"Kill yourself now, bitch!"
1. Warum nicht mal ein Streaming-Tipp gleich zu Beginn? Ich habe gestern Abend eine fesselnde True-Crime-Dokumentation auf Netflix gesehen, "Unknown Number: The High School Catfish". Thema ist ein Fall von Cybermobbing mit Nachrichten wie "Kill yourself now, bitch!" Der "Serienfuchs" stellt diese Doku näher vor:
Ganz gleich, ob auf Instagram oder TikTok – die Video-Reaktionen zum Ende von "Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish" nehmen zu. Denn die True-Crime-Doku lässt viele Zuschauer:innen fassungslos zurück, nachdem der große Twist der Geschichte enthüllt wurde. Doch worum geht es und wieso reden alle davon? Im Mittelpunkt der Dokumentation stehen Lauryn Licari und ihr Freund Owen McKenny. Beide gehen noch auf die Highschool, als sie plötzlich bedrohliche, vulgäre und erniedrigende Textnachrichten erhalten. Niemand weiß, wer dahintersteckt, doch die Nachrichten reißen nicht ab und zeigen schnell, dass jemand die beiden Jugendlichen genau beobachtet.
Anfangs scheint das Ziel der Nachrichten darin zu bestehen, Lauryn und Owen auseinanderzubringen. Bald darauf kommentieren sie Lauryns Outfit in der Schule und beleidigen sie – ein erster Hinweis für die Betroffenen, dass die Absender:innen möglicherweise Mitschüler:innen sind. Dieser Verdacht bestätigt sich jedoch nicht, auch nachdem die Schule die Situation im Blick hat. Fast zwei Jahre lang trudeln weitere Nachrichten ein, die zunehmend explizite sexuelle Handlungen mit Owen beschreiben und Lauryn sogar zum Suizid auffordern. Weitere Familien und Kinder werden hineingezogen. Die Polizei kommt nicht weiter, Ermittlungen verlaufen im Sande. Erst das mittlerweile eingeschaltete FBI bringt die Wahrheit ans Licht.
Hier geht es weiter mit der Enthüllung des Täters, also ist hier offenkundig eine Spoiler-Warnung angebracht. Allerdings konnte ich, obwohl ich in diesem Punkt gespoilert war, die Doku fasziniert schauen, zumal sie keine Agatha-Christie-Detektivgeschichte ist: Der Täter wird zur Hälfte der Doku genannt, und wir bekommen über lange Minuten die Konfrontation und Festnahme via Bodycams der Polizeibeamten zu sehen.
Ich gehe stark davon aus, dass sich die Leitmedien diesmal nicht so verzückt auf dieses Angebot von Netflix stürzen werden wie bei der Serie "Adolescence", obwohl es diesmal um die Dokumentation eines realen Falls geht und keine erfundene Geschichte. Auf dem Bewertungsportal Rotten Tomatoes geben die Zuschauer ein zu 75 Prozent positives Urteil ab; aus der Fachpresse liegen nicht einmal ausreichend Besprechungen vor, um überhaupt eine Bewertung möglich zu machen.
2. Weiter geht es mit einem Podcast-Tipp: Das Hamburger Abendblatt widmet sich dem Thema Eltern-Kind-Entfremdung. In der ersten Folge geht es um Thomas Prantner, der seine Kinder seit sieben Jahren nicht gesehen hat: "Er kritisiert ein veraltetes Familienrecht und Institutionen, die oft überfordert sind, und zeigt auf, dass es in solchen Fällen weniger um das Wohl der Kinder, als vielmehr um Macht und Kontrolle geht."
Wir kommen auf dieses Thema gleich noch einmal zurück, sobald es um Artikel aus dem Ausland geht.
3. Unter der Überschrift "Für die Linke hört Gleichheit an der Kasernentür auf" (obwohl das bei vielen Rechten nicht anders ist), beschäftigt sich das Magazin CICERO mit der Debatte um die Wehrpflicht:
114.000 neue Soldaten braucht die Bundeswehr – und Friedrich Merz macht den Vorschlag, die Wehrpflicht auf Frauen auszudehnen. Doch die "feministische" Linke will sich den Rocksaum nicht schmutzig machen: Rechte ja, Pflichten nein.
Hier geht es weiter.
4. In der Berliner Zeitung berichtet Sophie-Marie Schulz, wie man in der Firma SAP mit dem Gendern umgeht. Ein Auszug:
Ein Mitarbeiter des Unternehmens hat mit der Berliner Zeitung über einen erheblichen internen Druck im Umgang mit dem Gendern gesprochen, über denkwürdige Gespräche mit der Personalabteilung und mögliche Gründe, warum SAP seiner Einschätzung nach weiterhin an der Genderpraxis festhält. Aus Sorge davor, gekündigt zu werden, möchte Elias P., ein langjähriger Mitarbeiter des Softwaregiganten, nicht identifiziert werden.
Sollte sich ein Unternehmen dazu entschließen, Sprache zu regulieren und festzulegen, was und wie etwas gesagt wird, dann geschieht das selten beiläufig. Es sind meistens detaillierte Regelwerke, die festlegen, welche Begriffe, Formen und Anredeweisen im internen wie externen Gebrauch als angemessen gelten. Bei SAP tragen diese internen Regularien den Titel "Gender-Guide", umfassen 20 Seiten und werden als "ein ausgewogener Ansatz zur Erfüllung der Kommunikationsbedürfnisse eines börsennotierten Unternehmens" bezeichnet.
Offiziell handelt es sich dabei um eine Sammlung von Empfehlungen, die nicht verpflichtend sind und das Ziel verfolgen, "so inklusiv wie möglich" zu kommunizieren. In der Praxis jedoch hat sich der Leitfaden längst zu einem Standard entwickelt, an dem kaum ein Weg vorbeiführe – so zumindest berichtet es Elias P.
Bereits die Entstehungsgeschichte des Leitfadens sorgte bei dem SAP-Mitarbeiter für Irritationen. Das größtenteils auf Englisch veröffentlichte Dokument wurde von einer Inderin verfasst, die in den USA lebt und nach Informationen der Berliner Zeitung kein Deutsch spricht. Alle im Gender-Guide enthaltenen deutschsprachigen Beispiele stammen von einer Amerikanerin, die zwar in Deutschland lebt, aber keine Muttersprachlerin ist. Wieso hat sich SAP gerade für diese beiden Autorinnen entschieden? Auf diese und weitere Fragen hat die Berliner Zeitung keine Antwort erhalten.
Elias P. stört sich vor allem daran, dass die komplizierte Gendersprache es funktionalen Analphabeten, Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen und manchen Zuwanderern unnötig schwer macht.
Zusammen mit Kollegen aus Syrien, Deutschland und anderen Ländern ist er deshalb erneut auf die Führungsebene zugegangen und hat die "Gender-Entwicklung" kritisiert. Statt über Barrierefreiheit oder Teilhabe wurde aber vor allem über die Bedeutung internationaler Rankings gesprochen, in denen Unternehmen nach bestimmten Gleichstellungskriterien bewertet werden. Für Elias P. der Moment, in dem ihm klar wurde: Hier geht es weniger um Inklusion, sondern primär um die Außenwirkung von SAP.
In Gesprächen mit der Personalabteilung sei vermittelt worden, dass es bei der Einführung der geschlechterneutralen Sprache in erster Linie um jene Rankings gehe. Seitdem sieht er sich in seiner Vermutung bestätigt, dass Sprache im Unternehmen nicht aus Überzeugung verändert wird, sondern als Teil einer globalen Strategie, die auf Ansehen und Kapitalmärkte zielt.
Elias P. ist überzeugt: Hätte die Unternehmensleitung morgen den Eindruck, genderfreie Sprache sei wirtschaftlich vorteilhafter, würde SAP ohne Zögern kehrtmachen. "Die 180-Grad-Wende wäre kein Problem, wenn sie dem Aktienkurs dient", sagt er. In Amerika wurde dieser Kurswechsel nach der Wiederwahl von Donald Trump bereits vollzogen.
(…) Und was folgt aus dem, was Elias P. stellvertretend für "viele Kollegen" berichtet? Ein Mitarbeiter soll bereits die Reißleine gezogen haben: "Ein Kollege, der inzwischen das Unternehmen verlassen hat, bat darum, nicht gegendert angeschrieben zu werden. Das eskalierte: Er wurde vor dem Team als problematisch dargestellt. Auch wenn offiziell niemand gezwungen wird, entsteht ein faktischer Anpassungsdruck."
Die Äußerung offener Kritik bleibe eine Ausnahme, weil die Sorge vor beruflichen Konsequenzen groß sei. SAP sei aber keinesfalls das einzige Unternehmen, das durch Genderleitfäden in der Belegschaft Druck erzeugt. Seine eigenen Erfahrungen decken sich mit Berichten von Personen, die Elias P. als Mitinitiator eines Volksbegehrens gegen gendergerechte Sprache zugetragen wurden.
Viele Menschen hätten ihm erzählt, sich aus Angst vor einem Jobverlust nicht an der Initiative beteiligen zu wollen. "Das war für mich ein Schlüsselmoment", sagt er, "weil es zeigt, wie groß das Misstrauen gegenüber staatlichen und institutionellen Strukturen mittlerweile ist."
Das Beispiel verweist auf eine Entwicklung, die über die konkrete Sprachfrage hinausgeht: Wo Beschäftigte und Bürger das Gefühl haben, ihre Meinungsäußerung könne ihnen schaden, schwindet das Vertrauen in demokratische Prozesse. Statt offener Debatte entstehe ein Klima der Selbstzensur. Für Elias P. ist das Gendern bei SAP deshalb auch ein Symptom für eine tiefer liegende Verunsicherung: Die Sprache, die eigentlich verbinden soll, wird zum trennenden Marker, an dem Loyalität gemessen wird.
5. Unter der Überschrift "Problemfall Penisträger" beschäftigt sich der SPIEGEL mit Männern und Männlichkeit:
"Hauptsache gesund", sagen Leute ohne Taktgefühl, wenn eine Schwangere verkündet: "Es wird ein Junge!" Ein Junge? Mitgefühl macht sich breit, selbst Eltern kann so ein Ultraschallbild um die 20. Woche Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Genauer gesagt: der Penis. Zu diesem Zeitpunkt etwa so groß wie ein Reiskorn ‒ aber schwer beladen mit negativen Zuschreibungen.
Denn Penisträger, so das Narrativ, sind nicht niedlich und brav, sondern laut, wild, aggressiv. Fußball statt Flöte, Grunzlaute statt Grammatik. In der Schule von Lehrern weniger gemocht und von Mädchen abgehängt. Später im Leben womöglich gewalttätig, drogensüchtig oder vor der Spielkonsole verrottend. Das Reiskorn wird zum Schicksal.
Der Autor und Comedian Schlecky Silberstein ließ sich sogar dazu hinreißen, seinen Penis mit einem Fluch zu belegen. Er ist überzeugt, ohne das vermeintlich beste Stück hätte er im Leben besser dagestanden: Als Frau wären ihm innigere Freundschaften, bessere Bildungschancen und eine stabilere Gesundheit vergönnt gewesen, so Silberstein.
Aber was kann der Penis dafür? Er ist ein eher unspektakuläres Organ: verletzlich, schlaff, bei Kälte zieht er sich beleidigt zurück. Kein Zepter, keine Waffe, auch ein Designpreis wird ihm wohl für immer verwehrt bleiben. Seine Besitzer hingegen stehen aktuell unter scharfer Beobachtung. Wenn schon kleine Jungs nicht länger das It-Piece in der Geschlechterlotterie sind, was sollen wir bloß mit diesen verhaltensauffälligen Männern anfangen?
Hier geht es weiter mit dem Artikel, der selbst einen ordentlichen Teil Männerbashing enthält, um im letzten Absatz scheinheilig zu fragen, "ob wir es eines Tages schaffen, uns alle in unserer herrlich widersprüchlichen Bandbreite zu sehen, nicht als 'die' Männer und 'die' Frauen, die so oder so sind?"
Den darunter verlinkten SPIEGEL-Artikel "Was macht einen richtig guten Mann aus?" lese ich, wenn der SPIEGEL auch fragt, was eine richtig gute Frau ausmacht.
6. Das Wall Street Journal berichtet in einem so wertschätzenden Artikel, wie man ihn sich auch in deutschen Leitmedien wünschen würde, über die Erfolge von Väterrechtlern im US-Bundesstaat Kentucky:
Den Vätern ging es nicht gut.
Es war das Jahr 2017, und in ganz Kentucky schlossen sich geschiedene Väter gegen einen gemeinsamen Feind zusammen: ein Sorgerechtssystem, das ihrer Meinung nach ihre Ex-Frauen bevorzugte.
Obwohl die Sorgerechtsgesetze in Kentucky und anderswo den Richtern Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber einräumen, welche Aufteilung im besten Interesse des Kindes sei, behaupteten verärgerte Väter, dies bedeute in der Regel, dass sie auf die Rolle von "Disneyland-Vätern" reduziert würden, die jedes zweite Wochenende ins Disneyland kommen und gezwungen seien, zwei Tage Spaß in das zu quetschen, was die Mütter in zwei Wochen schaffen könnten.
"Man wird zu einer Art ‚Onkel Papa‘ statt zu einem Elternteil", sagt der 53-jährige Rob Holdsworth. 2014 gab er widerwillig sein Leben und seine Karriere im öffentlichen Dienst in Dayton, Ohio, auf und zog nach Bowling Green, wohin seine Ex-Frau mit ihren beiden Söhnen gezogen war. Er nahm den einzigen Job an, den er finden konnte – Nachtarbeit in einer Seifenfabrik –, um die Jungen nur ein paar Mal im Monat zu sehen.
"Es war sehr deprimierend, hier zu sein, ein paar Meilen von meinen Kindern entfernt, und mir gesagt zu bekommen, dass ich sie nie wiedersehen werde", sagte Holdsworth.
Allein in dem Haus in der Nähe der Grundschule seiner Söhne – er lief in ihren leeren Zimmern ein und aus und starrte auf das Buntstiftposter "Papa, du bist unser Superheld", das sie ihm zum Vatertag geschenkt hatten – hatte Holdsworth mehr Zeit, als er füllen konnte. Er beschloss, sie damit zu verbringen, sich für Gesetze einzusetzen, die Vätern wie ihm bei Scheidung oder Trennung mehr Rechte einräumen.
Im ganzen Land gewann die Väterrechtsbewegung an Dynamik. Eine gleichmäßige Aufteilung der Zeit und Entscheidungsbefugnisse zwischen den Eltern, so argumentierten ihre Befürworter, reduziere das Gefühl der Verlassenheit bei Kindern, fördere die Gleichstellung der Geschlechter und baue Spannungen zwischen zerstrittenen Paaren ab.
"Es gibt kein Gesetz, das mehr Menschen betrifft als Steuern oder Verkehr", sagte Matt Hale, stellvertretender Vorsitzender der National Parents Organization, einer Interessenvertretung, die früher unter dem Namen Fathers and Families bekannt war. "Kindern den gleichen Zugang zu beiden Elternteilen zu gewähren, ist einfach gesunder Menschenverstand." Väter wie Hale und Holdsworth fanden bei Abgeordneten wie Jason Nemes, einem Abgeordneten des Staates Kentucky, ein offenes Ohr, dessen Vater nach der Scheidung seiner Eltern sein Hauptvormund war.
Kentucky verabschiedete 2018 als erster Bundesstaat ein Gesetz, das das gemeinsame Sorgerecht zur Standardregelung bei Scheidungen und Trennungen machte. Vier weitere Bundesstaaten – Arkansas, West Virginia, Florida und Missouri – haben seitdem eigene Versionen des Sorgerechtsgesetzes von Kentucky verabschiedet. Rund 20 weitere Bundesstaaten erwägen ähnliche Gesetze oder stehen kurz davor, wie eine Analyse der National Parents Organization zeigt.
Das Gesetz ist zum Vorbild für andere Bundesstaaten geworden, nicht zuletzt, weil die Scheidungsrate in Kentucky stark gesunken ist. Zwischen 2016 und 2023 sank sie um 25 Prozent, verglichen mit einem landesweiten Rückgang von 18 Prozent, wie aus einer Analyse des National Center for Family & Marriage Research der Bowling Green State University hervorgeht.
Hale bezeichnet den Rückgang der Scheidungsrate als unbeabsichtigten Vorteil des Sorgerechts. Er vermutet, dass Eltern zunehmend zusammenbleiben, weil sie wissen, dass sie so oder so regelmäßig Kontakt haben werden. "Sie können es also genauso gut klären." Er fügte hinzu, er habe Geschichten von Paaren gehört, die sich aufgrund der Annahme des gemeinsamen Sorgerechts gegen eine Trennung entschieden hätten und Jahre später froh seien, zusammengeblieben zu sein.
Die folgenden Absätze stellen die uns sattsam bekannte feministische Gegenposition dar, dass es slchen Väter ja doch nur ums Geld ginge und das geteilte Sorgerecht von gewalttätigen Männern benutzt würde, um Kontrolle über ihre Familie auszuüben. Danach geht der Artikel aber im großen und ganzen väterfreundlich weiter:
"Wir alle haben Kentucky beobachtet", sagte Emma Johnson, eine geschiedene Befürworterin des gemeinsamen Sorgerechts und Autorin von "The 50/50 Solution". Sie glaubt, dass es ihren Kindern am besten geht, wenn sie genauso viel Zeit mit ihrem Vater verbringen wie sie mit ihr. Johnson argumentiert, dass die Erwartung, dass Kinder zu ihren Müttern gehören, Frauen zurückhält. "Ich komme beruflich nicht weiter, wenn ich mir ständig frei nehme, um ein krankes Kind abzuholen", sagte Johnson, die in Richmond, Virginia, lebt.
(…) Väterrechtsaktivisten finden das Beispiel Holdsworths in Bowling Green ermutigend. Er ist überzeugt, dass das Gesetz ihm ermöglicht hat, eine wichtigere Rolle im Leben seiner Söhne zu spielen. Seine Hingabe für seine Kinder ist überall in seinem Zuhause spürbar. Obst und Müsliriegel liegen ordentlich auf den Küchenarbeitsplatten, und gerahmte Highschool-Zeugnisse schmücken die Wände, neben einer Tabelle, die den Dollarwert jedes A auflistet. "Ich habe angefangen, sie für ihre Noten zu bezahlen, weil ich sage, das ist ihr Job", sagte Holdsworth.
Er könne sich 30 Dollar für lauter Einsen leisten, fügte er hinzu, weil der Sorgerechtsrichter entschieden habe, dass Holdsworth keinen Unterhalt mehr zahlen müsse. Kürzlich entschied der Gesetzgeber von Kentucky, dass Eltern, die mehr Zeit mit der Betreuung ihrer Kinder verbringen, weniger Unterhalt zahlen sollten. Seine Ex-Frau reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.
Einige Rechtswissenschaftler befürchten jedoch, dass finanzielle Anreize das Wohl der Kinder trüben. "Ein großes Problem bei diesem Gesetz ist, dass viele Väter behaupten, sie wollten ein 50:50-Sorgerecht, obwohl sie eigentlich nur eine Reduzierung des Kindesunterhalts wollen", sagt Ralph Richard Banks, Professor für Familienrecht in Stanford.
Holdsworth sagt, bei etwa einem Drittel der Männer, die er durch die Väterrechtsbewegung kennengelernt habe, sei es offensichtlich gewesen, dass es ihnen nur ums Geld ginge. Doch, so Holdsworth, "die meisten Väter wollen ihre Kinder aus den richtigen Gründen."
In Henderson, Kentucky, trennten sich der 32-jährige Jordan Pyles und seine 29-jährige Ex-Freundin Ashlyn Harrell, als sie noch mit ihrer Tochter Brileigh schwanger war. Pyles sagte, er habe nicht annähernd so viel Zeit mit Brileigh verbringen können, bis Kentuckys Parlament mit der Debatte über das 50-50-Gesetz begann, als sie drei Jahre alt war. Er erklärte, seine Ex sei dem gemeinsamen Sorgerecht gegenüber aufgeschlossener geworden, als sie wusste, dass es Gesetz werden würde. "Jeder Tag, den ich nicht bei meiner Tochter war, war ein Tag weniger ihrer Kindheit und ein Tag weniger, an dem ich ihr Leben positiv beeinflussen kann", sagte Pyles, der im Baugewerbe arbeitet.
Harrell sagte, sie sei überrascht gewesen, wie gut die gleichberechtigte Aufteilung der Elternschaft funktioniert habe. Das Wissen, dass sie und Pyles gleichermaßen an Brileighs Leben beteiligt seien, habe ihnen eine bessere Zusammenarbeit ermöglicht, sagte sie.
"Als wir anfingen, hatte ich Angst und war nervös", sagte Harrell, eine Hausfrau. "Jordan und ich sind zwei sehr unterschiedliche Menschen, daher war es beunruhigend. Aber größtenteils hat es wirklich reibungslos geklappt."
Die elfjährige Briliegh Locke-Pyles kann sich nicht erinnern, dass sie jemals nicht gleich viel Zeit mit ihren Eltern, ihren Stiefeltern und ihren Halbgeschwistern verbracht hat. Sie tanzt in der Küche ihres Vaters herum und knabbert Popcorn. Sie sagt, es täte ihr leid für ihre Freunde, die nicht so viel Zeit mit ihren geschiedenen Eltern verbringen können.
"Das Schönste sind definitiv drei Weihnachten", sagte sie und zählte die bei ihrer Mutter, ihrem Vaters und ihren Großeltern auf. "Aber im Ernst, wahrscheinlich ist das Schönste, dass ich nicht so lange auf eine Seite meiner Familie verzichten muss."
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