Dienstag, August 12, 2014

Lesermail (Studieren Frauen erfolgreicher?)

Zwei Genderama-Leser können sich meinem Blogbeitrag von heute Morgen nicht anschließen. Der erste schreibt mir:

Hallo Herr Hoffmann,

ich kann Ihren Kommentar zu den vermeintlich erfolgreicher studierenden Frauen nicht nachvollziehen, da sich mir der unmittelbare Zusammenhang zur Jungenkrise nicht erschließt. Begründung:

1) Vergleich von Äpfeln und Seeschnecken. Es ist hinreichend bekannt das Männer bei sehr anspruchsvollen Studien stark in der Überzahl sind, an MINT scheitern eben mehr Leute als an vielen anderen Fächern, wo man sich mit diszipliniertem Lernen und Anpassung im Zweifel doch leichter durchboxen kann. Indirekt bestätigt das ja auch der Artikel in der Presse: "Die größte Kluft zwischen den Geschlechtern gibt es an der Musik-Uni Wien" vs. "An der Wirtschaftsuniversität (WU), der Technischen Universität (TU) Wien, der Medizin-Uni Innsbruck und der Montanuni Leoben sind die Erfolgsquoten der Geschlechter gleich hoch. An der Uni Linz sind die Männer sogar etwas erfolgreicher" – man sollte noch hinzufügen dass Linz stark MINT-lastig aufgestellt ist.

2) In Linz gab es gerade den Aufnahmetest für die neue Med-Uni. Wieder waren die Männer erfolgreicher. Die Männer sind so notorisch besser bei derlei Tests, die unmittelbar die Leistung messen, weshalb inzwischen die Testkriterien an manchen Unis verzerrt werden, um Frauen einen Vorteil zu verschaffen: Das ist ein Indiz dafür, dass die jungen Männer trotz all der evidenten Nachteile in der Schule doch irgendwoher die Energie nehmen durchzustarten. Oder geraden wegen der dieser Nachteile? Das Phänomen hat jedenfalls Erklärungsversuche provoziert:

"Frauen haben bei gleichen Schulnoten deutlich schlechtere Testleistungen, und zwar durchgängig für alle Schulnoten. Die Unterschiede sind substanziell."

Übersetzt: Nicht nur die Buben werden in ihrer Schulzeit um eine faire Bewertung betrogen, sondern vor allem die Mädchen, indem man ihnen in den zwölf Jahren bis zur Matura Leistungsqualitäten vorgaukelt, die so gar nicht bestehen. Wer jahrelang in Sicherheit gewogen wird, dass die belohnten "Mädcheneigenschaften" zum Erfolg führen, der muss annehmen, dass dies auch nach der Schule so funktionieren wird. Selbst wenn man Schulnoten vernünftigerweise nicht allzu ernst nimmt, so dämmert in ihnen bereits die Enttäuschung für die Zeit nach der Matura. Bereits für den EMS-Test fällt der "Betragensbonus" weg, und für viele Berufe entpuppt sich die jahrelange Täuschung schließlich als – jetzt tatsächliches – Gender-Desaster.

3) Ein guter Teil der (revolutionären) Informationstechnologie mit der wir in diesem Moment arbeiten, wurde von Leuten entwickelt (praktisch alles Männer!), die in der Statistik der Presse als wenig erfolgreiche Studenten oder Studienabbrecher aufscheinen würden. Viele sensationell erfolgreiche Unternehmer und Entwickler haben ihr Studium hingeschmissen, weil sie ihre Zukunftschancen jenseits des Universitätsbetriebs gesehen haben. Und wenn man sieht, wie teilweise akademische Standards sinken, was für ein studentischer Viehtrieb in vielen Fächern stattfindet und wie finanziell unterversorgt etliche Universitäten sind, kann man sich leicht vorstellen, dass es für viele ehrgeizige und fähige Männer nicht zwingend ist, ein Studium durchzuziehen, wenn sich vorher andere Optionen auftun.

Ich denke also nicht, dass die Effekte der Jungenkrise daran abzulesen sind, dass junge Männer an den Unis insgesamt schlechtere Noten und weniger Abschlüsse machen. Vielleicht sagt das vielmehr etwas über eine nachteilige qualitative Entwicklung der Unis in den letzten Jahrzehnten aus und nicht über eine Schwäche junger Männer – oder vielleicht hängt das mit ganz anderen Faktoren zusammen. Die Jungenkrise schlägt dagegen viel früher zu, insofern als Jungs in Hauptschulen geschickt werden und generell weniger oft zur Studienreife gelangen. Das raubt vielen jungen Männern natürlich Zukunftsmöglichkeiten. Andererseits leben wir zunehmend in Zeiten, wo ein qualifizierter Facharbeiter sich in einer besseren Position befinden mag, als die Absolventen und Absolventinnen bestimmter Studienrichtungen.


Und ein anderer argumentiert:

Sehr geehrter Herr Hoffmann!

Wie ich heute auf Genderama gelesen habe, ist Ihnen auch nicht der Artikel in der Presse entgangen, nach dem Frauen in Österreich angeblich erfolgreicher studieren. (Der Standard hat auch darüber berichtet.)

Sie schreiben dazu in Ihrem Posting, daß das an der einseitigen Frauenförderung liegt. Das mag zwar zu einem bestimmten Teil der Fall sein, aber ich denke, daß sich der größte Teil davon auf das Simpson-Paradoxon zurückführen läßt. Ein Hinweis darauf wäre die Tatsache, daß auf technischen Universitäten die Abschlußrate ungefähr gleich ist. Im Gegensatz zur Uni Wien zum Beispiel, auf der sowohl geistes- als auch naturwissenschaftliche Studienrichtungen angeboten werden, gibt es auf der TU Wien nur technische. Daß die Drop-Out-Rate verschiedener Studien unterschiedlich ist, sollte mittlerweile hinlänglich bekannt sein, und daß die Geschlechterverteilung sehr unterschiedlich sein kann, ebenso. Ich denke, daß der Unterschied zu einem gewissen Teil auch daher kommt, daß die Drop-Out-Rate bei Studienrichtungen, die überwiegend von Frauen gewählt werden, niedriger ist. Natürlich müßte man sich das im Detail anschauen.

Einzige Ausnahme wäre wohl Musik, aber hier könnte es daran liegen, daß sich möglicherweise mehr Frauen für die leichteren IGP-Studien (Instrumental- und Gesangspädagogik) interessieren.

Leider geht keiner der Artikel im Detail darauf ein. Lediglich in der Presse können wir lesen, daß die Uni Linz Zweifel hat, ob man quer über alle Fakultäten so einen Vergleich führen kann.

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