Gastbeitrag: Sexismus gegen Männer in der Sportgemeinschaft Stern Stuttgart
Offener Brief an die geschäftsführende Vorsitzende der Sportgemeinschaft Stern Deutschland e.V., Frau Peggy Winter
Stuttgart, 25.11.2014
Sehr geehrte Frau Winter,
wie man aus der Satzung der Sportgemeinschaft (SG) Stern Deutschland e.V. entnehmen kann (Abschnitt A, § 2, Abs. 8), verbietet der Verein "[p]olitische, rassistische oder religiöse Betätigungen". Was die SG Stern hingegen nicht nur nicht verbietet, sondern sogar selbst aktiv betreibt, sind sexistische Betätigungen gegenüber männlichen Kursteilnehmern. Dies musste ich am eigenen Leib erfahren, wie ich nachfolgend schildere.
Anfang September 2014 stieß ich im Kursprogramm der SG Stern Stuttgart auf die Veranstaltung "Women's Defense", dem einzigen Selbstverteidigungskurs im Angebot. Es handelte sich dabei um einen offenen Kurs, der nicht auf Vereinsmitglieder oder Daimler-Mitarbeiter beschränkt war und der im Rahmen von zehn wöchentlichen Terminen á zwei Stunden "einfache, kompromisslose und effektive Verteidigungsstrategien, unabhängig von Kenntnisstand, Alter oder der eigenen Konstitution" vermitteln sollte. Ich fühlte mich durch die Beschreibung sofort angesprochen, zumal ich vor knapp drei Jahren Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls geworden bin, bei dem zwei Einbrecher mich um halb fünf Uhr morgens mit einer Schusswaffe im Schlafzimmer bedrohten und mich nach ihrem Raubzug durch das in Streifen gerissene Laken gefesselt auf meinem Bett zurückließen. Entsprechend meldete ich mich am 9. September über die Webseite der SG Stern Stuttgart an dem Selbstverteidigungskurz an. Die Anmeldebestätigung erhielt ich noch am selben Tag per E-Mail.
Am 17. September fand der ersten Termin von "Women's Defense" statt, an dem ich teilnahm. Wir starteten mit einem Aufwärmtraining und begannen im Anschluss mit den ersten Selbstverteidigungsübungen, welche ausnahmslos sowohl von den partizipierenden Frauen wie auch den Männern gut auszuführen waren. Das männliche Geschlecht erwähne ich hier im Plural, da neben meiner Person noch ein weiterer Mann unter den Teilnehmern war. Zusammenfassend kann ich zum ersten Kurstermin sagen, dass er für mich mit einem positiven Eindruck endete.
Auch am zweiten Kurstermin nahm ich mit Begeisterung teil. Die Beteiligung an der dritten Veranstaltung des Selbstverteidigungskurses wurde mir jedoch von der SG Stern verwehrt.
Dies begann mit einem Anruf bei mir durch den Marketingverantwortlichen der SG Stern Stuttgart um die Mittagszeit am 1. Oktober – dem Tag, an dem der dritte Kurs abends stattfinden sollte. Er fragte mich zunächst, ob mir bewusst sei, dass es sich bei dem Kurs "Women's Defense" um einen Selbstverteidigungskurs für Frauen handelte. Ich erwiderte, dass ich an keinem anderen Selbstverteidigungskurs teilnehmen konnte, da es nur diesen einen im Angebot der SG Stern gab. Daraufhin bat mich der Marketingverantwortliche eindringlich an den weiteren Terminen nicht mehr teilzunehmen, mir würden dann auch keine Kosten für den Kurs entstehen. Überrascht von dieser Aufforderung verwies ich auf meine beiden bereits erfolgten Teilnahmen und wollte wissen, warum meine Anmeldung überhaupt akzeptiert wurde, wenn ich als Mann unerwünscht bin, und warum er erst jetzt auf mich zukam. Auf meine erste Frage entgegnete er, er habe angenommen, dass ich trotz der Anmeldung auf meinen Namen die Absicht gehabt hätte, eine Freundin zu dem Selbstverteidigungskurs zu schicken. Die zweite Frage beantwortete er mit der Aussage, dass der Trainer mit der Bitte auf ihn zugekommen sei, mich sowie den anderen männlichen Teilnehmer aus dem Kurs zu Entfernen. Hintergrund sei gewesen, dass sich die partizipierenden Frauen an den Trainer wandten, da sie sich in der Anwesenheit von Männern "nicht wohl fühlten". Fassungslos von dieser Schilderung, sagte ich dem Marketingverantwortlichen zu, an den Folgeterminen nicht mehr teilzunehmen, unter der Bedingung, dass er mir den telefonisch besprochenen Sachverhalt schriftlich zukommen ließ. Er willigte ein und beendete das Telefonat.
Es dauerte nicht lange, bis ich vom Marketingverantwortlichen eine E-Mail in meinem Postfach vorfand. Erstaunt stieß ich darin auf die Einleitung: "Sehr geehrter Herr Karthaus, wie gewünscht bestätige ich Ihnen hiermit die Abmeldung aus dem Kurs Women‘s Defense." Diese Darstellung suggeriert, dass die Initiative für die Abmeldung von mir ausging, was mitnichten der Fall war. Das wollte ich so nicht stehenlassen und antwortete: "Ich möchte mich nicht von dem Kurs ‚Women's Defense‘ abmelden, da es im Kursprogramm der SG Stern keinen entsprechenden Selbstverteidigungskurs für Männer gibt." Erst daraufhin nannte der Marketingverantwortliche den wahren Grund für den von der SG Stern erzwungenen Ausschluss meiner Person an der weiteren Kursteilnahme: "…wie telefonisch besprochen, wurde der Kurs lediglich für Frauen konzipiert. Daher ist eine Teilnahme von Männern leider nicht möglich." Nicht vorenthalten möchte ich das ebenfalls in der E-Mail enthaltene "Trostpflaster": "Sobald wir einen entsprechenden Kurs für Männer anbieten können, werde ich mich umgehend bei Ihnen melden."
Die SG Stern hat mich aus dem Selbstverteidigungskurs aufgrund meines Geschlechtes ausgeschlossen, obwohl dieser für mich als Gewaltopfer bestimmt wichtiger war, wie für manche Teilnehmerin. Mit der gleichen Vorgehensweise, mit der ich aus dem Kurs entfernt wurde, entledigte sich die SG Stern auch des anderen männlichen Teilnehmers, Herrn Rainer Rösl. Dies zeigt, dass es sich hierbei um systematisch ausgeübten Sexismus gegen Männer handelt und keinen Einzelfall!
Da, wie eingangs von mir beschrieben, die Satzung der SG Stern zwar rassistische Betätigungen untersagt, nicht jedoch sexistische, möchte ich die mir und Herrn Rösl widerfahrene Diskriminierung in eine Sprache übersetzen, die im gesellschaftspolitischen Wahrnehmungsbereich der SG Stern enthalten ist:
Frau Winter, bitte stellen Sie sich vor, die SG Stern böte einen Selbstverteidigungskurs nur für Menschen mit weißer Hautfarbe an. Da zwei dunkelhäutige Menschen sich von diesem Kurs angesprochen fühlen, melden sie sich an. Kurz darauf erhalten sie ihre Anmeldebestätigung. An den ersten zwei Kursterminen nehmen beide Teil. Am Tag der dritten Veranstaltung bekommen sie jeweils einen Anruf der SG Stern, mit der "nachdrücklichen Bitte" an diesem Abend und den weiteren Folgeterminen nicht mehr an dem Selbstverteidigungskurs teilzunehmen. Begründet wird dies damit, dass der Kurs nur für Menschen mit weißer Hautfarbe konzipiert sei. Nachdem die Dunkelhäutigen anmerken, dass sie doch eine Anmeldebestätigung erhalten sowie bereits zweimal teilgenommen haben, möchten sie wissen, warum man jetzt mit einem Kursausschluss auf sie zukommt. Ihnen wird entgegnet, dass der Trainer dies veranlasst habe, da die Teilnehmer mit weißer Hautfarbe sich in der Anwesenheit dunkelhäutiger Menschen "nicht wohl fühlten".
Was glauben Sie, Frau Winter, wie sich die beiden Menschen mit dunkler Hautfarbe nach dem Vorfall in diesem fiktiven Beispiel fühlen, welches lediglich vom real vorgefallenen Sexismus abgeleitet und in ein rassistisches Unterfangen übertragen wurde? Was denken Sie, welches Menschenbild die SG Stern mit dem tatsächlich vorgefallenen Sexismus gegenüber Herrn Rösl und mir aufgezeigt hat?
Dazu muss ich anmerken, dass der Sexismus gegen Männer in der SG Stern nicht nur eine moralische, sondern auch eine rechtliche Komponente hat. Nicht umsonst heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland im Artikel 3, Absatz 3: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." Dieser zu den Grundrechten gehörige Artikel findet in der SG Stern offenbar keine hinreichende Beachtung. Denn andernfalls hätte es in deren Kursangebot erst gar keinen alleinigen Selbstverteidigungskurs ausschließlich für Frauen gegeben, sondern entweder einen geschlechtlich gemischten Kurs oder jeweils einen Kurs nur für Frauen und einen nur für Männer.
Über die moralische und rechtliche Komponente hinaus kommt noch ein realitätsverzerrender soziologischer Aspekt hinzu: Mit dem Angebot eines alleinigen Selbstverteidigungs¬kurses ausschließlich für Frauen suggeriert die SG Stern eine eindeutige Opfer- und Täterbeziehung zwischen den Geschlechtern. Frauen werden demnach per se als Opfer klassifiziert und Männer als Täter. Dass dies in der Realität nicht zutrifft, können Sie dem Abschnitt "Körperliche und psychische Gewalterfahrungen in der deutschen Erwachsenenbevölkerung" von Schlack et al. aus der "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)" des Robert Koch-Instituts entnehmen, welcher am 27.05.2013 im Bundesgesundheitsblatt publiziert wurde. Für diesen Teil der Studie wurden bundesweit repräsentativ Daten von 3149 Frauen sowie von 2790 Männern im Altersbereich von 18 bis 64 Jahren zu ihren körperlichen und psychischen Gewalterfahrungen innerhalb der letzten zwölf Monate – sowohl aus der Opfer- als auch aus der Täterperspektive – erhoben. Nachfolgend zeige ich Ihnen einen Ausschnitt der Ergebnisse auf:
• Körperliche Gewalt: "Frauen gaben mit 3,3% signifikant seltener an, in den letzten 12 Monaten Opfer von körperlicher Gewalt gewesen zu sein als Männer (6,2%). Selbst körperliche Gewalt ausgeübt zu haben, gaben insgesamt 3,4% der Frauen und 3,9% der Männer an. Der Unterschied ist nicht signifikant."
• Belastungserleben durch Viktimisierung: "Männer gaben insgesamt zu einem deutlich und signifikant höheren Prozentsatz als Frauen starke oder sehr starke Beeinträchtigungen durch Viktimisierungserfahrungen an. Dies gilt sowohl für die körperlichen als auch für die psychischen Gewaltopfererfahrungen über alle Altersgruppen."
• Schlussfolgerungen: "Während es, nicht zuletzt angestoßen durch die Ergebnisse der feministischen Gewaltforschung, bereits eine hohe Aufmerksamkeit und vergleichsweise gut entwickelte Hilfestrukturen für gewaltbetroffene Frauen gibt, sind, trotz der Tatsache, dass Männer insgesamt häufiger Opfer von körperlicher Gewalt werden als Frauen, Gewaltopfererfahrungen von Männern im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs wenig repräsentiert. […] Die Themen 'Frauen als Gewalttäterinnen' und 'Männer als Gewaltopfer' sind gesellschaftlich noch weitgehend tabuisiert und werden erst allmählich von der Gewalt- und Genderforschung aufgegriffen."
Aus der Verknüpfung dieser Studienergebnisse mit dem Kursangebot "Women's Defense" wird deutlich: Die SG Stern diskriminiert Männer, da sie einen alleinigen Selbstverteidigungskurs nur für Frauen anbietet, obwohl Männer signifikant häufiger Opfer von körperlicher Gewalt werden als Frauen, bei gleich hoher Neigung zur körperlichen Gewaltausübung beider Geschlechter. Verschärfend kommt hinzu, dass das Belastungserleben durch Gewaltopfererfahrungen bei Männern signifikant höher ist als bei Frauen.
Frau Winter, bitte werden Sie als Vorsitzende der SG Stern Deutschland e.V. ihrer moralischen, rechtlichen und sozialen Verantwortung gerecht und richten mit dem nächsten Angebot alle Kurse entweder geschlechtlich gemischt oder getrennt für beide Geschlechter ein, damit Sexismus in der SG Stern der Vergangenheit angehört.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Karthaus
Rainer Rösl
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