Samstag, September 29, 2012

Beschneidungsdebatte: "Kinder sollen rechtlos gestellt werden"

Der Humanistische Pressedienst kommentiert das geplante neue Gesetz zur problemfreien Ermöglichung von Genitalverstümmelung bei Jungen. Ein Auszug:

Das Bundesjustizministerium hat jetzt die wesentlichen Grundzüge der geplanten Gesetzesänderung zu Gunsten von religiös motivierten Knabenbeschneidungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Blick in die Veröffentlichung zeigt: Die Bundesregierung will den Forderungen der Religionsvertreter folgen und die Menschenrechte von unmündigen männlichen Kindern einschränken! Grundlage dieses Papiers ist der Eil-Beschluss des Deutschen Bundestags vom 19.07.2012, mit dem die Bundesregierung zu einer zügigen Vorlage eines Gesetzesentwurfs aufgefordert worden ist, um rituelle Knabenbeschneidungen zu legalisieren.


In seiner Analyse gelangt der Humanistische Pressedienst zu dem Fazit, dass bei der Formulierung des neuen Gesetzes die Vorgaben der Religionsvertreter sorgfälig umgesetzt wurden (weshalb diese in den letzten Tagen auch vor Begeisterung auf den Tischen tanzten). Allerdings:

Nicht einmal schlampig, sondern überhaupt nicht sind die Belange der Knaben berücksichtigt worden. Weder ist im Papier des Bundesjustizministeriums auch nur die geringste Andeutung zu den Menschenrechten - die des betroffenen Knaben auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und auf Religionsfreiheit – enthalten, noch waren Kinderschutzverbände, Elternverbände und Kindermediziner zu Anhörungen eingeladen. Diese Organisationen dürfen nun (...) innerhalb einiger weniger Tage zum einem bereits fertigen Ergebnis noch Stellung nehmen.

(...) Religiöses Recht statt Menschenrechte, ist die Parole der Beschneidungsbefürworter – auch wenn sie dies (noch) nicht öffentlich zu sagen wagen. Aber die Verlautbarungen des israelischen Jewish People Policy Institute (JPPI) lassen da nichts Gutes erwarten – sehen sie in der europäischen Betonung der Menschenrechte letztlich auch nur ein antisemitisches Manöver und relativieren so die allgemeinen und unveräußerlichen Menschenrechte. So bleibt zu befürchten, dass von Seiten religiöser Kräfte weitere Angriffe gegen Menschenrechte gestartet werden.


Der prominente Beschneidungskritiker Holm Putzke bewertet das neue Gesetz ähnlich und bekundet seine Hoffnung, dass es im Bundestag keine Mehrheit findet:

Falls doch, dürfte es nicht so einfach sein, das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Ginge es mit rechten Dingen zu, also ohne Einflussnahme religiöser Lobbyisten und ohne Rücksichtnahme auf staatspolitische Erwägungen, müsste das Gesetz in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt werden, vor allem weil es das Grundrecht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit grob missachtet. Abgesehen davon sagt das Verfassungsgericht, dass Religionsgemeinschaften strikt gleichbehandelt werden müssen. Wenn aber die Knabenbeschneidung aus religiösen Gründen erlaubt ist, dann darf der Rechtsstaat nicht gleich schwere und religiös motivierte Eingriffe bei Mädchen verbieten, wie sie etwa eine islamische Rechtsschule für verpflichtend hält.


Auch der integrationspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Memet Kilic, selbst Muslim und Vater zweier Söhne, stimmt den oben geäußerten Auffassung zu: "Die religiösen Verbände haben die Chance gesehen, die Diskussion in Deutschland abzuwürgen." Wenn man so wie hier mit der öffentlichen Diskussion umgehe, würden sich Rechtsradkale und Antisemiten des Themas bemächtigen.

Fachpolitiker im Deutschen Bundestag haben heute die Eckpunkte des Justizministeriums abgelehnt. Zustimmung erhielt es hingegen von dem CSU-Politiker Norbert Geis und dem katholischen, bayrischen FDP-Abgeordneten Stephan Thomae.

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