders gravierendes Problem Ihres Beitrags: In Ihrer Versessenheit darauf, die Männerbewegung zu dämonisieren, tragen Sie dazu bei, Opfer von häuslicher Gewalt selbst schwersten Ausmaßes unsichtbar zu machen, was dazu beiträgt, dass diese auch weiterhin keine Hilfe erhalten. Und da häusliche Gewalt in der Mehrzahl der Fälle systemisch ist, sich also wechselseitig hochschaukelt, schaden Sie damit auch zahllosen Frauen.

Mit anderen Worten: Auch Ihre Parteilichkeit trägt zu Gewalt gegen Frauen bei. Das sind ähnlich wie männliche Opfer häuslicher Gewalt offenbar Kollateralschäden, die man hinnehmen muss, wenn es darum geht, gegen die Männerbewegung Stimmung zu schüren. Aber falls Ihnen als Feministin wir Männer schon schnuppe sein sollten, sollte das doch für die Frauen sicher nicht gelten?

Gerade heute habe ich auf Genderama wieder thematisiert, warum es britischen Medien gelingt, über die hohe Zahl männlicher Opfer häuslicher Gewalt zu berichten, während deutsche Journalisten wie Sie diese Opfer beiseitewischen (lassen), weil Sie glauben, mit diesem Herunterspielen einen Treffer gegen die Männerbewegung landen zu können. Hier interessiert mich auch als Medienwissenschaftler: Was genau ist im deutschen Journalismus eigentlich schief gelaufen? Was geht zum Beispiel in Ihrem Kopf vor, wenn Sie eine derartige Sendung produzieren?

Ich an Ihrer Stelle würde mich jedenfalls schämen.

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