Rücktritt gefordert: Nannte Berliner Zoo-Direktor seine Mitarbeiterinnen "Zuchtstuten"?
Riesige Schlagzeilen auf den Titelseiten der Lokalpresse, aber auch überregional wird es zum Skandal: "Zoo-Chef betitelt Arbeiterinnen als Zuchtstuten" meldet etwa Die Welt. Die Behauptung aus der Überschrift wird darin an keiner Stelle belegt, das Wort "Zuchtstute" taucht im Text nicht einmal auf. Stattdessen heißt es im Artikel:
Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung soll der Zoo- und Tierparkchef in internen Schreiben vor die Namen weiblicher Mitarbeiter die Formel 0,1 gesetzt haben. Diese steht in der Zoowelt für "Weibchen".
Die B.Z. berichtet so über den Fall:
Die Zahlencodes 1 und 0 sind für Zoologen auf der ganzen Welt eingängig und verständlich. Bei den Experten steht die 1 für "männliches", die 0,1 für "weibliches Tier".
Eine unumstrittene und effektive Methode bei Zählung des Tierbestandes nach Geschlechtern. Berlins Zoo- und Tierpark-Chef Dr. Bernhard Blaszkiewitz allerdings hat diesen Code in einer internen Aktennotiz für Mitarbeiterinnen benutzt. Statt deren Vornamen setzte er die 0,1 vor den Familiennamen.
Damit habe Blaszkiewitz die Frauen auf das Niveau weiblicher Tiere reduziert, kritisiert Anja Kofbinger, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen: "Ich empfinde diese zoologischen Kürzel als diskriminierend und entwürdigend. Der Zoo- und Tierpark-Chef ist frauenfeindlich. Es mangelt ihm an sozialer Kompetenz."
Beschwerden von Mitarbeiterinnen des Berliner Zoos selbst liegen keine vor. Infolgedessen fragen die Leser unter dem Artikel der "Welt": Wo ist hier der Skandal, wo das Aufregungspotential?
Wäre es aus gendergerechter Sicht besser gewesen, wenn Blaskiewitz auch vor die Namen der männlichen Mitarbeiter sein skurilles Kürzel gesetzt hätte? Ja. Aber zu welchen absurden Reaktionen führt seine flapsige Kennzeichnung: eine parlamentarische Anfrage der Grünen. Rücktrittsforderungen. Ein Thema, das die Titelseiten mehrerer Zeitungen beherrscht, wobei für manche Artikel eigens Unsinn wie "Zuchtstuten" dazuerfunden wurde, damit es halbwegs nach Skandal klang. Eine Nummer kleiner geht es nicht? Während Männer oft genug ganz unironisch als "Gockel", "Schweine" oder "Affenhorde" betitelt werden, worauf man denen, die sich darüber ärgern, bescheinigt, sie hätten keinen Humor, womit der Fall in der Regel gegessen ist? Hier stimmt die Gewichtung schon längst nicht mehr. Und die Botschaft, die hinter dieser Aufregung steht, lautet: Frauen sind nun mal so viel sensibler als Männer und müssen deshalb viel besser geschützt werden. Besonders progressiv ist diese Sichtweise nicht.
<< Home