Mittwoch, September 11, 2013

Welche Ziele hinter der "Sexismus-Debatte" stecken dürften

In den letzten Tagen habe ich das Fachbuch Multikulturalismus und Political Correctness in den USA (Verlag für Sozialwissenschaften 2005) des Politkwissenschaftlers Dr. Mathias Hildebrandt studiert, in dem es, wie sein Titel verrät, zwar vor allem um den Umgang mit ethnischen Minderheiten geht, das aber auch die Kultur der politischen Korrektheit insgesamt beleuchtet. Das macht einige seiner Inhalte auch für die Analyse feministischer Diskurse wie etwa die medial massiv gehypte "Sexismus-Debatte" brauchbar.

Beispielsweise geht es auf den Seiten 441-442 um die Speech Codes, also die politisch korrekten Sprechvorgaben, an den US-amerikanischen Hochschulen:

Tatsächlich sind die Speech Codes in juristischer Form erfolgte Anwendung der strukturellen Unterdrückungstheorie und ihrer per definitionem erfolgten Beschuldigung, die Angehörigen der dominanten WASP-Kultur seien Rassisten, Sexisten, Homophobe usw. In der rechtspolitischen Umsetzung der strukturellen Unterdrückungstheorie offenbart sich ein eigentümliches Wahrheitsverständnis, das weniger den Inhalt der Aussage, als vielmehr den Sprecher oder Autor und seine sozio-politische Stellung zum entscheidenden Kriterium der Wahrheit oder Unwahrheit erhebt. Denn es ist in jedem Fall der Repräsentant der jeweiligen unterdrückten Minderheit, dem per definitionem ein Wahrheits- oder Wahrhaftigkeitsprivileg eingeräumt wird, während der Beschuldigte, wenn er denn der dominanten Kultur angehört, durch die Teilhabe an einer unterstellten Kollektivschuld vor der Eröffnung des Verfahrens bereits verurteilt ist. Zudem sind viele dieses Speech Codes durch einen "double standard" gekennzeichnet: Nur die Angehörigen der unterdrückten Gruppen genießen ihren Schutz, während Angehörige der dominanten Gruppen diesen nicht erhalten.


Die Parallelen zur "Sexismus-Debatte" sind offensichtlich: Auch von deren Protagonistinnen und den meisten darauf eingestiegenen Journalisten wurde Sexismus lediglich problematisiert, wenn er sich gegen eine vorgeblich unterdrückte Gruppe (hier: Frauen) richtete, auch diesen Frauen wurde ein Wahrhaftigkeitsprivileg ("Opfer-Abo") gewährt, auch hier galten die angeblichen "Täter" schon im Zuge der Anklage als verurteilt. Insofern verwundert es nicht, dass die Speech-Code-Strategie zügig von den Feministinnen übernommen wurde, um damit angeblich sexuelle Belästigung zu bekämpfen. So erfährt man auf Seite 451 des Buches, wie sich neue Sprachregelungen von den Hochschulen in die Gesamtgesellschaft ausgebreitet haben

Diese neuen Speech Codes sind nicht nur auf Colleges und Universitäten beschränkt, sondern vereinnahmen fast das gesamte öffentliche Leben in den USA, von Unternehmen über die Bildungseinrichtungen Schule, College und Universität bis hin zu staatlichen Administrationen, dem Militär und jenen öffentlich zugänglichen Einrichtungen, die in den USA Public Accomodations genannt werden und auch private Einrichtungen, die z. B. Restaurants einschließen. Trotz dieser wesentlich weiteren Verbreitung treffen diese neuen Speech Codes auf keinen vergleichbar vehementen Widerstand wie diejenigen der Colleges und Universitäten am Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre. Diese beiden Besonderheiten lassen sich durch zwei Faktoren erklären. Erstens wurde diese neuen Beschränkung der Meinungsfreiheit nicht unter dem Terminus Speech Code, sondern unter dem Begriff des Harassment, insbesondere des Sexual Harassment eingeführt. Die Denotation des Begriffes Harassment liegt viel stärker auf Verhalten (Conduct) als auf Rede (Speech) und scheint damit das Problem der Meinungsfreiheit nur peripher zu tangieren. (...) Obwohl es eine nicht mehr zu überschauende und zu bearbeitende Menge an Literatur zum Thema Sexual Harassment geht, liegen bisher nur wenige Arbeiten vor, welche die verfassungsrechtliche Problematik der Anti-Harassment-Regulations in Bezug auf die Meinungsfreiheit des 1. Amendments thematisieren.


Das verwundert nicht, denn entsprechende Forschung wäre ... genau: wenig politisch korrekt. Wir müssen doch die armen belästigten Frauen schützen! Interessant ist nun, welche Macht sich aus diesen Diskursen und Sprechverboten entfaltete (Seite 453):

Die Haftbarkeit des Arbeitgebers kann nur dann eingeschränkt bzw. aufgehoben werden, "if the employer has an expressed policy against sexual harassment and has implemented a procedure specifically designed to resolve sexual harassment claims, and if the victim does not take advantage of that procedure" (...) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist es Arbeitnehmerinnen möglich, den Arbeitgeber wegen sexueller Belästigung durch Mitarbeiter oder dritte Personen im Betrieb auf Schadensersatz zu verklagen. Während vor dieser Entscheidung so gut wie keine Klagen eingereicht wurden, stiegen sie danach kontinuierlich an und ließen die Sexual Harassment Consulting Industrie zu einem wachsenden Wirtschaftszweig werden, für den ca. 75 % der US Firmen jährlich Millionen Dollar ausgeben.


Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um zu vermuten, dass es nicht wenigen Aufschreihälsen in Zusammenarbeit mit ihrem Netzwerk in den Medien darum ging, eine derartig lukrative "Sexuelle-Belästigungs-Industrie" auch in Deutschland für jene zu etablieren, die nur Gender und Empörung und nichts Ordentliches gelernt haben. Das Vorgehen ist dasselbe wie in den USA, wieso soll das gewünschte Ergebnis ein anderes sein?

Nun könnten viele Männerrechtler sagen: Das ist uns doch alles schon bestens bekannt. Richtig, aber wenn wir es sagen, wird es als "frauenfeindlich" und "rechtspopulistisch" angefeindet. Tatsächlich ist es aber schon seit mindestens acht Jahren Teil der wissenschaftlichen Forschung zu diesem Thema – in jenem Teil der Forschungsliteratur übrigens, der mit Sicherheit auch intensiv von den Anhängerinnen der politischen Korrektheit gelesen wird und mancher als Inspiration gedient haben mag.

Aber natürlich ist das alles Spekulation, und man kann auch daran glauben, dass es nur den patriarchalen Männern immer in erster Linie ums Geld geht und Feministinnen eine wesentlich edlere Spezies Mensch darstellen, die außer von berechtigten moralischen Anliegen völlig frei von eigenen Interessen ist.

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