Sonntag, September 24, 2017

Fünf Tipps nach dem Fiasko: Was die Linke tun kann, um vergrätzte Wähler zurück zu gewinnen

"Die AfD kann nur so stark sein, wie mies ihre Gegner sind. Sie wird sehr stark."



Die Prognose zur Bundestagswahl ist deutlich: Die Sozialdemokraten sind auf 20 Prozent herunter gekracht, liegen gerade einmal sechseinhalb Prozent vor der AfD. Die "30 Prozent plus x", die der SPD-Wahlkampfleiter Hubertus Heil seiner Partei vorhergesagt hatte, erweisen sich als reine Utopie. Rechnet man dann noch all die Menschen ein, die aus Frustration gar nicht mehr erst zur Wahlurne geschritten sind, wird deutlich, von wie wenigen Bürgern die SPD noch als Regierungspartei gewünscht wird.

Bezeichnenderweise gibt es auch keine andere linke Partei, die dieses Zepter übernehmen könnte. Die aktuelle Wahl wurde für das linke Lager insgesamt zu einem Fiasko. Keine vierzig Prozent konnte es auf sich vereinigen. "Warum rückt das Land eher nach rechts als nach links?" titelte "Die Zeit" treudoof vergangene Woche. Ja, warum?

Ein Vorfall, der sich vor einigen Wochen abspielte, veranschaulicht beispielhaft, woran es im linken Lager krankt. Das SPD-Propagandablatt "Vorwärts" hatte einen Artikel zur häuslichen Gewalt veröffentlicht, der die Hälfte der Opfer (alle Männer) weitgehend ausblendete. Der Artikel war Teil einer angeblichen "Feminismus-Debatte", die keine Debatte war, weil sämtliche veröffentlichten Beiträge linientreu im Sinne des Feminismus ausgerichtet waren. Als das Leser des Blattes in einer Kommentarspalte unter dem Artikel beanstandeten, behauptete der "Vorwärts"-Chefredakteur Kai Doering, die Debatte habe ausfallen müssen, weil er niemanden für eine Gegenposition gefunden habe. Und als ihm darauf entgegengehalten wurde, dass ich sicherlich als Experte zur Verfügung stünde, fiel Döring keine bessere Antwort ein, als mich zu verleumden: "Dass ein Autor wie Arne Hoffmann, der regelmäßig für ein Medium der Neuen Rechten schreibt, für uns nicht in Betracht kommt, werden Sie sicher verstehen."

Nun ist Doerings Behauptung nachweislich falsch. Man kann noch nicht einmal mit Berufung auf die Meinungsfreiheit tricksen und argumentieren, dass man irgendein Magazin, für das ich regelmäßig schreibe, eben als Medium der Neuen Rechten einordnet. Denn ich schreibe seit Jahren für ÜBERHAUPT KEIN Magazin regelmäßige (oder auch nur unregelmäßige) Beiträge. Doerings Behauptung ist falsch, egal wie man sich hier auch dreht und windet. Darauf habe ich Doering auch per Mail aufmerksam gemacht. Wenig überraschend habe ich darauf nicht einmal eine Antwort erhalten. Wie hätte sie auch lauten sollen? "Ja, das war gelogen, Herr Hoffmann, aber es ist Wahlkampf und wir stürzen gerade in Richtung 20 Prozent ab, das müssen Sie verstehen ..." Kai Doerings rufschädigende Falschbehauptung steht weiter online.

Es wurde hier also eine Falschdarstellung durch eine zweite und diese durch eine weitere gedeckt. Das kann gutgehen, solange man als einflussreiche Partei die Leitmedien gut unter Kontrolle hat. In den Zeiten des Internets allerdings fliegt diese Taktik unweigerlich auf. Ähnlich wie bei dem Märchen von den 21 Prozent Lohndiskriminierung verstrickt sich die SPD vor aller Augen in ihrem Lügengespinst und steht inzwischen als "Fake-News"-Partei da, die mit der Wahrheit Schindluder treibt. Immer mehr Wähler bekommen mit, dass für Sozialdemokraten moralische Kriterien hinter dem Propagandaauftrag zurückstehen. Angewidert wenden sie sich ab.

Dabei sieht es im linken Lager insgesamt duster aus. Was zum Beispiel war in der Walhlkampfphase DIE große Meldung über die Grünen, über die etliche Medien berichtet haben so wie Jahre zuvor über Kindesmissbrach und Veggie-Day? Es gab eigentlich nur eine: der irre Internetpranger der Heinrich-Böll-Stiftung, in dem liberale Journalisten ebenso auftauchten wie echte Akteure von Rechtsaußen. Man hatte den Eindruck, dass Menschen schlicht dafür in diesen schwarzen Listen auftauchten, weil sie geschlechterpolitisch das grüne Weltbild nicht teilten. Nun liegen die Grünen laut der aktuellen Prognose gerade mal bei 9,5 Prozent. Zugegeben: Es war in Deutschland schon früher möglich, die Mehrheit der Bevölkerung ideologisch auf die Linie einer bestimmten Partei zu trimmen. In der liberalen Demokratie des Jahres 2017 allerdings wird dieser Versuch zum Bumerang: Die Grünen sind zwar immer noch im Bundestag, liegen aber lediglich auf Platz sechs.

Womöglich haben linke Parteien gute Argumente dafür, warum sie von den Bürgern gewählt werden sollten. Dann finden sich diese Argumente wohl in linken Publikationen – Publikationen, die mit sexistisch-rassistischen Artikelreihen wie "dumme weiße Männer" Leser massiv abgeschreckt haben, die für solche Argumente zugänglich gewesen wären. Jetzt fassen wir diese Blätter nicht mal mehr mit der Kneifzange an. Sexismus und Rassismus von links sind zum Rohrkrepierer geworden: Wer derart geifert, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm immer weniger Menschen zuhören.

Sobald man aber diese Ursachen für die linke Misere erst einmal erkannt hat, fällt es leicht, Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Folgende fünf Ratschläge würde ich den linken Parteien und ihren Medien geben:

1. Hört auf zu lügen. Hört einfach mal auf zu lügen, und sei es nur versuchsweise für eine bestimmte Zeit. Nur um zu schauen, wie sich das anfühlt. Wenn ihr dabei feststellt, dass ihr eure Ideologie ohne solche Lügen nicht aufrecht erhalten könnt, dann verändert eure Ideologie. Und wenn eure Meinungsführer mit der Wahrheit ein ernsthaftes Problem haben, wechselt diese Leute besser aus.

2. Seid zumindest ein bisschen weniger Arschloch. Natürlich braucht keiner von euch auf eine Mail zu antworten, in der ihr aufgefordert werdet, Verleumdungen zu unterlassen. Schließlich ist die SPD immer noch bei weitem mächtiger als die verleumdete Einzelperson. Aber eure Arroganz der Macht beißt sich damit, dass sich eure Spitzenkandidaten durch die Talkshows als Anwälte des kleinen Mannes heucheln. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist unübersehbar. Lernt stattdessen, auf Menschen einzugehen, die den Kontakt mit euch suchen, auch wenn sie eure Meinung in manchen Fragen nicht teilen. Bietet ein großes Zelt für Menschen mit unterschiedlichen Ansichten an, beispielsweise für Männerrechtler ebenso wie für Feministinnen, statt so viele Menschen wie möglich von euch zu stoßen – um euch dann mit großen Augen zu wundern, dass ihr nur noch so wenige Unterstützer habt.

3. Versucht, Menschen mit Argumenten für euch zu gewinnen, statt Dissidentenlisten über sie anzulegen und jeden als "Rechten" zu etikettieren, der eure Lügenmärchen auffliegen lässt. In den letzten Jahren habt ihr enorme Energie darauf verschwendet, Linke zum politischen Gegner oder in die innere Emigration zu treiben. Das Gegenteil wäre klüger gewesen.

Dabei solltet ihr die Wähler nicht unterschätzen: Unser Gedächtnis reicht über eine Legislaturperiode hinaus. Ich weiß wirklich nicht, liebe Sozialdemokraten, was ihr euch bei eurer Rufmordkampagne damals gedacht hattet, mit der ihr eine soziale Emanzipationsbewegung an den rechten Rand rücken wolltet: "Och, die Doofis haben das in ein paar Jahren vergessen und wählen dann brav wieder die SPD. Da sie in Wirklichkeit Linke sind, bleibt ihnen ja sowieso nur eine Partei in unserem Lager übrig. Wenn es ganz eng wird, muss eine unserer Ministerinnen eben kurz vor der Wahl erklären, dass Geschlechterpolitik punktuell auch irgendwie für Männer da sein sollte." Ich fürchte, der Fluch der bösen Tat schadet euch deutlich länger.

Auch wenn ihr für Konzepte wie "Gender" werben möchtet, dann sagt den Menschen, was sie von solchen Konzepten haben, statt Kritiker dieser Vorstellungen als reaktionär und ewig-gestrig abzuwerten. Keine Firma verkauft Schokoriegel, indem sie diejenigen beschimpft, denen dieser Riegel nicht schmeckt. Wenn ihr natürlich nichts findet, womit ihr der männlichen Hälfte der Wähler (und vielen Frauen) "Gender" attraktiv machen könnt, tja ...

4. Erobert frühere linke Werte wie den Universalismus zurück, statt Menschen wegen ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe abzuwerten.

5. Eine Geschlechterpolitik, deren Macher merken, dass Männer auch wählen dürfen, wäre überhaupt mal eine Idee. Ja, Ministerin Barley tastet sich angeblich gerade in diese Richtung vor. Doch Barley gehört zur SPD, die sich bisher vor allem als Anti-Männer-Partei positioniert hat und auch sonst, siehe oben, ein massives Glaubwürdigkeitsproblem hat. Wenn sich Sozialdemokraten also erst unmittelbar vor einer bevorstehenden Wahlschlappe ansatzweise von ihrem Sexismus zu lösen scheinen, ist das zu wenig zu spät. Viele Männer dieses Landes sind selbstbewusster und fordernder geworden und möchten sich nicht mit ein paar Brotkrumen zufrieden stellen lassen.

Jemand, der oft besser die richtigen Worte findet als ich, ist der Gymnasiallehrer und Blogger Lucas Schoppe, weshalb ich das Mikro an dieser Stelle gern an ihn weiterreiche. Vor ein paar Tagen nämlich hakte Schoppe bei der Feststellung ein, dass im Rechtspopulismus häufig "mit Vereinfachungen, Freund-Feind-Mustern oder der Imagination einer geschlossenen Gruppenidentität gearbeitet wird":

Nur ist eben die Vorstellung völlig falsch, wir hätten einen zivilen. demokratischen, humanen, weitgehend herrschaftsfreien politischen Diskurs gehabt – in den dann, Gott allein weiß warum, die destruktiven Rechtspopulisten eingedrungen seien. Als verrohte, versoffene Partycrasher einer gut funktionierenden zivilen Gesellschaft.

Das aber ist völlig daneben, und mehr noch: Es ist eine Interpretation, mit der demokratische Linke, Liberale und Konservative Leuten wie Trump, Le Pen oder auch Gauland die Menschen regelrecht zutreiben.

Die Rechtspopulisten greifen Teile des Diskurses auf und benutzen sie für die Formulierung ihrer Positionen. Was übrigens prinzipiell erstmal völlig legitim ist. Das heißt aber auch: Wer ihnen wirklich etwas entgegensetzen will, wird um Selbstkritik nicht herumkommen. Die Rechtspopulisten sind gleichsam die missratenen Kinder eines politischen Diskurses, dessen Akteure flächendeckend eben diese Fähigkeit zur Selbstkritik verloren oder gar gezielt verbuddelt haben. Wer allein auf Ausschluss setzt, der wird sie stärken.

(...) Ich bin mir sicher, dass die AfD ein gutes Ergebnis bekommen wird. Dies nicht darum, weil viele Menschen das strunzdumme Rechtsaußen-Gequatsche von Typen wie Gauland oder Höcke insgeheim toll finden – sondern weil sie das Gefühl haben, anders als mit einer Stimme für die AfD könne kein Signal für die Notwendigkeit von Veränderungen gesetzt werden.

Was also dagegen getan werden könnte, ist: zu zeigen, dass die etablierte politischen Strukturen sehr wohl veränderungsfähig sind, dass sie offen sind für neue Informationen, dass sie Daten zur sozialen Realität vieler Menschen angemessen verarbeiten und für neue Probleme neue Lösungen generieren können.

Ironischerweise greift der Rechtspopulismus eben gerade die Aspekte des etablierten Diskurses auf, die dessen Starrheit und Lethargie begründen: das Einbuddeln in Ressentiments – im Freund-Feind-Denken – das Ausblenden störender empirischer Daten.

Deshalb wird von dort auch keine konstruktive Veränderung kommen können. Eine Änderung ist nach meiner Überzeugung nur möglich, wenn die etablierten Akteure und Institutionen sich mit ihrer eigenen Verantwortung für die Zuspitzung politischer Feindschaften auseinandersetzen, anstatt diese Verantwortungen rituell den ANDEREN zuzuweisen, den rechtspopulistischen Partycrashern.


Die linken Parteien haben es selbst in der Hand, für viele Wähler wieder attraktiver zu werden. Ein Prozess der grundlegenden Läuterung ist dabei unabdinglich. Hinz und Kunz rechtes Gedankengut zu unterstellen, um diese Menschen aus dem politischen Diskurs auszugrenzen – diese Strategie hat gerade krachend versagt. Und es ist mir schleierhaft, wie das linke Lager glauben konnte, diese Strategie fahren zu können, ohne dass man zuletzt eine Partei wie die AfD in ihrer jetzigen Stärke im Parlament sitzen hat.

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