Die Zusammenhänge von Feminismus und Faschismus – Versuch einer historischen Erklärung aus linker Perspektive
In den Kommentaren der Beiträge in männerpolitischen Blogs, die Genderama in den letzten Tagen verlinkte, fanden sich, wie ich meine, eine ganze Reihe von brillanten Texten. Einen allerdings würde ich wegen seiner Geschlossenheit und weil er gut als Diskussionsgrundlage dienen kann für Genderama übernehmen. Der Text ist stellenweise sehr theoretisch und wird womöglich auch unter linken Männerrechtlern nicht nur Zustimmung erhalten, aber als einer von sehr vielen Kommentaren eines anderen Blogbeitrags ginge er mir zu sehr unter. Sein Verfasser schreibt unter dem Nick "djadmoros".
(1) Der Feminismus/die Frauenbewegung gehört als Emanzipationsbewegung grundsätzlich zur »Moderne« (mit großem »M«), so wie die Emanzipationsbewegungen der Bürger und Arbeiter auch. Die Ansprüche der bürgerlichen Gesellschaft hinsichtlich der Menschen- und Bürgerrechte waren von Anfang an universell, und diese drei Bewegungen haben unterschiedliche Aspekte davon historisch in Realität umgesetzt. *Alle* diese Bewegungen (also auch die Frauenbewegung) haben diese universalistischen Forderungen zur *Voraussetzung*.
(2) Spezifischer formuliert: auch die Frauenbewegung hat das »Ende des Patriarchats« in einem grundsätzlichen Sinne zur *Voraussetzung*, nicht zur Folge, insofern das »Ende des Patriarchats« mit der Ablösung der Aristotelismus in der Philosophie (Cartesianismus) und politischen Theorie (insbesondere John Locke) des 17. Jahrhunderts einsetzt. Was unter anderem erklärt, warum sich die ganze moderne Geschichte hindurch immer auch *Männer* für feministische Anliegen stark gemacht haben (ad-hoc-Beispiel: John Stuart Mills »The Subjection of Women«).
(3) Die modernen Emanzipationsbewegungen enthalten eine (selbstmissverständliche) ideologische »Logik der Überwindung«: Obwohl sie eigentlich alle *derselben* historischen Epoche und *derselben* übergreifenden Dynamik angehören (der »Moderne« mit großem »M«), erzeugen sie alle einen »Mythos der Überwindung«, in den sie ihre historischen Vorläufer einschließen: die bürgerliche Emanzipationsbewegung »überwindet« das »Ancien Régime« (faktisch nur partiell), die Arbeiterbewegung »überwindet« den Kapitalismus (bis heute nicht, aus systematischen Gründen, die hier nicht zu diskutieren sind), und die (»neue«, s.u.) Frauenbewegung »überwindet« das »Patriarchat«. Sowohl die Arbeiter- als auch die (neue) Frauenbewegung schlagen die bürgerliche Emanzipationsbewegung zum »Ancien Régime«, die Frauenbewegung schlägt zusätzlich die Arbeiterbewegung zum »Ancien Régime« (der sozialistische Feminismus spielt heute keine Rolle mehr).
(4) Der historische Angelpunkt ist das Entstehen der so genannten *neuen* (»Second Wave«) Frauenbewegung. Deren Auftreten und Dynamik versteht man m. E. nur dann, wenn man sie in der Kategorie einer »Revolution der aufsteigenden Erwartungen« begreift. Hier ziehe ich eine Analogie zur amerikanischen Revolution: Grundlage der Amerikanischen Revolution war nicht ein besonders hohes Maß an politischer oder ökonomischer Unterdrückung, sondern im Gegenteil ein besonders hohes Maß an *vorausgehender* politischer Partizipation und wirtschaftlicher Aufstiegschancen. Die zur Revolution führenden Spannungen setzen in dem Moment ein, in dem die britische Regierung nach dem Siebenjährigen Krieg die amerikanischen Kolonien einem strikteren Regiment der politischen und territorialen Kontrolle zu unterwerfen versucht.
Analog dazu haben Frauen in den westlichen Industrieländern bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen der »bürgerlichen« Frauenbewegung, sehr weitgehende Rechte und Aufstiegschancen. Dies wird durch eine restaurative Phase nach dem Zweiten Weltkrieg unterbrochen, die erneut zu einer stärkeren traditionellen *Fixierung* der Geschlechtsrollen führt. Es sind diese restaurativen Tendenzen der Nachkriegsära, nicht ein tatsächlich herrschendes umfassendes »Patriarchat«, die den Startpunkt des »Second-Wave«-Feminismus markieren.
(5) Die nun folgende, endgültige »Frauenbefreiung« (wesentlich unterstützt auch durch die »Pille«, also durch einen revolutionären Durchbruch im Bereich der sexuellen Autonomie) findet in einem kulturellen Klima der »unbegrenzten Möglichkeiten« statt (60er Jahre). Es erscheint nun selbstverständlich, dass Frauen »alles« fordern und »alles« erreichen können. In diesem Klima entsteht etwas *ideologisch Neues*: ein feministisches *Suprematiedenken*. In der feministischen Selbstwahrnehmung geht es um nichts Geringeres als um die »Überwindung« eines »jahrtausendealten Patriarchats«. Und wenn das, was man überwindet, zum »Ancien Régime« gehört, dann kann man auch auf den Gedanken verfallen, dass der *Mann insgesamt* zum »Ancien Régime« gehört.
(6) Und genau hier, am Beginn des feministischen Suprematiedenkens, setzen die totalitären Verlockungen ein, die dieser Blogpost thematisiert. Dies wird durch weitere kulturelle Entwicklungen unterstützt: durch die Entfaltung eines »Zeitalters des Narzissmus«, das die psychologisch unterfütterte Entfaltung des »authentischen Selbst« propagiert. Narzissmus ist an sich kein weibliches Spezifikum – aber die Frauenbewegung ist die einzige politische Bewegung, die den Narzissmus von Frauen mit politischen und sozialen Prämien ausstattet: hieraus resultiert die notorische Unfähigkeit, sich mit ideologischer Kritik auseinanderzusetzen und sich hinter Drahtverhauen von »Triggerwarnungen« zu verschanzen. Dass Autorinnen wie Christa Mulack auf *genuin* faschistisches Gedankengut zurückgreifen, halte ich aber für ein deutsches Spezifikum, m. E. lässt sich das nicht verallgemeinern.
(7) Politisch ernsthaft gefählich wird dieses Suprematiedenken in einer Zeit, in der sich die wirtschaftliche Krise als spezifisch *männliche* Krise ausmünzt: möglich erscheint eine Entwicklung, in der (Mittelschicht-)Frauen in einem staatlich gesicherten Schutzraum aufgefangen werden und es parallel zu einer »Unterschichtung des Mannes« kommt, die durch dessen angebliche kulturelle Minderwertigkeit ideologisch gerechtfertigt wird. Das wäre dann tatsächlich ein feministischer »sanfter Faschismus«, der mit marktradikalen Abwertungsideologien ein perfektes Bündnis eingeht!
(8) Als wichtigste *politische* Konsequenz einer Männerbewegung hieraus würde ich nennen, dass primär der »Mythos von der politischen Unschuld des Feminismus« anzugreifen wäre. Denn wesentlich darauf beruht dessen Bewusstsein einer faktischen Unangreifbarkeit und der subjektiven Unschuld selbst angesichts solcher totalitären Perspektiven.
Erläuterung: ich verstehe die hier skizzierte historisch-soziologische Perspektive ausdrücklich als die Perspektive einer »linken« (oder zumindest »linksliberalen« – dezidierte Kapitalismuskritiker könnten hier ein paar Dinge anders sehen) Männerbewegung: es ist möglich, an einem generellen Leitbegriff der Emanzipation festzuhalten und es ist nicht erforderlich, den Feminismus zu dämonisieren: es genügt, ihn zu *historisieren*!
Dieser Text erinnert mich ein wenig an eine Passage aus Martina Schäfers Buch Die Wolfsfrau im Schafspelz. "Beinahe jede der gegenwärtigen politischen Parteien oder Bewegungen", heißt es dort, "hat sich im Laufe ihres Bestehens einmal mit der eigenen Stellung zu und möglicherweise sogar der Herkunft ihrer Ideen aus autoritärem und rassistischem Gedankengut früherer Zeiten auseinander setzen müssen. Einzig die Frauenbewegung scheint bis heute von diesen Vorwürfen verschont geblieben zu sein." Doch würden deren "autoritäre, rassistische, antisemitische und chauvinistische Elemente", sowie "extrem menschenverachtende Bilder und Gedanken" lediglich ignoriert. Mit diesem Ignorieren macht die neue Männerbewegung Schluss und bricht damit offenbar ein machtvolles Tabu.
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