Sonntag, Oktober 27, 2013

Der Freitag diskutiert: Ist eine nackte Männerbrust sexistisch?

Vor einigen Wochen verlinkte Genderama einen Artikel darüber, dass eine Punkband wegen angeblichem "Sexismus" ihr Konzert abbrechen musste, weil der Drummer auf der Bühne sein T-Shirt auszog. Dies sei erstens Frauen nicht gleichermaßen erlaubt und hätte zweitens möglicherweise anwesende Opfer von sexueller Gewalt erneut traumatisieren können.

Inzwischen setzt sich auch das feministische Wochenblatt Der Freitag mit diesem Fall auseinander. "Hätte der Musiker auf männliche Privilegien verzichten sollen?" fragt dort der Politikredakteur Felix Werdermann. In dem Artikel heißt es unter anderem:

Das feministische Blog maedchenmannschaft.net reagierte auf den Vorfall und empfahl den Männern, "auf Privilegien zu verzichten, solange sie nicht allen zuteilwerden". Das sei "ein solidarischer – und in diesem Falle antisexistischer – Akt". In der Tat sind Gesetzeslage und Rechtsprechung nicht gerade von Gleichberechtigung geprägt: Das "Zeigen" der Brustwarzen (was normalerweise wahrscheinlich nicht als bewusstes Zeigen gedacht ist) kann bei Frauen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, Männer jedoch dürfen das.


Es hätte dem Artikel gut getan, wenn sein Verfasser vor dem Schreiben über die Formulierung des Paragraphen zum Exhibitionismus im Strafgesetzbuch informiert gewesen wäre, die in der Tat sexistisch formuliert ist – nur anders, als Werdermann sich das vorstellt:

Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.


Es ist faszinierend, dass sobald es um Geschlechterfragen geht, jeder meint mitdiskutieren zu können, auch wenn er sich außer durch hochideologisierte Einzelquellen zuvor keinerlei Grundlagenkenntnisse zum behandelten Thema angeeignet hat. Ironischerweise ist Unkenntnis beim Schreiben für feministische Blätter sogar von Vorteil, denn besäße man das entsprechende Grundlagenwissen, wäre die dort beliebte Grundannahme – in unserer Gesellschaft gäbe es "patriarchale Privilegien" – nicht länger haltbar. Tatsächlich findet man die Privilegien auf Seite der Frau.

Immerhin ist auch einigen Kommentatoren des Artikels klar geworden, dass der Feminismus grotesk übersteuert. Ein Beispiel:

Das "Trigger"-Argument kam auch schon wieder auf, das finde ich sehr schön. Es ist nämlich als Mann auch ziemlich diskriminierend, per se als sexueller Aggressor gesehen zu werden. Zum Entwurf einer toleranten und gleichberechtigten Gesellschaft gehört doch, jeden als einzigartige Persönlichkeit zu betrachten, an seinen eigenen Fähigkeiten und Taten zu messen, anstatt ihn in eine Schublade zu stopfen!

Die Gender-Diskussion hat sich - wie an diesem Beispiel und vielen ähnlichen belegbar - in einem Feindbild vom "bösen Patriarchat" verrannt. Ein Beispiel aus dem wahren Leben: Eine Bekannte (Studierende bzw. Promovierende, mit Kind) durfte nicht in den Gender-Ausschuss der Fachschaften-Konferenz, mit der Begründung des (männlichen!) Vorsitzenden, sie sei "zu sexistisch" - weil sie der Meinung ist, dass gegenderte Texte einfach nicht gut klingen und dass es nicht wegdiskutierbare Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, die man doch einfach akzeptieren statt ignorieren sollte ...


Diskussionen machen Feministen einfach keinen Spaß, wenn der Diskussionspartner anderer Meinung ist. Gewünscht wird eine Filterbubble, die so groß wie irgend möglich sein soll: ob es um Körper oder um Meinungen geht. Für die starke und selbstbewusste Frau von heute.

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