Jetzt auch das noch: Der Fall Alice Schwarzer
Was ist hierzulande eigentlich außer der Frauenquote und der ideologisierten Wikipedia aus dem vielbeschworenen "feministischen Frühling" der letzten Jahre geworden? Femen-Aktivistinnen stoßen trotz klarer Botschaften wie "Ich bin Gott" auf Spott und Verständnislosigkeit und werden von Birgit Kelle in der Pfeife geraucht. Die Aufschreihälse haben sich eingebunkert; deren Buch zum Thema Sexismus, das, glaubt man der medialen Massenhysterie, zehntausende von Leserinnen hätte finden müssen, bleibt ein Ladenhüter. Andere Netzfeministinnen machen sich mangels männlicher Gesprächspartner inzwischen gegenseitig fertig. Bloggerinnen wie Katrin Roenicke klagen über einen "feministischen Burnout". Die Feministinnen, die die Piratenpartei gekapert haben, sind mit dem Schiff abgesoffen, statt im Parlament zu landen. Alice Schwarzers Kampagne gegen Prostitution wurde zum Eigentor. Und jetzt hat sich Schwarzer, DIE Verkörperung des deutschen Radikalfeminismus, sogar als jahrzehntelange Steuerbetrügerin geoutet, womit sie einem Strafverfahren entgeht.
Wenn ich nicht wüsste, dass ich nur tauben Ohren predigen würde und die meisten Feministinnen längst auf Autopilot fliegen, würde ich dieses Lager fragen, ob man dort wirklich weiter dümmlich gegen Männer wettern und die Männerbewegung durch den Dreck ziehen will, statt sich nicht vielleicht doch mal einem konstruktiven Dialog auf Augenhöhe zuzuwenden. Aber wenigstens dieses Plädoyer kann ich mir wohl sparen. Über die letzten Jahrzehnte insgesamt betrachtet war der Feminismus ja höchst erfolgreich: Zwar wird diese Ideologie von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt, selbst eine überwältigende Mehrheit junger Frauen bewertet sie als "überflüssig", "altmodisch" und "extrem". Aber die Politik, den akademischen Bereich und vor allem die Medien hat der Feminismus nach wie vor im Griff.
Insofern wird es spannend sein zu sehen, wie die Medien wohl auf Schwarzers Geständnis reagieren werden, sechsstellige Beträge an Steuern hinterzogen zu haben. Muss man mit Schlagzeilen wie "Mutiges Coming-Out fordert Respekt!" rechnen, wie aktuell auf Facebook geunkt wird? Oder ist selbst für unsere Medien irgendwann Schluss mit lustig? Schauen wir uns einmal die ersten Reaktionen an:
Der MDR reagiert immerhin mit einem wenig schmeichelhaften Foto.
Die Freie Welt spricht ironisch von heldenhafter Steuerhinterziehung.
Die Süddeutsche und der FOCUS melden, dass Schwarzer – wieder wenig überraschend – von ihrem Opfer-Abo Gebrauch macht.
Die "Welt" titelt Alice Schwarzer bereut Steuerbetrug von Herzen, kommt aber über die spöttische Anmerkung nicht umhin, dass sich Schwarzer vergangenen Sommer in eine Reihe mit Mutter Teresa, Sophie Scholl und Rosa Luxemburg stellte. Ihre Selbstinszenierung als moralische Instanz leide jetzt arg:
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ätzte Malte Spitze, Mitglied im Parteirat der Grünen, bereits: "Schwarzer macht es den alten grauen Männern nach." Und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt stellte in einem Tweet rhetorisch die Frage: "Moralische Instanz?" – was ein Nein impliziert.
Die BILD hingegen bietet ihrer bekanntesten Reporterin eine breite Plattform, um ihre eigene Argumentation darzustellen. Die BILD spricht statt von Steuerbetrug von einem "Steuer-Problem", Schwarzer selbst von einem "Steuerfehler". (Aus Gründen der Fairness verlinkt Genderama Schwarzers Verteidigung gerne.)
Aber wie obszön bitte ist ihre Argumentation? Schwarzer gibt an, sie habe das Geld zu Zeiten in die Schweiz gebracht, in denen sie überlegt habe, eventuell ins Ausland gehen zu müssen: in den achtziger Jahren. Schon Anfang der neunziger Jahre war Schwarzer Ratetante bei "Was bin ich?" und moderierte eine eigene Talkshow für den Hessischen Rundfunk. Tatsächlich aus Deutschland flüchten musste Schwarzers damalige Gegnerin, die jüdische Autorin Esther Vilar, nachdem sie von Radikalfeministinnen terrorisiert und zusammengeschlagen worden war. Auch der eine oder andere Männerrechtler unserer Tage mag mit Fluchtgedanken gespielt haben, nachdem wir in Schmähschriften bekannter Organisationen in einem Atemzug mit Rechtsradikalen und einem Massenmörder genannt werden und damit sogar in ARD-Sendungen einer beispiellosen Hetze ausgesetzt sind. Aber Alice Schwarzer soll so verängstigt gewesen sein, dass sie bis ins vergangene Jahr geheime Schweizer Konten "zu ihrer Beruhigung" unterhalten hat? Nach zwei Bundesverdienstkreuzen vom "frauenunterdrückenden Patriarchat", staatlicher Alimentierung in unfassbarer Höhe und nachdem zahllose Journalisten, sobald es um das Männer-Frauen-Thema geht, als erstes wissen wollen, was Alice Schwarzer dazu sagt? Für wie dämlich hält diese Frau ihre Leser?
Immerhin schreibt Schwarzer in ihrer Stellungnahme auch: "Mehrere Medien hatten sich entschlossen, aus rechtlichen wie ethischen Bedenken, von einer Veröffentlichung Abstand zu nehmen." Sie berichteten also nicht über Schwarzers Steuerbetrug. Wen überrascht's? Vermutlich ist auch eine Sandra-Maischberger-Sendung, in der Alice Schwarzer erklären kann, wie es "wirklich" gewesen sei, längst in Planung.
Nur in einem ist Schwarzer zuzustimmen: "Es gibt Fehler, die kann man nicht wieder gutmachen. Zum Beispiel Rufmord." Wenn sich ihr eigenes Lager nur einmal daran orientieren würde ...
Die Debatte über den Fall Alice Schwarzer hat gerade erst begonnen. Sie wird vielleicht auch zu weitergehenden Fragen führen: beispielsweise welche absurden Summen man in der Feminismus-Industrie eigentlich verdient und wie wenig davon bei tatsächlichen weiblichen Opfern landet.
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