Freitag, Juni 12, 2009

Kontroverse Presse für "Der entsorgte Vater" (5)

Die Reihe der Filmkritiken von Douglas Wolfspergers Dokumentation reißt nicht ab.

Beginnen wir mit der "taz" und machen wir daraus ein kleines Ratespiel. Wie wird diese Zeitung den Film wohl besprechen: wohlwollend, differenziert und ausgewogen oder mit einem kompletten Verriss? Nehmen Sie sich einen Keks, weil Sie richtig geraten haben, und klicken Sie hier.

Das Gegenstück der "taz" auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist die "Junge Freiheit". Dort schreibt Ellen Kositza über den Kindesentzug, der das Thema des Filmes ist:

Das geht so weit, daß Kinder gegen den Vater aufgehetzt werden – daß, um gegen den verhaßten „Ex“ punkten zu können, Mißbrauchsvorwürfe erhoben werden. Zuletzt hatte sogar die renommierte Rechtspsychologin Elisabeth Müller-Luckmann in der Zeitschrift EMMA berichtet, daß falsche Mißbrauchsanschuldigungen gegenüber Scheidungsvätern ein beliebtes Manipulationsmittel seien. Wie, fragt man sich, wie kann man nur solche Mütter begreifen, die ihrem Kind den Vater vorenthalten? (…)

Wolfsberger läßt auch eine Frau zu Wort kommen, die mutwillig zwei Kinder ohne Kontakt zu deren Vätern großzieht. Welche Abgründe! (…) Man hört und sieht diese Frau erzählen, man kennt diesen Jargon aus angelernter „Selbstbestimmtheit“, Empörung und „Wut im Bauch“ und ahnt ihr – nun ja, ihr furioses Potential. Da wird schon klar: Ihr Bauch, ihr Kind gehören ihr und niemanden sonst! Mehr als einen Erzeuger, sagt sie, habe sie in einem Vater nie gesehen.


Die "Berliner Morgenpost" recycelt den Artikel Barbara Schweizerhofs aus der "Welt" - mit kleinen Veränderungen. So wird aus der "Welt"-Überschrift "Kämpfen um das eigene Kind" bei der "Morgenpost" die Schlag-Zeile "Männerlarmoyanz, die kaum zu ertragen ist", und der Artikel erhält folgenden Vorspann:

Ein Film, der das neue, frauenfeindliche Scheidungsrecht zu illustrieren scheint. Geschiedene Frauen sind hier böse, rachsüchtig und egoman, denn sie nehmen den armen Vätern das Recht aufs Kind. Was aber diese weinenden Männer den Frauen angetan haben, ehe sie so wurden, wird verschwiegen. Was andere Frauen von ihren Ex-Männern erdulden, ohne die Kinder in den Konflikt hineinzuziehen, auch nicht.


Das Böse kommt in der Lesart der "Morgenpost" immer vom Mann, und wenn Männer trauern, wird ihnen Larmoyanz, also Weinerlichkeit, vorgeworfen. Natürlich sind das stockreaktionäre Geschlechterklischees aus der Eiszeit des Feminismus. "'Jungs dürfen auch weinen', hatte ich an der Fachhochschule gelernt", berichtet in meinem Buch "Rettet unsere Söhne" der Sozialpädagoge Wolfgang Wenger. "Die Gesellschaft ist an den Tränen der Männer nicht interessiert, das lernte ich später. Warum sollte ich Jungs etwas beibringen, wofür sie später nur verspottet werden?" An den Versprechungen des Feminismus, auch die Zwänge der männlichen Geschlechterrolle aufzusprengen, war leider wenig dran.

Nach der Gülle aus der "Morgenpost" gibt es eine faire, ausführliche und informative Besprechung des Films von Johannes Gernert im "Stern". Hier bietet sich ein etwas längerer Auszug an:

Väterverbände wie "Väteraufbruch" kämpfen dafür, nicht als Goldesel ohne Rechte missbraucht zu werden. Auf der Internetseite papa-lauf.de präsentieren sich abgeschobene Erzeuger, die als Marathonläufer für Väterrechte demonstrieren. Aus Protest hat sich Fernsehschauspieler Mathieu Carrière vor drei Jahren ans Kreuz nageln lassen. Er forderte die Gleichstellung beim Sorgerecht. Kollege Sky du Mont hat sich jahrelang, teils öffentlich, um seinen Sohn bemüht. Douglas Wolfsperger kämpft jetzt mit seinem Film. (…)

Eine Umfrage des Vereins "Väteraufbruch" hat 2008 herausgefunden: Mehr als 50 Prozent der Väter sagen, sie hätten sich um das gemeinsame Sorgerecht bemüht. Die wenigsten bekommen es. 73 Prozent vermuten, die Mutter wolle allein entscheiden, falls ein Konflikt auftritt. Psychologen sprechen vom "Maternal Gatekeeping", wenn Frauen den Vater vom Kinde fernhalten. Eine "merkwürdige Mutterideologie", sagt Väterforscherin Inge Seiffge-Krenke im Gespräch mit stern.de. Manche hätten Angst, sie würden das Kind und damit ihren Selbstwert verlieren. (…)

Der Soziologe Gerhard Amendt hat 2005 in einer Studie festgestellt, dass fast die Hälfte der befragten Scheidungsväter ihre Kinder selten oder gar nicht sehen. Er macht dafür auch "spätfeministische Vorurteile" verantwortlich. In Familiengerichten und auch Jugendämtern würden häufig Gutachterinnen und Sozialpädagoginnen auftreten, die den Mann vor allem als Täter sehen. Nach der Scheidung werde die Ernährerrolle von ihnen weiter akzeptiert, jede andere Form von "Väterlichkeit" aber nicht.

Wolfspergers Film ist eine einseitige Anklage, aber er benennt auch seine Schuld an der Trennung, wenn man ihn danach fragt: Er arbeitete an einem schwierigen Filmprojekt, war nie zu Hause - auch nicht, als Eva auszog. Es hat eine Weile gedauert, bis er sich nach dem Auszug der Freundin um das Kind bemüht hat. Er sagt, dass er Eva verletzt hat. Alles, was danach kam, wertet er als ihren persönlichen Rachefeldzug. Dass der von den Gerichten meist toleriert wurde, betrachtet er als den eigentlichen Skandal. Es sind die Fragen, die der Film aufwirft, die ihn über das persönliche Schicksal des Machers hinaus so spannend machen: Wieso gäbe es keine Sanktionen, wenn die Mutter das Kind dem Vater entziehe, obwohl Richter anders entschieden haben?


Zu Wolfspergers Kritik an den Richtern dringen die Journalistinnen gar nicht erst vor, die den Film mit viel Schaum vorm Mund in die Tonne treten, weil er Frauen nicht als engelshafte Lichtwesen zeigt. Die Erbostheit darüber, dass statt immer nur Männer plötzlich auch Frauen sehr negativ gezeigt werden, verstellt den Blick dazu, dass Wolfsperger auch und vor allem auf das Versagen der deutschen Rechtsprechung klar und nachvollziehbar hinweist. Auch die vielen zum Verständnis wichtigen Informationen, die Johannes Gernert in seinem Beitrag liefert, bleiben in den Verrissen des Films bezeichnenderweise außen vor. Insofern halte ich den Beitrag im "Stern" für einen Glanzpunkt der Filmrezensionen zu dieser Dokumentationen, die ich von diesem Magazinen nach einigen wirklich unterirdischen Artikeln in den letzten Jahren (insbesondere zu Eva Herman) kaum noch erwartet hätte.

Mit diesem Höhepunkt möchte ich meine vergleichende Presseschau der so unterschiedlichen Filmkritiken zu Wolfspergers Dokumentation gerne schließen. Um sich einen eigenen Eindruck von diesem Werk zu verschaffen, sollte man vielleicht mal wieder ins Kino gehen.

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