"Maskulinisten" in der Wikipedia?
Heute habe ich beim Schmökern in einem meiner Bücher die folgende Passage entdeckt
Dass es von tumben Artikeln manchmal nicht weit ist hin zu handfesten Auseinandersetzungen, hat die freie Journalistin Barbara Mürdter im Lauf ihrer Wikipedia-Mitarbeit wiederholt feststellen müssen. Ursprünglich mit Schwerpunkt bei musikalischen und popkulturellen Themen zugange, machte sie schließlich unliebsame Bekanntschaft mit sogenannten Maskulinisten sowie Editoren, die der umstrittenen Vereinigung "Väteraufbruch" nahe stehen: "Dann bin ich zufällig beim Stöbern darauf gestoßen, dass sich im Bereich Gender, der mir von meinem Soziologiestudium her bekannt ist, aber auch Teil meines kulturellen Interesses ist, sehr seltsame Menschen rumtreiben, denen ich im 'wahren Leben' oder auch in der Uni nie begegnet war. Ich schaute mir ihre 'Theorien' an, die von einer stark antifeministischen Meinung geprägt waren und jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten – sogar allgemein anerkannten historischen und soziologischen Erkenntnissen widersprachen. Letztere waren den meisten Diskutanten nicht einmal bekannt – was die Gegenargumentation relativ leicht machte, dann aber mit wütenden Hasstiraden beantwortet wurde. Sie hatten leider Teile des Themengebiets systematisch besetzt und sehr einseitig und meinungsbezogen umgeschrieben. Ich habe versucht, wissenschaftlich belegte und/oder gesellschaftlich in einem weiteren Spektrum akzeptierte Auffassungen in den Texten darzustellen und auch die abstrusesten persönlichen Auffassungen, für die es keine Belege gab, zu entfernen."
Inwieweit ist die zahlenmäßige Dominanz im Gesamtprojekt mitverantwortlich dafür, dass sich unwissenschaftliche Inhalte in Wikipedia festsetzen? Barbara Mürdter führt das "Emanzipationsdefizit" unter anderem auf die insgesamt computerfernere Sozialisation von Frauen sowie den gesamtgesellschaftlichen Backlash zurück. Dass erstere sich auch im Arbeitsklima innerhalb von Wikipedia entsprechend niederschlägt, hält sie durchaus für möglich: "Dann kann es auch sein, dass Frauen sich eher von den zum Teil völlig beknackten, zum Teil äußerst aggressiven Auseinandersetzungen und Diskussionen abschrecken lassen. Möglicherweise gibt es auch eine latente Frauenfeindlichkeit – das könnte man zum Beispiel anhand des katastrophalen Zustands gewisser Texte im Gender-Bereich annehmen. Das müsste man aber alles genauer untersuchen. Und wer weiß, wie viele Frauen sich auch hinter neutralen oder männlichen Namen verbergen, um ernster genommen zu werden oder einfach nicht aufzufallen?" Für die in Wikipedia unter dem Pseudonym Barb bekannte Journalistin führten die nervenzehrenden Artikelkämpfe in den Gender-Themen schließlich zu der allseits gängigen Konsequenz. Anders als Ulrich Fuchs oder Markus Schweiß entschloss sie sich allerdings, die Tür leise zu schließen.
Die zitierten Abschnitte finden sich in dem Buch Wikipedia Inside, veröffentlicht von Günter Schuler im radikal linken Unrast-Verlag. Interviews mit Schuler zu seinem Buch erschienen beispielsweise in den ebenfalls radikal linken Postillen "konkret", "Neues Deutschland" sowie in dem der "Zeit" angeschlossenen Magazin "Zuender". (Nur letzeres ist auch online nachlesbar.) Es ist bemerkenswert, wie treu und brav Schuler alles als Tatsache übernimmt, was ihm "Barb" in den Block diktierte – unbenommen des auffallenden Umstands, dass sie für ihre diversen Anschuldigungen kein einziges konkretes Beispiel nennen kann. Dass man statt des Väteraufbruchs viel eher Barbara Mürdter als "umstritten" bezeichnen könnte, kam ihm offenbar nicht in den Sinn. (Siehe etwa auch hier, hier, hier und an etlichen anderen Stellen.)
Anhand der Diskussionsseiten zu Wikipediaeinträgen wie "Maskulismus" oder auch "Arne Hoffmann" kann sich jeder schnell selbst ein Bild davon machen, wer die Debatte damals wissenschaftlich und wer mit aggressiven Beschimpfungen geführt hatte, wer ein leichtes Spiel hatte und wer zuletzt völlig hilflos war. Sätze wie "Arne Hoffmann als Person war ein (kurzfristiges) Medienphänomen, weil er so kontovers und provokativ war und beim Durchschnittbürger Ekel ausgelöst hat, der ja auch (kurzfristig) fasziniert." mögen in feministischen Kreisen offenbar als Beleg für wissenschaftliche Sachlichkeit gelten. In zivilisierten Diskussionen ist das jedoch nicht der Fall. Wenn frau sich solche Fouls leistet, in der Kontroverse schließlich trotzdem unterliegt und sich danach noch bei linken Buchautoren darüber ausweinen muss, mit welchen "äußerst aggressiven, frauenfeindlichen Hasstiraden" in der Thematk angeblich völlig unkundige Männerrechtler auf den Versuch einer wissenschaftlichen Diskussion reagiert hätten – dann ist das schon ein ganz klein wenig dreist. Dass Barbara Mürdter bestimmten Positionen "in der Uni nie begegnet war", glaube ich ihr allerdings aufs Wort. Woran das liegt, verrät eine sehr kundige Buchrezension, die man hier nachlesen kann.
Meiner Beobachtung nach ist die Qualität mehrerer Wikipedia-Beiträge zur Geschlechterthematik nach Barbs Abgang erkennbar gestiegen. Zwar sind auch einige Makel aus der damaligen Zeit der Wikipedia erhalten geblieben. (Mein Lieblingsbeispiel ist hier immer noch eine Passage aus dem Wikipedia-Eintrag "Männerbewegung in Deutschland", wo es heißt: "Daneben entwickelten sich die Männerrechtsbewegung, zu der der Maskulismus und ein Teil der Väterbewegung zählt. Da sie sich explizit antifeministisch gibt, ist umstritten, ob sie überhaupt zur Männerbewegung zählt, da die Männerbewegung ursprünglich ein feministisches Projekt war." Mit anderen Worten: Wenn eine Männerbewegung nicht feministisch ist, zählt sie nicht als Männerbewegung. Alles klar.) Positiv entwickelt hat sich inzwischen das "Portal Männer" (gegen das es bei seiner Gründung natürlich sofort einen Löschantrag gab, wiewohl ein "Portal Frauen" damals schon längst existierte). Im Beitrag Vergewaltigung wird inzwischen auch die Vergewaltigung von Männern erwähnt, ähnliches gilt für männliche Opfer von häuslicher Gewalt. Der Beitrag Misandrie bietet einen guten Überblick über den in unserer Gesellschaft grassierenden Männerhass. Weil die Wikipedia unsere Gesellschaft widerspiegelt, hat auch dort die feministische Lehre zwar noch immer die Vorherrschaft, aber wir sind insgesamt auf einem guten Weg.
Labels: Bücher, feministische Propaganda, Männerrechtsbewegung, Web 2.0
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