Lisa Ludwig: Wie "50 Shades of Grey" den Missbrauch von Jungen sexy macht
Wer das Buch "50 Shades of Grey" gelesen oder seine Verfilmung gesehen hat, weiß, dass Christian Greys teils hochproblematisches, aber als "erotisch" codiertes übergriffiges Verhalten gegenüber Anastasia dadurch erklärt wird, dass er von seinem 15. bis zu seinem 21. Lebensjahr von einer Freundin seiner Mutter als Sexsklave benutzt wurde. Lisa Ludwig sieht diese Präsentation des Themas sexueller Missbrauch als hochproblematisch an:
Da steht ein Mann, der missbraucht wurde, und glaubt, dass es OK ist. Weil diese Frau ihm erfolgreich eingeredet hat, dass sie die Einzige ist, die ihn versteht. Weil er immer noch Kontakt mit ihr hat. Vielleicht auch, weil es einen grundlegenden Unterschied darin gibt, wie man mit der Vergewaltigung an einem pubertierenden Mädchen und mit der an einem pubertierenden Jungen in der Gesellschaft umgeht. Und alles, was der Film uns sagt, ist: Alles in Ordnung. Er wollte es ja auch. Das hat ihn erst zu diesem sexy und zugleich tiefgründigen Biest gemacht, das er jetzt ist. Denn Missbrauch ist kein Verbrechen, sondern macht Menschen erst so richtig begehrenswert und interessant. Wohoo! Nächste Szene.
Ganz abgesehen von der Tatsache, dass soziale Störungen und tiefe Traumata mit schmissigem Soundtrack und schönen Kamerafahrten zu einer Art prickelndem erotischen Fetisch stilisiert werden, zeigt der Erfolg der Grey-Reihe auch einfach, was für ein abgefucktes Männerbild eigentlich viele haben. Reich soll er sein, schön und perfekt gebaut, bestimmend und immer dann fordernd, wenn es der Frau aus Entscheidungsfaulheit oder sexuellem Interesse gerade passt. Die Welt soll er ihr erklären, sie galant durch den Alltag führen und jede gemeinsame Stunde zu einem Abenteuer machen. Er muss kuscheln und sich öffnen, darf gleichzeitig aber auch nicht zu viel von sich preisgeben.
Wenn Frauen ein nahezu unerreichbares Körperideal vorgehalten wird, sieht sich der Mann in der heutigen Gesellschaft mit einem komplett schizophrenen Wunschbild konfrontiert, an dem man nur zerbrechen kann. Christian Grey ist — und das mag absolut nicht beabsichtigt sein — das Resultat dieses Werbeplakat meets Profilneurose-Wahnsinns. Ein psychisch gebrochener, zutiefst verunsicherter Mann, der so viel Angst davor hat, abgelehnt oder allein gelassen zu werden, dass er Kontrolle über jeden ausüben muss, der ihm nahe kommt.
Hier findet man den vollständigen Artikel, der in jede Sammlung maskulistischer Filmkritik gehört.
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