Mittwoch, Juli 16, 2014

Gerichtsurteil: Niederlande an Genderzid in Srebrenica mit verantwortlich – und was das mit Robert Claus zu tun hat

Viele Medien berichten heute, unter anderem der ORF:

Im Verfahren um das Massaker von Srebrenica hat ein niederländisches Gericht den Staat für den Tod von mehr als 300 muslimischen Männern und Buben zivilrechtlich verantwortlich gemacht. Der Staat trage Mitschuld am Tod der am Nachmittag des 13. Juli 1995 aus dem Lager der niederländischen Blauhelme in Potocari deportierten Männer. (...) Die niederländischen UNO-Blauhelme hätten unrechtmäßig an der Deportation von 300 Männern mitgewirkt, obwohl sie bereits vom drohenden Völkermord wussten.

Bei dem Massaker bosnisch-serbischer Milizen waren in der Kleinstadt Srebrenica binnen weniger Tage mehr als 8.000 muslimische Männer und Buben ermordet worden. Die schlecht ausgerüstete niederländische UNO-Truppe leistete keinen Widerstand, als die Milizen anrückten.

Einem UNO-Bericht zufolge überließ sie alle Beobachtungsposten und Sperren widerstandslos den bosnischen Serben: Vor Augen der dort stationierten niederländischen UNO-Soldaten wurden muslimische Männer aussortiert, um in den darauf folgenden Tagen in der Umgebung der Kleinstadt brutal ermordet zu werden. Muslimische Frauen wurden nach Tuzla, damals unter Kontrolle der muslimischen Truppen ABiH, vertrieben.


Dass Genderzide wie dieser weit überwiegend männliche Opfer haben, ist unter Fachleuten unumstritten und gehört zu den zentralen Themen der maskulistischen Bewegung. So findet sich auch in meinen aktuellen Büchern "Not am Mann" und "Plädoyer für eine linke Männerpolitik" jeweils ein Kapitel, das dieses Thema näher erörtert. Entsprechende Beiträge fanden sich aber auch lange vorher und lassen sich bis zu "Sind Frauen bessere Menschen?" (2001) zurückverfolgen. Mehrere der von mir zitierten Experten verknüpfen die Tatsache, dass solche Genderzide nur zu Lasten von Männern möglich sind, mit der generellen Männerfeindlichkeit unserer Gesellschaft.

Um so bezeichnender sind natürlich Kampfschriften wie die von Robert Claus (der diese Männerfeindlichkeit teilt), Menschenrechtsanliegen wie angesprochenen komplett unter den Tisch fallen lassen, wenn es darum geht, den Maskulismus als eine Bewegung zu karikieren, der es vor allem um den Erhalt irgendwelcher Formen von Herrschaft oder althergebrachter Bilder von Männlichkeit gehe. Und jemand wie Claus, der Menschenrechtsthemen derart leicht beiseite wischt, möchte sich allen Ernstes ein Urteil darüber erlauben, ob die Männerbewegung "salonfähig" sei? Das muss unsere Bewegung ungefähr so viel interessieren, wie sich Organisationen wie Human Rights Watch dafür interessieren sollten, ob ideologische Schriften, die die von Human Rights Watch kritisierten Systeme zu stützen versuchen, den Menschenrechtlern "Salonfähigkeit" bescheinigen oder nicht.

Was speziell Srebrenica angeht, zitiere ich einmal eine Passage aus dem entsprechenden in Plädoyer für eine linke Männerpolitik enthaltenen Kapitel, genaue Quellenangaben siehe dort:

So stürmte im Juni 1995 die serbische Armee die Stadt Srebrenica im Osten Bosnien-Herzegowinas und schlachtete fast 8000 Männer und ältere Jungen systematisch ab und war damit für das schlimmste Massaker seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verantwortlich. Zwei Jahre vor diesem Massaker hatte der Hohe Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen mehrere tausend Zivilisten aus der belagerten Stadt evakuiert. Frauen, Kinder und Senioren war die Flucht über die UN-Konvois gestattet worden; erwachsene Männern aus der Zivilbevölkerung hatte man in der Stadt belassen – dies obwohl den Verantwortlichen der Vereinten Nationen bekannt war, dass in solchen Fällen fast routinemäßig vor allem die männliche Bevölkerung massenweise umgebracht wird. Männer im Alter zwischen 15 und 60 Jahren, die versucht hatten, sich unter den Scharen der Flüchtlinge zu verbergen, wurden von Verantwortlichen des UNHCR entfernt, die sich weigerten, für deren Schutz die Verantwortung zu übernehmen.

Vier Jahre nach dem Massaker, im Jahr 1999, traf sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, um über den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten zu diskutieren. Während im Kosovo erneut vor allem männliche Zivilisten massakriert wurden, einigten sich die Delegierten darauf, dass Frauen und Kinder ein besonderes Recht auf humanitäre Unterstützung haben. Eine Studie der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch über 3453 Hinrichtungen im Rahmen des Kosovo-Konflikts führte zu dem Ergebnis, dass 92 Prozent aller Opfer, von denen man das Geschlecht kannte, männlich waren. Zu anderen Menschenrechtsverletzungen, von denen weit überwiegend Männer betroffen waren, zählten Gefangennahme und schwere Folter. Dies bestätigen auch Berichte anderer Organisationen zur Menschenrechtslage im Kosovo. Ein Helfer, der in den zurückgebliebenen Dörfern tätig war, sprach von einem "Planeten ohne Männer", einer Welt, in der es nur noch Frauen und Kinder gab. Die Männer waren verschleppt oder umgebracht worden.

(...) Als der Genderzid-Experte Professor Adam Jones während des Kosovokonflikts seine Sorge über die mit dem Tode bedrohten Männer der Region dem Präsidenten des dafür zuständigen Menschenrechts-Zentrums der Vereinten Nationen mitteilte, erhielt er als Antwort drei Sätze eines Assistenten, der Jones dankte, aber erklärte, derartige Fragen seien nicht Teil des UN-Mandats. Die Frauen wurden in Sicherheit gebracht, reagierten aber sichtlich verzweifelt darüber, dass sie ihre Männer in einer Situation zurücklassen mussten, wo diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tod drohte. "Es war nicht leicht dabei zuzusehen, wie Frauen und Kinder von ihren Männern fortgeführt wurden", zitiert Adam Jones die Reaktion eines holländischen Mitglieds der UN-Friedenstruppen im Kosovo und ergänzt: "Dieses Statement fasst die vorherrschende Einstellung gut zusammen." Bedauert wurden die verzweifelten Frauen, nicht die dem sich ankündigenden Massenmord ausgelieferten Männer. Acht Monate später fand das Massaker von Srebrenica statt. Ein Jahr danach gründete die von Jones angeschriebene Institution der UN eine Internationale Koalition zum Schutz der Menschenrechte von Frauen in Konfliktsituationen.

Die Expertin für internationale Beziehungen Paula Drummond untersuchte in einem Aufsatz über "unsichtbare Männer" speziell die Gender-Mainstreaming-Politik der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit dem Völkermord im Kongo, dem Männer so stark zum Opfer fielen, dass in manchen Regionen die Überlebenden zu achtzig Prozent aus Frauen und Kindern bestehen. Das Ergebnis von Drummonds Analyse: Grundlage der UN-Politik ist die Übernahme des sogenannten Gender-Mainstreaming-Prinzips, das der offiziellen Definition zufolge den Bedürfnissen beider Geschlechter zugutekommen soll, de facto aber fast ausschließlich zugunsten von Frauen eingesetzt wird. Obwohl die Vereinten Nationen beispielsweise in Ruanda und dem früheren Jugoslawien immer wieder Zeuge davon wurden, wie sich geschlechtspezifische Gewalt vor allem gegen Männer und Jungen richtete, besteht für sie "Geschlechterpolitik" darin, Frauen und Mädchen zu schützen. Drummond zeigt auf, dass, wenn beispielsweise Jungen und Männer durch Morddrohungen gezwungen werden, eigene Familienmitglieder zu vergewaltigen, Hilfe der UN danach lediglich den vergewaltigten Frauen zuteilwird. Wenn das massenhafte Abschlachten von Männern überhaupt in einen Bericht der UN Eingang findet, dann nur, weil die daraus "resultierende Unterrepräsentation von Männern dazu führt, dass Familien mit nur noch einer Frau als Haushaltsvorstand weniger sicher sind" – also weil tote Männer das Leben von Frauen beeinträchtigen. Entgegen sämtlicher vorliegender Erkenntnisse wird immer wieder betont, dass Frauen und Kinder in den geschilderten Konflikten besonders gefährdet gewesen seien. Generell sei bei der Beschäftigung mit dem Konflikt im Kongo insofern eine feministische Perspektive vorherrschend, die Drummond aber als nicht zu Ende gedacht betrachtet, da die Marginalisierung männlicher Opfer das Klischee von Frauen als verwundbar und kontinuierlich hilfsbedürftig verstärke.


Um solche Dinge geht es der maskulistischen Bewegung, und ja, wir sprechen auch über die Mitschuld von Feministen und Genderisten an solchen Greueln, ähnlich wie andere über die Mitschuld der UN oder der Niederlande sprechen, obwohl weder die UN noch die Niederlande per se ein dikatorisches System sind. Meiner bisherigen Lektüre nach scheint mir Robert Claus von diesem Thema allerdings intellektuell ebenso wie moralisch weit überfordert.

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