Lesermail (maskulistische Analyse weist Sexismus deutscher Medien nach)
Heute Morgen veröffentlichte Genderama eine Lesermail "Max Kuckucksvaters", in der es hieß:
Spiegel-Online vermeldet himmelhochjauchzend, dass tatsächlich ein 16-jähriges Mädchen einen bedeutenden Fund gemacht hat. Sie fand einen alten Zahn. "Frankreich: 16-Jährige findet 560.000 Jahre alten Menschenzahn" Doch wer weiter im Text ließt, dem wird auffallen, dass sie nicht alleinig die Finderin war, wie mit der Titelzeile und in der Texteinleitung suggeriert wird. Sie fand den Zahn zusammen mit einem auf dem Foto nicht viel älter wirkenden Jungen namens Valentin Loescher, der im Text schlicht als Helfer betitelt wird.
Zwei Genderama-Leser haben sich diese Geschichte etwas gründlicher angesehen.
Der eine schreibt mir:
Interessant wird es, wenn man andere Berichterstattungen zum Thema liest, z.B. im Guardian, wo es heißt:
"Valentin Loescher, 20, was volunteering alongside Camille Jacquey, 16, on his first summer archaeological dig at the Arago cave near Tautavel, when he discovered the tooth. Loescher, a history of art student from Metz, told France Television that while Jacquey was on a break he had been carefully brushing a mound of soil in his excavation area that featured lots of remains of large animals, when he found the small remains of a tooth."
Also nicht nur, dass er nicht ihr Helfer war – er hat offenbar allein weiter gearbeitet und den Zahn gefunden, während sie gerade mal eine Pause gemacht hat.
Der andere Genderama-Leser hat eine Recherche via Google vorgenommen und schreibt mir dazu:
Ich hatte nicht die Zeit, um allen Ergebnissen nachzugehen, aber wer die Namen der beiden jugendlichen Hobbyarchäologen googelt, kann sich schnell ein Bild davon machen, dass auf deutschen und österreichischen Webseiten grundsätzlich das Mädchen als Finderin groß herausgestellt wird, während Seiten aus anderen Ländern überwiegend von beiden Jugendlichen als Finder sprechen. Beim englischen Guardian und auf der französischen Seite francetvinfo.fr wird der Junge als Finder genannt, auf der französischen Seite wird sogar ein Interview mit dem Jungen veröffentlicht, in dem er davon erzählt, wie er den Zahn ausgegraben hat. In einem weiteren französischen Artikel wird der Junge sogar zitiert mit: "Je ne joue pas au Loto, mais je devrais peut-être" (etwa: "Ich spiele kein Lotto, aber ich sollte es in Zukunft vielleicht tun.").
Beim kanadischen Fernsehsender CBC sind es wieder beide. Ebenso auf der Schweizer Seite watson.ch. Auch die spanische Seite La Nueva Espana spricht von zwei Jugendlichen als Findern. Ebenso die spanische Seite Faro de Vigo.
Auf den deutschen Seiten der Welt sowie von n24, n-tv, der Nordwest-Zeitung und so weiter wird durchweg das Mädchen als Finderin genannt.
Auch in Schweden ist auf Feminismus noch Verlass. Hier war es wieder das Mädchen, der Junge wird im Artikel gar nicht erst erwähnt. Nur wer sich die Fotoserie ansieht, erfährt von ihm aus den Bildern und Bildunterschriften. Als Quelle ist bizarrerweise der Guardian (bei dem der Junge als Finder genannt wird) angegeben und verlinkt. Der Link führt allerdings auf keinen Guardian-Artikel, man landet einfach wieder auf demselben schwedischen Artikel.
In der Daily Mail hat auch das Mädchen den Zahn gefunden. In der Bildunterschrift unter dem Foto von den beiden, wo also die Existenz des Jungen schlicht nicht mehr zu leugnen ist, werden sie dann doch noch als die gemeinsamen Entdecker dargestellt.
Mich als studierten Medienwissenschaftler begeistert und fasziniert diese Analyse. Sie macht bewusst, dass die immense Prägung deutschsprachiger Artikel im Sinne der feministischen Ideologie nicht allein durch die einseitige Gewichtung von Argumenten geschieht, sondern bereits mit der Wiedergabe scheinbarer "Tatsachen" bei so einfachen Dingen wie einem gefundenen Zahn beginnt.
In früheren Genderama-Blogbeiträgen hatte ich ja bereits darauf hingewiesen, dass deutschsprachige Artikel zwar immer wieder Mädchen als Opfer besonders hervorheben (Beispiel Boko Haram), aber wenn in englischsprachigen Originalbeiträgen von "Jungen" als Opfer die Rede ist, deutsche Journalisten das gerne als "Kinder" übersetzen.
Die gleichlautenden Darstellungen in den unterschiedlichsten deutschen Medien beruhen darüber hinaus meines Erachtens darauf, dass sie sich auf dieselben Agenturmeldungen beziehen, die von Journalisten in der Regel nicht mehr gegenrecherchiert werden. Wenn also etwa Sexistinnen in der dpa das Mädchen zur Finderin erklären, dann gerinnt dies hierzulande zu massenmedialer Wirklichkeit – noch effektiver als so mancher ähnlich tendenziöse Quatschbeitrag in der Wikipedia.
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