Lesermail (sexistische Bildungsstudie)
Genderama-Leser Andreas R. mailt mir:
Ich habe mir einmal die neue Bildungsstudie, wonach die ostdeutschen Bundesländer in den Naturwissenschaften dem Westen überlegen sind, angesehen (man kann sie hier herunterladen). Meine Anmerkungen:
Jungen sind in Mathematik besser (in allen Teilbereichen), aber in Biologie, Chemie und sogar Physik schlechter (siehe Abb. 7 von Seite 16 der Zusammenfassung)
In der Gruppe der Jugendlichen, die trotz hoher Kompetenzwerte kein starkes Zutrauen in ihre Fähigkeiten haben, sind Mädchen überrepräsentiert (S. 27 der Zusammenfassung). Für diese Jugendlichen solle man Förderprogramme etablieren: "Eine entsprechend gezielte Förderung könnte zu einer Reduktion des 'Gender Gaps' gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern beitragen". Hier wird deutlich, dass die Autoren sich einen Scheißdreck um Jungen kümmern: Eine derartige Förderung würde ja den Vorsprung der Mädchen in Biologie, Chemie und Physik vergrößern; daran denken sie aber nicht: Ihr Gender Gap in den naturwissenschaftlichen Fächern ist ausschließlich der Gender Gap an den Universitäten (und auch hier würde eine derartige Förderung die Überrepräsentanz von Studentinnen in Biologie und Pharmazie nur noch weiter akzentuieren).
Da Mädchen auch in den Naturwissenschaften besser sind, müssten eigentlich sofort alle Mädchenförderprogramme in diesem Bereich gestoppt werden und durch Jungenförderprogramme ersetzt werden. Über diese real existierende Diskriminierung von Jungen verlieren die Autoren kein Wort.
Im eigentlich Bericht gibt es zwar ein Kapitel zu Geschlechterunterschieden, aber das beinhaltet nicht wirklich Handlungsempfehlungen, sondern fast nur Statistiken (was übrigens wohltuend ist: das übliche Geschwafel über hegemoniale Männlichkeit ist nicht vorhanden).
Zwei Sachen sind mir hier aufgefallen:
- Von den vier Autoren dieses Kapitels ist eine (Christiane Penk) eine Frauenbeauftragte, die Erziehungswissenschaften und Gender Studies studiert hat und danach Praktikantin bei der "Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft" war.
- Die Sprache ist einseitig: "Da diese Ungleichverteilung [die Unterrepräsentanz von Jungen auf dem Gymnasium und die Überrepräsentanz auf Hauptschulen] auch mit dem Erwerb geringerer Bildungsabschlüsse einhergeht (siehe Abbildung 7.1), werden Jungen in der öffentlichen Diskussion gelegentlich als die „neuen Bildungsverlierer“ bezeichnet (Diefenbach, 2010)." (S. 251): Sie werden also nur als Bildungsverlierer bezeichnet (und das auch nur gelegentlich), sie sind also keine richtigen Bildungsverlierer. Was wohl passieren müsste, damit die Autoren anerkennen, dass Jungen heute die Bildungsverlierer sind? Und auf S. 252 steht, "dass sich seit einigen Jahren die zuvor jahrzehntelang bestehende Unterrepräsentation von Mädchen an Gymnasien umkehrt": Mädchen sind inzwischen seit gut zwei Jahrzehnten beim Abitur vorn! Die Aussage ist daher nichts anderes als eine Beschönigung der geschlechtsspezifischen Bildungsdisparitäten.
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