„Taz“ fordert Freispruch für Lynchmörderinnen
Eines der vielen Problemfelder, mit dem sich die Männerrechtebewegung beschäftigt, ist, dass internationalen Untersuchungen zufolge Frauen vor Gericht für das gleiche Delikt seltener verurteilt und milder bestraft werden als Männer. Feministinnen sehen die Sachlage allerdings genau andersherum.
So fand sich in der Berliner „taz“ von gestern der Artikel “Heimtückische Urteile” von Heide Oestreich. Darin heißt es: „Werden Frauen in der Rechtsprechung benachteiligt? Die Legal Gender Studies etablieren sich auch in Deutschland“. Diesem Artikel zufolge kommt dann einiges auf uns zu.
Der Text steigt mit folgender Passage ein:
Eine Frau ermordet den Ehemann, der sie jahrzehntelang gequält und geprügelt hat, als er schläft. Das Urteil: neun Jahre Knast. Ein Mann ermordet die Frau, die sich von ihm trennen will, aus Eifersucht. Das Urteil: zwei Jahre auf Bewährung. Irgendwie schräg? Das liegt, so argumentiert feministische Rechtswissenschaft, am von Männern gesetzten Recht.
Oder vielleicht daran, dass man zwei unterschiedliche Fälle schlecht vergleichen kann, wenn man nicht mehr als nur die allergröbsten Hintergründe über sie weiß? Bezeichnenderweise fehlt jeglicher Hinweis, um welche Fälle es sich überhaupt handelt. Gegenchecken kann der Leser so nichts – alles, was er erfährt, ist, dass „dieses und andere Phänomene (...) am Wochenende auf einer Tagung der Berliner Humboldt-Universität erörtert“ wurde, „mit der das erste deutsche Studienbuch `Feministische Rechtswissenschaft´ vorgestellt wurde.“ Interessant ist jedoch vor allem der Schlussteil des taz-Artikels, in dem Oestreich implizit den Freispruch für eine bestimmte Gruppe von Gattenmörderinnen fordert:
Die Richter könnten auch annehmen, dass eine jahrelang verprügelte Frau, die immer noch bei ihrem Mann bleibt, offenbar psychisch so derangiert ist, dass sie keine andere Lösung sieht, als ihn umzubringen. Das Strafrecht kennt dafür den Terminus "Entschuldigender Notstand", nach dem eine solche Frau sogar freigesprochen werden könnte. Dazu allerdings müssten Richter Einblick in die besondere psychische Konstellation geschlagener Frauen haben, die die Soziologie als "battered women syndrome" beschreibt und die erklärt, warum geschlagene Frauen oft in einer Art psychischen Abhängigkeit vom Schläger verharren. Um so etwas zu berücksichtigen, müssten Richter sich aber überhaupt erst einmal fortbilden. Wozu der deutsche Staat sie nicht verpflichtet.
Ich bin kein Jurist, aber ob man das Töten eines schlafenden Menschen in einer Vielzahl von Fällen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt als „entschuldigenden Notstand“ durchgehen lassen kann, halte ich dann doch für sehr zweifelhaft. Wäre es so, argumentiert die liberale Feministin Wendy McElroy, würde man damit private Lynchjustiz rechtfertigen – allerdings nur für Frauen. Zum “battered women syndrome” (BWS) erläutert McElroy:
Controversy swirls over whether BWS even exists or is a creation of feminist politics. Whatever is true, BWS is a legal defense available to women and de facto denied to men. Both women and men should be held equally accountable for their acts of violence. The courts should not bar anyone from a valid legal defense -- but is BWS valid?
Es gibt starke Hinweise darauf, dass das “battered women syndrome” eben nicht stichhaltig ist. Die englischsprachige Wikipedia (als Quelle sehr viel brauchbarer als die deutsche, in der ein Eintrag zum „battered women syndrome“ im übrigen nicht existiert) fasst jene Kritikpunkte zusammen, die zum Teil seit über zehn Jahren in der Forschungsliteratur zur häuslichen Gewalt vorliegen:
Critics claim that Walker's theory does not explain the killing of abusive partners. If a battered female suffers from learned helplessness, she would, by definition, behave passively (Griffith: 1995) with the suggestion that the model of a battered spouse as a "survivor" proposed by Gondolf (1988) might be more realistic. Killing abusive partners is not passive behaviour, so it contradicts, rather than supports, Walker's theory. Nor is the killing of abusing partners consistent with Walker's theory of "cyclical violence". McMahon (1999) and Warren (2002) argue that Walker's research methodology was suspect in that she selected a narrow group of victims in her original study, all of whom were American heterosexual females, most of them Caucasian, and most of them from similar socio-economic backgrounds, the data on perpetrators was provided from the victim's perspective only, and there was no control group. Finally, Walker's study has never been replicated. Indeed, Dutton & Painter (1993) and others have failed to find any evidence of the cycle of behaviour as predicted by Walker's theory.
Das “battered woman syndrome” ist damit nicht mehr als die Theorie einer einzigen feministischen Wissenschaftlerin, nicht einmal in sich selbst schlüssig, ihr Zustandekommen weist methodologisch enorme Schwächen auf und dementsprechend konnte sie auch niemals repliziert werden. Um so etwas zu wissen, müsste Heide Oestreich sich aber überhaupt erst einmal fortbilden. Wozu die „taz“ sie offenbar nicht verpflichtet.
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