Mittwoch, März 05, 2008

Lesermail (Zivildienst 3)

Die hier angestoßene Debatte zum Zivildienst scheint in einigen von euch die Lust am Schreiben kleiner Essays geweckt zu haben. So mailte mir gestern abend Genderama-Leser S.K. folgenden Text zu:

Hallo Arne,
ich lese mit großem Interesse die Beiträge zum Zivildienst, weil dieser auch für mich eine Leid Erfahrung war.

Allein der Weg dort hin war schon schrecklich genug; vom unerträglichen Prozedere der Fleischbeschau, genannt Musterung, bis hin zur mündlichen Verhandlung zu meiner Verweigerung. Jenseits dieser individuellen Erfahrung finde ich es aber bezeichnend, dass wir unsere Erfahrungen in der Geschlechterdebatte verkürzt reflektieren.

Es ist erstaunlich, was hier niemals thematisiert wird: Junge Männer mussten und müssen sich frühzeitig auseinandersetzen mit ihrer Rolle in der Gesellschaft und einer ganz elementaren gesellschaftlichen Zumutung, nämlich im Zweifelsfall das eigene Leben aufs Spiel zu setzen für "höhere Ziele", auf die sie keinerlei Einfluss hatten und haben. Junge Frauen mussten dies nicht.

In meiner Jugend war die Entscheidung, den Kriegsdienst zu verweigern, also *bewusst* einen sozialen Friedensdienst zu leisten, gesellschaftlich alles andere als anerkannt. Es war eine oft politische Entscheidung, auch wenn sie sich zuerst antiautoritär äußerte, nämlich gegen autoritäre Strukturen zu sein, gegen Kasernenhof Drill, reglementiertes Leben und gebrüllte Befehle. Wie oft ich mit meinen Eltern gestritten habe, die meinten, wenn dies in meinem Lebenslauf stünde, dann wäre meine berufliche Zukunft verbaut, kann ich gar nicht mehr zählen.

Das war gar nicht so irreal, denn eine Entscheidung gegen den Mainstream Bundeswehr war auch ein Zeichen von Renitenz und Aufmüpfigkeit. Von den Auseinandersetzungen mit anderen männlichen Jugendlichen, die einfach zur Bundeswehr gingen gar nicht zu reden.

All diese Auseinandersetzungen, schon im Vorfeld dieser Entscheidung, blieben den jungen Frauen meines Alters komplett erspart und nichts hat sich geändert. Erstaunlicherweise gibt es einen blinden Fleck in der Geschlechterdebatte. Wir haben uns *bewusst und konkret* entschieden Teil einer friedlichen Entwicklung der Gesellschaft zu sein, indem wir den Kriegsdienst verweigern. Zu meinem Erstaunen gelten Frauen weiterhin per se als das friedlichere Geschlecht, einfach weil sie Frauen sind. Ohne Entscheidung, ohne persönliche Risiken einzugehen und ohne Konsequenzen. Aber vor allen Dingen ärgert mich, dass wir *unsere eigene Leistung* überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen.

Diese Konsequenzen waren für mich nicht ohne; ich leistete meinen Dienst freiwillig ab in der individuellen Schwerstbehinderten Betreuung. Zu meinen Arbeitsbelastungen nur so viel: von 24 Stunden wurden mir 20 anerkannt und das war auch in Ordnung so, denn durchgehend geschlafen habe ich keine einzige Nacht. Nach drei Tagen Dienst am Stück und dem entsprechenden Schlafdefizit war ich gar nicht mehr bewusst anwesend. Ausgeschieden bin ich aus meinem Zivildienst vorzeitig mit einem Polster von 400 Überstunden. Die habe ich nicht etwa freiwillig angesammelt, sondern ich wurde moralisch unter Druck gesetzt von meiner Diensstelle, die mich einfach immer weiterarbeiten ließ, weil wir chronisch unterbesetzt waren. Wogegen Betriebs- oder Personalräte in der Regel Sturm laufen, danach kräht bei Zivis kein Hahn. Mein Eindruck war, dass hier junge Männer planmäßig regelrecht verheizt werden. Und wenn ich die anderen Texte lese, dann bin ich alles andere als ein Einzelfall.

Was ich schon damals ungerecht fand war, junge Frauen aus diesem Zwangsdienst außen vor zu lassen. Während ich arbeitete, konnten meine Freundinnen in die Welt hinaus ziehen, oder bereits mit dem Studium beginnen. Ich wäre auch gerne ein Jahr durch Australien getingelt, stattdessen betreute ich einen schwerstbehinderten Menschen. Als ich meinem Unmut Luft machte, begegnete man mir mit folgenden Argumenten: Zunächst sei ja die Kinderaufzucht Frauensache und demnach würden Frauen ebenfalls gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichten, nur eben später. Dito sei Pflege ebenfalls Frauensache und demnach würde per Saldo meine Arbeit noch geringfügig sein. Zudem sind Frauen mindestens doppelt betroffen. Ende der Diskussion.

Es erstaunt dich sicherlich nicht wenn ich dir sage, dies ausgerechnet vorgebracht von Frauen, die sich Kindererziehung nur und ausschließlich partnerschaftlich vorstellen konnten und sich mit Händen und Füßen dagegen verwahrten, für die Pflege ihrer Eltern zuständig zu sein.

Ich bin also jahrelang einer geschickten Argumentationsstrategie aufgesessen. Die läuft immer so: Es werden von Seiten der Frauen abstrakte Allgemeinplätze aufgestellt, die konkrete männliche Arbeit negiert, wenn es nützlich ist. Sich hingegen auf abstrakte weibliche Wesenheiten beruft, wenn das weibliche Individuum konkret nichts vorzuweisen hat.

Konkret ist nämlich folgendes wahr: Ich ging mit einem Bonus von 16 Monaten sozialer und gesellschaftlich nützlicher Arbeit in mein Leben.Nicht *ich* hätte also beweisen müssen, dass ich ein soziales Wesen bin, sondern *die jungen Frauen um mich herum*. Faktisch lief die Diskussion jedoch anders; wir Männer hatten uns zu rechtfertigen, weil Frauen ja per se sozialere Wesen sind. Es wurden beispielsweise in einer Beziehung vorab Schwüre von uns verlangt, wir sollten uns gefälligst im gleichen Umfang um das Baby kümmern etc. In diesen Diskussionen wurden die Männer wie die Schweine durch das Dorf getrieben, weil wir eben Männer sind. Nicht ein einziges Mal kam ich auf den nahe liegenden (und wenig prosaischen) Einwand: Ich habe sechzehn Monate lang Hintern abgeputzt, den Alltag organisiert, mich Tag und Nacht gekümmert. Ich habe durch meine praktische Arbeit bewiesen, dass ich das kann. Bei dir, liebe Frau, steht dieser praktische Beweis deiner nur *behaupteten* Fähigkeiten noch aus.

Jenseits dieser wenig schmeichelhaften Erkenntnis, wie sehr ich mich habe vorführen lassen, kam mir unlängst eine weitere: Was machen wir als Männer eigentlich mit den Frauen, die weder vorbringen können, dass sie Kinder gehabt haben, sich ebenfalls an keiner häuslichen Pflege beteiligen? Denn konkret stehen diese doch bei uns Männern im Zeitkontingent gehörig in der Kreide. Jede kinderlose Frau schuldet mir doch einen Ausgleich für die nicht geleistete soziale und gesellschaftlich nützliche Tätigkeit, oder?

Wollen wir Wetten abschließen, wie die Argumente sein werden, wenn wir dies als Anspruch ins Feld führen?

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