Montag, September 15, 2014

Professor Walter Hollstein: "Von Engeln und Teufeln"

Der Soziologe Professor Walter Hollstein, dessen Positionen sich mit vielen Positionen der Männerrechtsbewegung decken, wird nicht nur den Eröffnungsvortrag des 3. Wissenschaftlichen Männerkongress an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf halten, der am 19. September (also diesen Freitag) beginnt. Er wurde auch von der Basler Zeitung für eine neue Kolumne "Mann und Frau" gewonnen. Seinen ersten Beitrag für diese Kolumne, veröffentlicht am 12. September, hat Professor Hollstein freundlicherweise auch Genderama als Gastbeitrag zur Verfügung gestellt:

Im gerade vergangenen August hat ein Video im Netz Aufsehen erregt, in welchem eine junge amerikanische Kriminologin die Forderung erhebt, die männliche Bevölkerung auf einen Anteil von 10 Prozent zu reduzieren. Nur so sei endlich "wirkliche Gleichheit" zu erzielen. Während sie dazu 2012 auf "Youtube" noch einen "Internationalen Kastrationstag" empfahl, beziehen sich ihre neuen Vorschläge moderater auf Designer Babies, selektive Abtreibungen und das, was sie "genetische Manipulationen" nennt. So werde die Welt besser; denn das Übel, das sie so schlecht macht, wie sie es nun einmal sei, sind die Männer.

"Kreuzzüge, Kolonialismus, Hexenverfolgung, Judenverfolgung, Gulag, Auschwitz, Hiroshima, Genforschung, Umweltzerstörung, Vergewaltigung und alltägliche Gewalt" – das alles ist Männerwerk, so weiss es die Berliner Soziologin Christina Thürmer-Rohr. Männer sind die Teufel, Frauen die Engel - letztere sind von Natur aus friedlich, menschenfreundlich und sozial. Ihre Liebenswürdigkeit macht sie zu Opfern der Männer.

Mit einem wachsenden Realitätsbewusstsein in der Geschlechterdebatte bröckelt diese Idealisierung von Frau und Weiblichkeit. Zunehmend wird deutlich, dass die traditionelle Rollenübernahme von Frauen auch zu tun haben kann mit Erfolgsvermeidung und Bequemlichkeit. Die behauptete Friedfertigkeit der Frau wird brüchig angesichts neuerer Forschungen, die die Unterstützung diktatorischer Regimes belegen oder rechtsextremer Parteien. Auch die Annahme, dass es nur im männlichen Verhaltenssystem Perversionen gibt, hat sich als falsch erwiesen. Beziehungsstudien enthüllen, wie Frauen ebenso wie Männer an Problemkonstellationen beteiligt sind. Häusliche Gewalt ist zwischen den Geschlechtern gleichmässig aufgeteilt. Auch hinter die mütterliche Sohnesliebe muss manch Fragezeichen gesetzt werden, nachdem empirische Studien viele Übergriffe dokumentiert haben. In diesem Zusammenhang ist das Thema mütterlichen und generell weiblichen Missbrauchs noch immer ein Tabu.

Dererlei Hinweis soll freilich Männer nicht entlasten. Klar gibt es widerwärtige "Typen"; es gibt Männergewalt, missbrauchende Männer und kriegslüsterne Männer. Es gibt Männer, die - angesichts des Irakkriegs - ganze Lügengespinste entwerfen, um Bomben "regnen" und Kanonen "sprechen" zu lassen, wie der ehemalige US-Präsident Bush und seine Konsorten (zu denen allerdings auch Frauen gehörten). Klaus Esser oder Marcel Ospel und Jürgen E. Schrempp haben ihre Großbetriebe in Schwierigkeiten respektive den Ruin getrieben, und sie sind nur Einzelbeispiele für eine ganze Kaste profitgieriger Manager.

Ein realistischer Blick auf die Geschlechter verlangt beides zur Kenntnis zu nehmen. Frauen und Männer sind anders; aber die einen sind nicht besser als die anderen und umgekehrt. Sinnvoll wäre es, auf gegenseitige Projektionen zu verzichten und zu schauen, wo das Gemeinsame sein könnte. In dieser Richtung argumentieren die amerikanischen Paar-Therapeuten Samuel Shem und Janet Surrey. Obwohl sie Unterschiede zwischen den Geschlechtern durchaus anerkennen, ist es ihnen wichtiger, das Gemeinsame zu betonen. "Wir haben eine einfache Alternative entdeckt: Um aus einer Sackgasse herauszukommen, muss man gemeinsam Lösungen entwickeln und die Verbundenheit zwischen Frauen und Männern zum vorrangigen Ziel machen. Wenn beide die Erfahrungen des jeweils anderen allmählich erkennen und sich dann bewegen lassen, beginnt die Erweiterung zum wechselseitigen WIR".

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