Mainz: Bolschewistische Hippie-Frauen kämpfen gegen den Feminismus
Nachdem ich gestern den Vormittag mit Bloggen verbracht hatte, wollte ich nachmittags endlich mal eine Pause von der Geschlechterdebatte machen und mich wieder um berufliche Angelegenheiten kümmern. Dazu besuchte ich die Mainzer Minipressen-Messe, eine Ausstellung von Kleinverlagen, die sich die horrenden Standgebühren auf der Frankfurter und der Leipziger Buchmesse ersparen möchten. Gerade will ich das Mainzer Rathaus betreten, wo die Messe stattfindet, da werde ich am Eingang von einem unübersehbaren Plakat empfangen, das das Buch Rückblick auf den Feminismus. Von Anfang an eine Lüge gegen Gleichheit, Logik und sexuelles Vergnügen von Kerstin Steinbach bewirbt. Ich erinnere mich daran, dass für dieses Buch bereits auf der Leipziger Buchmesse so massiv Reklame gemacht worden war, dass die "taz" nicht umhin kam, darüber einen empörten Artikel zu veröffentlichen (wozu ich im März kurz gebloggt hatte). Ich unterdrücke einen Fluch: Diese verdammte Feminismuskritik begegnet einem inzwischen offenbar, wo man steht und geht! Zusatzinfo auf dem Plakat: Eine Lesung der Autorin fing exakt zu dem Zeitpunkt an, als ich das Rathaus betreten wollte. Da bleibt einem ja fast nichts anderes übrig ... Seufzend gebe ich mich geschlagen: Zurück zur Geschlechterdebatte.
Ein paar Minuten später lerne ich Kerstin Steinbach kennen. Ich stoße auf eine Frau mittleren Alters, die eine farbenfrohe Jacke trägt, darüber einige bunte Tüchter, dazu ebenfalls bunten Schmuck. Bin ich bei den Hippies gelandet? Diesen Eindruck verstärkt Steinbachs Vortrag, in dem sie vor allem die puritanische Sexualpolitik des Feminismus geißelt, wie das vor ihr schon andere Autorinnen getan haben.
Zur Einstimmung zeigt uns Steinbach einige Titelbilder der Zeitschrift STERN sowie entsprechende Werbeanzeigen aus den siebziger Jahren, die alle selbstbewusste nackte Frauen zeigen. (Falls Sie diese Fotos auch gerne sehen würden: Steinbach hat sie in einem anderen Buch zusammengestellt: Es gab einmal eine bessere Zeit ...) Gegen den STERN führte Alice Schwarzer Ende der siebziger Jahre wegen solcher Fotos einen vielbeachteten Prozess, in dem sie solche Frauen unter anderem als "läufige Hündinnen" bezeichnet haben soll. Diesen Prozess verlor Schwarzer zwar auf dem juristischen Feld, setzte ihre Ideologie aber mit desse Hilfe im Presse- und Werberat durch: Der STERN verzichtete aufgrund dieses Drucks auf solche Fotos, damit auch auf viele Leser, versuchte, diese Leser Anfang der achtziger Jahre durch die Entdeckung angeblicher Hitler-Tagebücher wiederzuerlangen, brach mit der Auflage endgültig ein und erholte sich so richtig nie wieder davon. Feministisch korrekt ist das Blatt hingegen noch immer.
Steinbach legt einige weitere Beispiele für die Sexualfeindlichkeit des Feminismus dar. So erwähnt sie die von Dworkin, McKinnon und Schwarzer geführte PorNO-Kampagne, die zu "Bilderverboten wie im Mittelalter" geführt habe. Ein geradezu "islamoides Sexualstrafrecht" habe der Feminismus darüber hinaus mit seinen ausufernden Definitionen von Vergewaltigung geschaffen, begleitet von der Agitation etwa Susan Brownmillers, der zufolge Vergewaltigung einen Akt darstelle, mit dem alle Männer alle Frauen unterdrückten. (Ich habe mich mit dieser Geschlechterhasspropaganda in Sind Frauen bessere Menschen? ausführlich auseinandergesetzt.) Um zu illustrieren, wie weit es feministische Vorverurteilungen gebracht haben, erwähnt Steinbach die Fälle Assange und Kachelmann sowie generell skurrile feministische Definitionen, was mittlerweile alles als Vergewaltigung gelte solle. Schließlich zitiert sie auch noch einmal Alice Schwarzer mit der kühnen These, dass Frauen nur einen klitoralen und keinen vaginalen Orgasmus erleben könnten, weshalb penetrativer Sex generell abzulehnen sei. (Später werde ich erfahren, dass Steinbach hauptberuflich Gynäkologin ist.) Und auch das bekannte Zitat Alice Schwarzers zum Abschneiden des Penis John Bobbit durch seine Frau Lorena gibt Steinbach zum Besten – Sie wissen schon: "Sie hat ihren Mann entwaffnet. (...) Eine hat es getan. Jetzt könnte es jede tun. Der Damm ist gebrochen, Gewalt ist für Frauen kein Tabu mehr ..." undsoweiter undosofort. Ich stelle fest, dass ich den Dreck inzwischen fast besser mitbeten kann als das Vaterunser, dass einen Leute aus dem Publikum aber etwas irritiert anschauen, wenn man das tut.
Nun könnte man auf den naheliegenden Gedanken kommen, dass Schwarzer und andere Feministinnen die männliche Sexualität deshalb kontinuierlich verteufeln, weil sie selbst der lesbischen Fraktion angehören und mehr Frauen ins eigene Lager hinüberziehen wollen. Diese Lesart der radikalfeministischen Agitation hat sich ja auch bei vielen durchgesetzt. Steinbachs Ansatz ist das allerdings nicht: Sie argumentiert, dass der Schwarzer-Feminismus eine Abrissbirne für die freie Sexualität der siebziger Jahre insgesamt darstellte. (Überschätzt sie damit Schwarzers Einfluss nicht ein wenig? Gab es dafür nicht vielleicht auch andere Gründe; war da zum Beispiel nicht was mit AIDS ..? Und ist die sexuelle Befreiung tatsächlich massiv gescheitert, so dass man heute nirgends mehr erotische Bilder zu sehen bekommt?) Der reaktionäre Schwarzer-Feminismus habe zu einer Stärkung der klassischen Familie geführt, mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen: Beispielsweise, dass sich heute beide Ehepartner dem Kapitalismus unterordnen müssen statt wie noch in den siebziger Jahren nur einer von beiden.
Wie Sie vermutlich schon gemerkt haben, konnte ich Steinbachs Thesen nur bis zu einem bestimmten Punkt folgen, wobei ich ihr zugute halte, dass sie sie in ihrem Buch überzeugender dargelegt haben mag als in ihrer kurzen Lesung daraus. Der Feminismus als Ideologie, die das klassische Familienmodell stützt, ist in meinen Augen eine gewagte These. Wurden in den letzten Jahren nicht gerade Kritiker des Feminismus als "Familienfundamentalisten" beschimpft? Warum habe ich diesen Gesterkamp eigentlich nicht auf meiner Schnellwahltaste, der hätte dazu bestimmt einiges zu sagen gehabt? Also gut, dann gebe ich in der Diskussion nach der Lesung eben selbst zu bedenken, dass Feministinnen gegen die Rolle der Frau als Mutter immer wieder Front bezogen und gegen Autorinnen mit abweichender Meinung wie etwa Eva Herman eine regelrechte Vernichtungskampagne geführt haben. Steinbach kontert mit einem weiteren Zitat Schwarzers, die vor ein paar Jahren in einem Interview behauptet habe, dass die angebliche Feindseligkeit des Feminismus gegen die Mutterschaft nur ein Missverständnis sei und der Feminismus in Wahrheit bei vielen Frauen erst ein "Bewusstsein für Mutterschaft" geweckt habe. Schwarzer habe die Linke und ihre Haltung zur sexuellen Freiheit in den siebziger Jahren nur ausgenutzt, weil dies damals ebe dem Zeitgeist entsprach, sei im Innersten aber stockreaktionär. In diesem Punkt sind Kerstin Steinbach und ich uns immerhin vollkommen einig.
Steinbach weist darauf hin, dass es längst schon einen feministischen Mutterkult gebe, gleichzeitig Frauen von Feministinnen aber mit Parolen wie "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" in die Produktion gedrängt würden. Keine einzige Feministin stelle sich ernsthaft einer Politik in den Weg, die Familien von kinderlosen Singles mit Unsummen fördern lasse, was in der Regel durch Steuererleichterungen für Familien geschehe, damit aber höhere Steuern für Singles bedeute: "Paare mit Kindern bezahlen mir nicht meine Flugreisen, umgekehrt soll das wie selbstverständlich der Fall sein." Steinbach plädiert dagegen für das Verursacherprinzip: Wer Kinder wolle, solle dafür auch die nötigen Kosten alleine tragen. Auch die Verknechtung von Scheidungsvätern durch unerträglich hohe Unterhaltszahlungen stelle eine Repression dar, mit der Männer dafür bestraft werden sollen, dass sie die heilige Familie nicht länger aufrecht erhielten.
Ich frage Kerstin Steinbach, wie sie sich ihren weiteren Kampf gegen den Feminismus vorstelle, da er – auch hier sind wir uns einig – in Politik und Medien zur Hegemonialmacht geworden ist. Steinbach erwidert, dass man sich da nur an Lenins Maxime orientieren und "unermüdlich aufklären" müsse. (Eben das stellt ja auch das Motto von Genderama dar. Vielleicht sollte ich statt dem Mark-Twain-Zitat den Ausspruch von Lenin in den Kopf dieses Blogs nehmen? Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass der eine oder andere Leser dann urteilen könnte "Jetzt übertreibt er's aber wirklich ...") Steinbach erwähnt, dass sie Mitglied im bolschewistischen Bund gegen Anpassung sei, wozu auch der Ahriman-Verlag gehöre, in dem ihr feminismuskritisches Buch erscheint. Leider sei es nicht möglich, mit Feministinnen eine konstruktive Diskussion oder auch nur eine kontroverse Debatte zu führen, was sie anhand zweier Frauen illustriert, die Steinbachs Lesung zuvor verlassen hatten: die eine grimmig schweigend, die andere laut schimpfend. Bei dieser Gelegenheit erwähne ich die feministische Randale gegen Monika Ebeling an der Mainzer Uni und warne Kerstin Steinbach, dass sie, sobald sie der feministische Radar als ernste Bedrohung wahrnehme, vermutlich mit sehr harten Bandagen angegangen werde.
Kerstin Steinbach teilt mir mit, dass dies keineswegs etwas Neues für sie ist: Sie sei bereits nach einer ihrer Lesungen von Mitgliedern der sogenannten "Antifa" als angebliche Unterstützerin faschistischen Gedankenguts angezeigt worden, was sie nur abwenden konnte, weil sie ihre Lesung und das, was sie tatsächlich gesagt habe, aufgezeichnet hatte. Andernfalls hätten zehn "Antifa"-Mitglieder mit falschen Zeugenaussagen Steinbachs kollektive Verleumdung erfolgreich durchgesetzt und sie als Autorin damit unmöglich gemacht. Inzwischen übernähmen Menschen, die sich als Linke ausgeben, freiwillig und kostenlos die Aufgabe staatlicher Kontroll- und Repressionsorgane. Ich zeige mein Entsetzen darüber, dass es tatsächlich Charakterkrüppel geben soll, die Linke als "rechts" diffamieren, frage aber auch, ob es in Ordnung ist, wenn ich über unser Gespräch am nächsten Tag bloggen werde, was solche Verleumdungen unter Umständen weitertransportieren könnte, statt sie zu unterbinden. Kerstin Steinbach erwidert, dass sie dieselbe Maxime verfolgt wie ich selbst, nämlich derartige Schweinereien immer wieder öffentlich zu machen. Ich könne bloggen, was ich wolle, solange ich zuvor ihre tatsächliche Position deutlich gemacht habe; sie selbst berichte über diesen Vorfall sowohl in ihrem feminismuskritischen Buch als auch auf einer eigenen Website.
Statt die Diskussion nach der Lesung nur auf meinen eigenen Wortwechsel mit Kerstin Steinbach zu reduzieren, sollte ich aber vielleicht auch die anderen Diskussionsteilnehmer kurz skizzieren. Unter ihnen befindet sich eine Frankfurter Steuerberaterin mit sozialistischem Hintergrund, die Steinbach in so ziemlich allem Recht gibt. Ein männliches Attac-Mitglied, das zugleich "entsorgter Vater" ist und dadurch weiß, wie mit Männern in dieser Republik mittlerweile umgesprungen wird. Eine ältere Frau und ehemalige "Emma"-Leserin, die Schwarzers Zeitschrift den Rücken kehrte, weil sie den ständigen Männerhass darin auf Dauer genauso wenig ertragen konnte wie dass sich der Feminismus kontinuierlich die Verdienste für Errungenschaften zuschrieb, die schon vorher durchgesetzt worden waren. Und ein überzeugter Pazifist von der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz, der an Steinbachs These Anstoß nimmt, die juristische Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann sei längst durchgesetzt: Tatsächlich könne nur er als Mann, obwohl der Kriegsdienst derzeit ausgesetzt sei, bei Bedarf entweder an die Front oder in den Knast gebracht werden, worüber sich Frauen ihr ganzes Leben lang keine Sorgen zu machen bräuchten. Dies habe er unlängst auch einer Feministin verdeutlicht, die behauptet hatte, Frauen hätten in unserer Gesellschaft das schlechtere Los gezogen.
Von niemandem von uns gibt es Widerspruch zu Steinbachs Statements, dass unter Frauen derzeit "ein Pott nach dem anderen geschoben wird", was die Botschaft, dass sie Männern in allem ebenbürtig seien, auf bizarre Weise konterkariere. "Wenn ich parasitär veranlagt wäre", formuliert Steinbach, "und mir hätte aussuchen können, als welches Geschlecht ich auf die Welt komme, dann fiele mir die Entscheidung nicht schwer." Auch zu diesem Satz gibt es keinen Widerspruch. Der Unmut über den herrschenden Feminismus ist in der Tat längst im linken Lager angekommen, und er wird nur dadurch unterdrückt, dass andere "Linke" sich wie Revolutionswächter aufführen und in einer perfiden Hemmungslosigkeit mit den größtmöglichen Kanonen auf jeden ballern, der nicht mehr brav in Reih und Glied marschieren will. Man darf sich wirklich fragen, wie lange diese Repression noch funktionieren wird. Ich stelle es mir zwar sehr schwierig vor, beispielsweise Birgit Kelle und Kerstin Steinbach an einen Tisch zu bekommen, aber dem unbenommen gibt es in sämtlichen politischen Fraktionen Menschen, die es kaum noch ertragen, dass Geschlechterpolitik einseitig zu Lasten von Männern geht, seitdem es Geschlechterpolitik gibt. Allein unsere Medienmacher stärken mit einseitiger Berichterstattung die Repression.
Nach unserer Diskussion besuche ich den Messestand des Ahriman-Verlags. Er ist weitgehend von Frauen besetzt, von denen eine bei Steinbachs Lesung immer wieder zustimmend genickt hatte. Dort kaufe ich eine Ausgabe der Zeitschrift "Ketzerbriefe" – nicht zuletzt wegen des ansprechenden Covers.
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