Dienstag, Oktober 29, 2013

Berufsverband deutscher Sexarbeiter wirft Alice Schwarzer Diskriminierung vor

Es zahlt sich doch aus, dass unter meinen Facebook-Freunden mehrere (weibliche wie männliche) Prostituierte sind: Über die Mainstreammedien hätte ich nämlich garantiert nichts davon erfahren, dass der Berufsverband deutscher Sexarbeiter auf den polemischen Appell Alice Schwarzers heute mit einem eigenen Appell geantwortet hat. Während Schwarzer noch behauptet hatte, es wäre "ein Mythos", dass sich Frauen freiwillig prostituierten, erklären die Sexarbeiter:

Prostitution ist keine Sklaverei. Prostitution ist eine berufliche Tätigkeit, bei der sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden. Ein solches Geschäft beruht auf Freiwilligkeit. Gibt es keine Einwilligung zu sexuellen Handlungen, so handelt es sich nicht um Prostitution. Denn Sex gegen den Willen der Beteiligten ist Vergewaltigung. Das ist auch dann ein Straftatbestand, wenn dabei Geld den Besitzer wechselt.

Prostitution ist nicht gleich Menschenhandel. Nicht nur deutsche Frauen, sondern auch Migrant_innen sind überwiegend freiwillig und selbstbestimmt in der Sexarbeit tätig. Prostituierte, egal welcher Herkunft, pauschal zu Opfern zu erklären, ist ein Akt der Diskriminierung.


Schwarzers Propaganda, Deutschland hätte sich immer mehr zu einer Drehscheibe für internationalen Frauenhandel entwickelt, stellen die Prostituierten Fakten entgegen:

Entgegen vieler Behauptungen ist das Prostitutionsgesetz nicht für den Menschenhandel in Deutschland verantwortlich. Wie aus dem Lagebericht "Menschenhandel" des BKAs hervorgeht, hat die Zahl der identifizierten Opfer seit seiner Einführung sogar abgenommen. Auch in Neuseeland, wo Prostitution seit 2003 als Arbeit anerkannt ist, ist keine Zunahme des Menschenhandels zu verzeichnen.

Zu den Faktoren, die Menschenhandel begünstigen, zählen globale Ungleichheiten, restriktive Migrationsgesetze sowie die Rechtlosigkeit der Betroffenen. Eine erfolgreiche Bekämpfung von Menschenhandel erfordert umfassende strukturelle Reformen auf globaler Ebene und einen menschenrechtsbasierten Ansatz.

Eine Kriminalisierung der Kund_innen, die erotische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ist zur Lösung dieser Probleme ungeeignet. Das sogenannte "Schwedische Modell" hat zwar die sichtbare Straßenprostitution verdrängt, aber weder die Prostitution an sich, noch den Menschenhandel nachweislich reduziert. Die Arbeitsbedingungen haben sich indes extrem verschlechtert. Dänemark und Schottland lehnen die Einführung des "Schwedischen Modells" bereits ab.


Der Appell schließt mit einigen konkreten Forderungen und kann von jedem mit einer Mail an info@sexwork-deutschland.de unterstützt werden. Meine Mail an diesen Verband ist unterwegs.

In der Selbstdarstellung des Prostituiertenverbandes heißt es:

Vor über 10 Jahren wurde durch das Prostitutionsgesetz den Sexarbeiter/innen erstmals Rechte in Deutschland eingeräumt. Das Bild von unserem Berufsstand hat sich aber kaum geändert. Die Diskriminierung und Stigmatisierung ist nicht geringer geworden. Immer noch wird Freiwilligkeit in der Prostitution als ganz große Ausnahme gesehen. Immer noch müssen wir alle gerettet werden. Immer noch werden wir automatisch mit Kriminalität in Zusammenhang gebracht. Alle reden über uns, aber keiner redet mit uns. (...) Deshalb treten wir jetzt öffentlich auf. Sprecht uns an. Fragt uns. Es braucht ein neues Bild von Sexarbeit Ein realistisches Bild, das mit den gängigen Vorurteilen nichts mehr gemein hat.

(...) In den Talkshows wird unser Berufsstand momentan heiß diskutiert, denn das Prostitutionsgesetz gilt als gescheitert. Verschärfungen sollen her. Angeblich soll das Gesetz uns nichts gebracht haben, sondern nur den Menschenhändlern und Bordellbesitzern in die Hände gespielt haben. (...) Wie kann es sein, dass Halbwahrheiten für Fakten gehalten werden? Wie kann es sein, dass diese Halbwahrheiten überhaupt nicht hinterfragt werden?


Mir fällt da noch eine soziale Bewegung ein, mit deren Mitgliedern in unseren Medien kaum gesprochen wird, sondern höchstens über sie – auch dort dem Alleinherrschaftsanspruch des feministischen Lagers zuliebe.

Klare Kante gegen Schwarzers Populismus zeigt im übrigen das Schwulenblog Gay West: Prostitution ist ein Menschenrecht!

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