Sonntag, Dezember 29, 2013

Blockempfehlung auf Twitter: Faschismus und Denunziation?

Für einige Aufmerksamkeit sorgte in den letzten Tagen der Twitter-Account "Blockempfehlung", der allein dafür eingerichtet wurde, Ratschläge darüber zu erteilen, welche anderen Twitterer gefälligst blockiert werden sollten. Dabei richtet er sich insbesondere gegen "Nazis, Maskus, Meinungsfreiheitsgeschrei und Diskriminierung" – eine bunte Zusammenstellung, die an einen alten Witz aus den achtziger Jahren erinnert: "Zwei Dinge kann ich an Südafrika nicht ausstehen – die Rassisten und die Neger." Logisch, dass dadurch fast automatisch Widerspruch ausgelöst wird.

Das kritische Wissenschaftsblog Sciencefiles sowie das Blog Schwerdtfegr fühlen sich an Faschismus und Volkspolizei erinnert, was beiden Blogs eine Erwähnung bei dem Blogaggregator Rivva einbrachte.

Aber auch Maike von Wegen, die Verfasserin des Blogs Mutterseelenalleinerziehend, die selbst auf der schwarzen Liste der Blockempfehlung erschienen war, ist nicht glücklich darüber, dass sich der Feminismus mit solchen Aktionen immer weiter ins einer Filterbubble verbunkert und beklagt darüber hinaus eine wachsende Mentalität von Blogwarten und Denunziantentum. Schon vor einiger Zeit habe sie ihre gegenseitige Verlinkung mit dem radikalfeministischen Blog Mädchenmannschaft beendet und sich von ihr "distanziert, nachdem ich schon zuvor immer wieder nur mit Hass und Häme behandelt worden war". Von Wegen nimmt hier eine um sich greifende Kultur von Beschimpfungen wahr, deren Ziele "in der Regel andere Feminist*innen und Aktivist*innen" seien; einzelne unliebsame Aktivisten würden regelrecht auseinandergenommen und verfolgt:

Wann immer ich mein twitter aufrufe, sind sie da, die üblichen Verdächtigen. Sie antworten auf alles sofort und formieren sich zu shitstorms, während ich irgendwas im Alltag erledige. Und dann sitze ich im Kino und als ich im Anschluss mein Telefon wieder anschalte, hört es nicht mehr auf zu vibrieren. Und als ich das Kino verlasse, habe ich bereits einen shitstorm am Hals. Und was habe ich dafür gemacht? Ich habe in friedlicher Sprache diskutiert in meiner kurzen Zeit auf twitter. Dann habe ich den Fehler gemacht, nicht mehr online zu sein und ein normales Leben zu führen. Denn in der Zwischenzeit verlor ich Follower um Follower, da ich auf einer Liste gelandet war, deren Motivation ich als höchst zweifelhaft einstufen würde.


Nachdem Maike von Wegen einige kritische Fragen gestellt habe

Wer sind diese Follower der @Blockempfehlung, die andere für sich selbst zensieren lassen? Was sind die Kriterien für die Auswahl der Menschen? Wo ist da die Transparenz? Was soll daran bitte emanzipatorisch sein?


sei sie sogar "als Verteidigerin der Maskulinisten beschimpft" worden. Dieses Diskussionsverhalten könne sie nicht gutheißen:

Das Argument gegen mich lautete "tone". Und zwar war also das Problem, dass ich immer wieder einen friedlichen Ton verlangte. Denn ich würde damit menschenverachtende Positionen legitimieren, wenn ich darum bat, das friedlich zu klären.


Dem unbenommen hält Maike von Wegen an ihrer Kritik fest:

Ich will, dass wir endlich mal über Loyalität und solidarische Kritik sprechen. Das letzte mal, als ich das auf einer Veranstaltung mit einer Beteiligten der Mädchenmannschaft versuchte, hat sie mich von der Bühne herab ausgelacht und versucht, ins Lächerliche zu ziehen. Ein Gespräch über Solidarität hat sie öffentlich abgelehnt. Hier werden abscheuliche Machtdispositive errichtet innerhalb einer Gemeinschaft, die hart am Abschaffen dieser Ungleichheiten arbeitet. Wie wollen wir das jemals im großen Außen verändern, wenn wir es nicht einmal innerhalb unsere Bezugsgruppe hinbekommen? Ich möchte, dass wir uns an echten Tischen in unsere echten Augen sehen und in FRIEDLICHER SPRACHE klären, wo unsere Differenzen liegen und wo unsere gemeinsamen Nenner. Euer seltsamer Aktivismus im Internet, wo in der Annonymität Menschen zerrissen werden, schlägt uns nur immer weiter zurück.


Eine Gegenrede dazu hält die Bloggerin "Tofutastisch" in dem Beitrag Blockempfehlungen und Solidarität sowie einige Feministinnen in der Kommentarspalte Maike von Wegens. Dort zog diese Bloggerin schließlich heute Vormittag das Fazit:

Ich beende die Diskussion an dieser Stelle. Denn ich habe wegen diesem Unsinnn geweint. Ich bin diejeinige, die hier diskriminiert wird. (...) Was hier faktisch passiert ist, dass ich aus meinem Erscheinungsraum gedrängt werde. Und ich möchte dem auch langsam Folge leisten und mich bei twitter abmelden. Also. Ziel erreicht. Ihr habt mich zum Schweigen gebracht. Ich verweigere ab jetzt die Unterhaltung mit Menschen, die es nicht hinbekommen, ihr Fehler anzuerkennen. Vielleicht solltet Ihr einfach mal mein Buch lesen, um festzustellen, welche unterpriviligierte Person ihr hier gerade fertig macht. Ich bin fassungslos.


Die groteske Gleichsetzung sämtlicher "Maskus" mit "Nazis" scheint in dieser Opferolympiade und dieser Parade an Selbstgerechtigkeiten keine einzige Akteurin als in irgeneiner Weise problematisch, diskriminierend oder Form von sprachlicher Gewalt zu empfinden. Würde es helfen, wenn ein Männerrechtler "Ich habe deswegen geweint" ernsthaft als Argument vorbringen würde? Vermutlich nicht; dabei ginge es schließlich nur um "male tears".

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