Mittwoch, Juli 18, 2012

Freiheit für Gewaltpornos gefordert: Markus Theunert stößt zu Sado-Maso-Flügel der Männerbewegung

Bislang war der SM-Flügel der Männerbewegung mit nur einigen wenigen Vertretern wie Rüdiger Happ und mir eher übersichtlich. Jetzt stößt der Schweizer Männerbeauftragte Markus Theunert hinzu, der in der aktuellen EMMA den Leserinnen in einem freundlichen Interview ans Herz gelegt wird. So berichtet die größte Schweizer Gratiszeitung 20 Minuten:

In einer Stellungnahme an den Bund fordert der Verein Männer.ch die Legalisierung von harten Pornos: So sollen Sado-Maso-Darstellungen und Sexpraktiken mit Exkrementen ­gezeigt werden dürfen – sofern kein Schutzinteresse verletzt wird. Ausserdem schlägt der Verein laut «NZZ am Sonntag» vor, an den Schulen Pornofilme zu zeigen, damit die Jugendlichen den Umgang mit Pornografie lernen.


SM-Filme im Schulunterricht? Geil! Ein Pamphlet zur Rettung von Gewaltpornos habe ich schließlich schon vor etwa zehn Jahren veröffentlicht. Spontan will ich Markus Theunert in unseren Reihen willkommen heißen, beschließe dann aber doch lieber, erst mal sein Dementi abzuwarten. Das ist inzwischen erfolgt:

Morgens um 6.02 Uhr hatte er sich zum vermeintlichen Skandal geäussert – auf seiner persönlichen Facebook-Seite: «Läuft grad in die Boulevard-Falle und muss schon frühmorgens eine Richtigstellung schreiben: Natürlich will Männer.ch nicht, dass Lehrer Schülern Pornos zeigen.» Die Richtigstellung veröffentlichte er dann auch auf der Männer.ch-Homepage. Er schreibt dort, dass die beiden Zeitungen die Meinung von Männer.ch in unzulässiger Weise zugespitzt hätten.


Hier findet man Markus Theunerts Richtigstellung im Original.

Vielleicht aber ist diese Korrektur noch kein Grund, sich gänzlich dem Trübsinn hinzugeben. Denn es fällt auf: Korrigiert – oder besser gesagt: genauer ausformuliert – wird nur der Einsatz von Pornos im Schulunterricht. Theunerts Engagement für Erotika mit SM-Inhalten und der Darstellung von Exkrementen besteht offenbar durchaus. Um ganz sicherzugehen, werfen wir einen Blick in Markus Theunerts neueste Anthologie Männerpolitik. Was Jungen, Väter und Männer stark macht. Darin finden wir einen Aufsatz von Markus Theunert und Bruno Wermuth mit dem Titel "Das Sexuelle ist politisch: Grundlagen einer Sexualpolitik aus Männersicht". Und darin wiederum finden wir ... schade, nichts über SM. Sondern nur eine Forderung zur Freigabe von Ekelpornos:

In der Schweiz gilt das Verbot pornografischer Darstellungen mit menschlichen Ausscheidungen. Bei der politischen Bewertung eines solchen Verbots darf es in einer pluralistischen Gesellschaft keine Rolle spielen, ob mehr oder weniger viele Menschen solche Praktiken mehr oder weniger ekelhaft finden. Vielmehr muss die Diskussion sein, ob sexuelle Spiele mit Ausscheidungen allenfalls eine Verletzung der Integrität oder besondere Gesundheitsrisikn mit sich bringen oder andere höher zu gewichtende Schutzinteressen verletzen. Ist dies nicht der Fall, gibt es keinen Grund, sie zu verbieten.


Öhm, ja. Das mag so sein. Ein klitzekleines bisschen verwunderlich allerdings ist es – wie auch eine Leserrezension des Buches anmerkt – dass dies eine von zwei konkreten sexualpolitischen Forderungen aus angeblicher Männersicht ist, die in diesem Aufsatz vorkommen. Da wirken beispielsweise die Forderungen der Jungs von MANNdat, die wie die Mitglieder von AGENS in Theunerts Anthologie immer wieder links und rechts eins in die Fresse bekommen, doch eine Winzigkeit wichtiger und drängender. Na gut, bei Alice Schwarzer zumindest scheint man mit solchen Wünschen besser anzukommen als mit denen nach einer faireren Jungenpolitik.

Hoffnung für den SM-Flügel der Männerbewegung liefert auf der Amazon-Seite zu Theunerts Buch immerhin der Hinweis "Kunden, die diesen Artikel angesehen haben, haben auch angesehen". (Bei Büchern, von denen schon mal Exemplare verkauft wurden, heißt es "Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, haben auch gekauft ...") Dort findet man derzeit neben meinem eigenen Buch Männerbeben und dem aktuellen Werk von Gisela Erler auch Julia Hopes Lass mich kommen! – ein Roman über eien dauergeile Universitätsdozentin, die von ihrem Freund und einer ihrer Studentinnen dazu gebracht wird, die übelsten Demütigungen über sich ergehen zu lassen, damit sie einen Orgasmus erlaubt bekommt. So ungefähr habe ich mir die Nachtlektüre des feministischen Flügels der Männerbewegung immer vorgestellt. Womöglich braucht man das als Ausgleich, wenn man den ganzen Tag über ein Bild von Alice Schwarzer über seinem Schreibtisch hängen hat.

Alles in allem scheint es mir hier doch guten Grund zu geben, auf zukünftige Annäherungen und Kooperationen zu setzen. Die Kluft zwischen den feministischen Männern und MANNdat sowie AGENS mag tief sein – die Brücke zum SM-Flügel der Männerbewegung immerhin ist kurz.

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