Montag, April 27, 2015

Zur Gesterkamp-Debatte: Warum werden viele Linke gegenüber Andersdenkenden derart rabiat?

Nach diesem Beitrag über Thomas Gesterkamp machte mich ein Leser auf einen Artikel Alexander Ulfigs aufmerksam, der mehr in die Tiefe geht. Nachdem Ulfig in einem historischen Abriss darstellt, wie die marxistische-leninistische Weltsicht linke Ethik prägte, gelangt er zur gegenwärtigen Situation:

Eine Studie von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin belegt, dass linksextreme Einstellungen in Deutschland weit verbreitet sind. Ein Sechstel der bundesrepublikanischen Bevölkerung weist eine "linksradikale/linksextreme Haltung" auf. Von den als "linksextrem" eingestuften Personen sprechen sich 14 Prozent für Gewaltanwendung aus, Ein Fünftel der Bevölkerung befürwortet sogar eine Revolution, was ebenfalls Akzeptanz von Gewalt bedeutet.

Die von Linksextremisten verübte Gewalt hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Ca. 30 bis 40 Prozent der Gewalttaten werden von sog. "nichtextremistischen Linken" verübt, was bedeutet, dass auch "demokratische", 2relativ gemäßigte, wenn auch radikale Linke" Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung akzeptieren. Diesen Linken ist es gelungen, in einigen Bereichen der Gesellschaft großen Einfluss zu gewinnen, so z.B. in den politischen Parteien und in den Medien. Linksextremismus ist somit in die Mitte der Gesellschaft eingesickert.

Weitere Ergebnisse der Studie sind: Knapp 60 Prozent der Ostdeutschen und 37 Prozent der Westdeutschen halten den Sozialismus/Kommunismus für eine "gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt worden sei …". Für 42 Prozent ist "soziale Gleichheit" wichtiger als "Freiheit des Einzelnen". Rechtsextremisten – oder solchen, die sie dafür halten – wollen 37 Prozent der Befragten das Demonstrationsrecht – also ein anerkanntes Menschenrecht – verweigern.

Die in der Studie aufgezeigten Tendenzen zeugen vom Fehlen einer moralisch-ethischen Grundhaltung in Teilen der politischen Linken, einer Grundhaltung, die sich an allgemeingültigen moralischen Werten und Normen orientieren würde. Dieses Desiderat im Denken und Handeln vieler Linker möchte ich anhand ihres Verhältnisses zu Feminismus-Kritikern veranschaulichen.

Feminismus-Kritiker werden von Personen, die links sind bzw. sich als links bezeichnen oder als links fühlen, diffamiert, in die rechte Ecke gestellt, ausgegrenzt und sogar bedroht. Der renommierte Geschlechterforscher Gerhard Amendt, der feminismuskritische Thesen vertritt, musste auf mehreren Kongressen wegen Gewaltdrohungen linker Gruppen mit Leibwächtern erscheinen.

Zwar wurde er zu einer Diskussion zur Frauenquote an der TU Berlin eingeladen, doch dann auf Druck von linken Gruppen wieder ausgeladen. In einem Offenen Brief an die Fachschaft der TU Berlin prangert er die Beschneidung von Freiheitsrechten wie Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit an.

Ein ähnliches Schicksal erlitt der israelische Historiker Martin van Creveld, der an der Universität Trier die Vortragsreihe "Krieg und Frauen" abhalten wollte. Nach seinem ersten Vortrag wurde er auf Druck des von linken Gruppen dominierten Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Trier ausgeladen, weil er Thesen vertrat, die feministischen Vorstellungen widersprachen und angeblich "frauenfeindlich" waren. Martin van Creveld kommentierte seine Ausladung damit, "dass einige deutsche Studenten nichts aus der Bücherverbrennung von 1933 gelernt" haben.

Es sind aber nicht nur kleine linke Splittergruppen oder kleine linksautonome Gruppen, die eine offene, freie und sachliche Diskussion mit Andersdenkenden verweigern, sie diffamieren, ausgrenzen und in ihren Grundrechten beschneiden. Auch Organisationen, die in der linken Tradition stehenden Parteien nahestehen, beteiligen sich an dieser Hetze gegen Feminismus-Kritiker. So werden in einer "Expertise" der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung unter dem Titel "Geschlechterkampf von rechts" Feminismus-Kritiker und Männerrechtler – unter ihnen der oben erwähnte Gerhard Amendt – pauschal in die rechte Ecke gestellt, ohne dass sich der Autor der "Expertise" Thomas Gesterkamp auch nur ansatzweise mit den Argumenten der von ihm diffamierten Personen auseinandersetzen würde.

In der von der Heinrich-Böll-Stiftung, die den GRÜNEN nahesteht, herausgegebenen Magisterarbeit des Soziologen Hinrich Rosenbrock "Die antifeministische Männerrechtsbewegung" werden sogar Parallelen zwischen der Haltung des Massenmörders Anders Breivik und feminismuskritischen und männerrechtlichen Positionen konstruiert. Solche Diffamierungen werden von den Leitmedien, insbesondere von Leitmedien, die sich als links bezeichnen, z.B. der taz, bereitwillig übernommen und verbreitet.

Die Bekämpfung von Andersdenkenden mittels Diffamierung ist "moralisch verwerflich", so der Feminismus-Kritiker Günter Buchholz. Er fährt fort: "Wissenschaftlich und fair ist es hingegen, die inhaltlichen Kritikpunkte aufzunehmen und möglichst vorurteilsfrei zu prüfen und sich einem offenen kontroversen Diskurs zu stellen. Dazu gehört: den Gegnern zuhören, sich auf die Argumente der Gegner mit eigenen sachlichen und konstruktiven Gegenargumenten einlassen und konstruktiv nach Lösungen der bestehenden Probleme suchen. (…) Insbesondere – aber nicht nur – jene, die für sich beanspruchen, eine linke, eine emanzipative Politik zu betreiben oder zu fördern, sind gehalten, sich kommunikativ korrekt zu verhalten, wenn sie ihrem eigenen Anspruch nicht zuwiderhandeln wollen."

Ob jedoch dieser Anspruch, der fundamentale diskursive und nicht-diskursive moralische Normen beinhaltet, vielen, sich als links bezeichnenden Personen bewusst ist, wage ich zu bezweifeln, denn das Fehlen einer moralisch-ethischen Grundhaltung ist für weite Teile der linken Denktradition konstitutiv, und zwar seit den Anfängen dieser Denktradition bei Karl Marx und Friedrich Engels. Beide Denker haben es versäumt, ihre Lehre auf ethische Fundamente zu stellen oder wenigstens ethische Aspekte zu berücksichtigen. Das hatte und hat bis heute verheerende Folgen für eine sich links gebärdende Politik. Nur eine Umorientierung, eine tiefgreifende Änderung des linken Selbstverständnisses könnte hier Abhilfe schaffen.


Hier findet man den vollständigen Artikel.

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