Tristan Rosenkranz: "Ich lege den Schwerpunkt auf Kapitalismus- und Feminismuskritik"
Für den heutigen Beitrag habe ich den Männer- und Väteraktivisten Tristan Rosenkranz unter anderem zu seinen Forschungserkenntnissen über deutsche Jugendämter sowie seine Ansätze einer linken Männerpolitik interviewt.
Arne Hoffmann: Für den Fall, dass dich noch nicht jeder Männerrechtler kennt – könntest du dich und deine wichtigsten Projekte einfach mal kurz vorstellen?
Tristan Rosenkranz: Ich bin 40 Jahre alt und Papa einer achtjährigen Tochter. Gezeichnet von einigen Jahren väterlicher Ausgrenzung, einer extrem eskalierenden Anwältin und beiderseitiger Unfähigkeit, Konflikte vernünftig aufzuarbeiten und die Eltern von der Ex-Paar-Ebene zu trennen, begann ich 2007 nach Hilfsangeboten zu recherchieren. Da ich auf offizieller Ebene nicht fündig wurde und auch bei etablierten wie steuerfinanzierten Beratungsanbietern und Ämtern eher auf Schulterzucken, "lassen Sie los" und "da kann ich nicht viel für Sie tun" stieß, bin ich im Frühjahr 2007 selbst aktiv geworden. Zunächst als Betreiber des Goldkind-Blogs mit einer umfangreiche Sammlung an Links, Studien sowie Pressemeldungen, im Jahr darauf als Kontaktstellen- und Selbsthilfegruppenleiter der "Väterberatung Gera" mit zahlreichen Gesprächen mit politischen EntscheidungsträgerInnen, aus welcher der "Gleichmass e. V." als gemeinnützige Initiative hervorging, dem Männer und Frauen angehören. Die bisher verwirklichten wichtigsten Projekte dieses Vereins sind die Wanderausstellung "Väter a. D." sowie die Anthologie "Kinderherz", an welcher sich neben Betroffenen und Autoren auch zahlreiche Professionen beteiligten. Seit anderthalb Jahren arbeite ich zudem redaktionell am "Papa-Ya"-Magazin für kindgerechte Familienpolitik als Kolumnist und Redakteur mit und recherchiere und plane mit weiteren Fachleuten die Realisierung eines Manuskripts zur Arbeit der Jugendämter.
Ein Nebenprodukt meiner Tätigkeit ist das "Schlusslicht"-Blog, auf welchem ich seit einigen Jahren männerverunglimpfende, sexistische oder gewaltverharmlosende Werbeformate zusammentrage und zuletzt mit AGENS e. V. jeweils einen Negativpreis für das extremste Werbeformat auslobte. Die meiner Meinung nach extremste Werbung war ein Werbespot vom Otto-Versand, wo eine Frau einen Mann mit einem Katalog zu Boden schlug. Die Reaktion hier wie auch bei anderen Beschwerden seitens des Deutschen Werberates bewegt sich immer im selben Raster: Man müsse den Humor hierbei in Relation mit beispielsweise Monthy Python setzen. Leider kein Witz und aus meiner Sicht veramtlichte Verhöhnung. Aber immerhin scheint die Menge entsprechender Formate kontinuierlich zurückzugehen, was wohl in erster Linie dem gesellschaftlichen Wandel nicht nur der Geschlechterdebatte geschuldet sein dürfte.
Zwei weitere Projekte in Vorbereitung sind die Gründung eines eigenständigen Ablegervereins für den Landkreis Rostock sowie die Realisierung einer Infobroschüre zum Thema häusliche Gewalt, die idealerweise mit zahlreichen Netzwerkpartnern in die bundesweite Verteilung gehen soll. Mein Hauptschwerpunkt neben dem genannten Ehrenamt ist allerdings der Fachwirt für Soziales und Gesundheit, den ich hoffentlich im Oktober abschließen kann mit dem Ziel, mein Ehrenamt zum Beruf zu machen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Arne Hoffmann: Alles zusammengenommen ist das eine immsene Menge an Tätigkeiten für eine bessere Geschlechterpolitik. Von Männerrechtlern, die ihren Einsatz darauf beschränken, im Internet Dampf abzulassen, hört man gelegentlich: "Mehr schaffe ich nicht, weil ich nämlich berufstätig bin!" Woher nimmst du die nötige Zeit für all dein Engagement?
Tristan Rosenkranz: Ich war zehn Jahre lang Szeneshop-Betreiber, danach insgesamt anderthalb Jahre in Österreich arbeiten und lebe seit einiger Zeit in einer ökonomischen Mischkultur: kleines Gewerbe, Tantiemen, Aufstockung. Heißt, ich habe in den letzten Jahren kontinuierlich für verschiedene Firmen Aufträge in Gastronomie angenommen und darüber hinaus meine Bücher vertrieben. Mit meinem Umzug in den Norden Anfang 2011 wurden nochmals Ressourcen frei. Hinzu kommt, dass einige Firmen offenbar Probleme mit meinem Lebenslauf haben, wenn sie sich mit einer gewissen Vielfalt erworbener Kenntnisse (Einzelhändler, Autor, Ehrenamt, Gastronomie-Allrounder) konfrontiert sehen. Zwischen Jobs und meiner Fachwirtqualifikation, die wechselnd ein bis zweimal die Woche zu absolvieren ist, bleibt genug Zeit, um mich in meine Projekte reinzuhängen. Es ist sicher als Motivation nicht ganz unwichtig, dass ich das mit Leidenschaft verfolge.
Und ja, mir ist aus der Initiativlandschaft bekannt, dass nur ein viel zu kleiner personeller Anteil den Löwenteil von ehrenamtlicher Projektarbeit verrichtet, damit allerdings auch schon einige spürbare Erfolge zu verbuchen hat. Viele von Diskriminierung (elterlicher Ausgrenzung, Kriminalisierung oder häuslicher Gewalt) Betroffene lamentieren entweder endlos und sehen die Notwendigkeit eines "Wir" nicht, fallen in Depressionen, denken nur an sich selbst oder sehen kaum noch Land angesichts eines Vollzeitjobs, einem Tisch voller Klagen und der wenigen Zeit mit Familie und Kindern. Ich muss allerdings auch sagen, dass diejenigen, die bis zu Trennung und Konfrontation gut oder annehmbar Geld verdienten, mit einer Klage jede Menge Geld an den eigenen Rechtsanwalt oder den Ex-Partner verlieren können. Ich sah schon einige teils gut dotierte Fachkräfte dabei finanziell unter die Räder kommen.
Arne Hoffmann: In den letzten Jahren sind einige Gerichtsurteile in den Medien als großer Sieg für die Väter gefeiert worden. Hat sich die rechtliche Situation von Vätern inzwischen wirklich deutlich verbessert?
Tristan Rosenkranz: Nicht wirklich. Das Problem wird ausgesessen, Fraktionen schieben sich die Schuldfrage gegenseitig zu und bewegen sich meiner Information nach alle um den Punkt herum, nicht davon ablassen zu wollen, dass letztlich die Mutter das Zünglein an der Entscheidungswaage bleibt. Was mit Gleichstellung wiederum nichts zu tun hat.
Arne Hoffmann: Wie stehen denn die Chancen dafür, dass die Väterbewegung dies erfolgreich ändern kann?
Tristan Rosenkranz: Gute Frage. Was fehlt, sind Einigkeit, eine starke, politisch wirksame Lobby und Aktionen wie bei den Schweizer Mitstreitern mit den Pflastersteinen. Andererseits ist dieser stete Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung der Vater-, Männer- und Beziehungsbilder eben auch diesen vielen graswurzelmäßig agierenden Zellen und damit eben jeder weiteren erfolgreichen Klage gegen mauernde Behörden, jedem weiteren seriösen Schriftsatz, jeder weiteren seriösen Studie und jedem weiteren Interview mit gemäßigten, offenen Professionen geschuldet. Fazit: Steter Tropfen höhlt den Stein. Und wir leben in einer Zeit, in der auf vielen Ebenen Menschen wach werden. Nicht zuletzt wenden sich immer mehr Frauen von diesem Schwarzerschen Männerhass ab.
Arne Hoffmann: Du hast erwähnt, dass du die Erstellung eines Manuskripts zur Arbeit der Jugendämter planst. Wenn man einmal davon absieht, dass Verallgemeinerungen immer heikel sind – kannst du grob skizzieren, welchen Eindruck du derzeit von diesen Ämtern hast?
Tristan Rosenkranz: An dem besagten Manuskript arbeiten neben mir noch zwei weitere Fachleute mit, deren Namen ich aufgrund noch offener Verträge nicht nennen möchte. Wir drei sind in ein weitreichendes und zunehmend professionalisierendes Netzwerk eingebettet, in dem zahlreiche Fachleute mit belastbaren Daten arbeiten. Die Summe dieser Erfahrungen wie auch einer Vielzahl von Gesprächen mit Betroffenen (Ausgrenzungseltern ebenso wie Inobhutnahmeopfer) führt zu vier wesentlichen Ergebnissen:
1.) Jugendämter unterliegen keiner Kontrollinstanz, sie haben nicht nur in Gerichtsverfahren, sondern auch im Netzwerk involvierter Professionen (Gutachter, Verfahrenspfleger, Sozialpädagogen, Pflegeeltern, Kinderheime) eine Schlüsselposition inne. Wirtschaftlich gesprochen ist deren Vorgehensweise nicht unerheblich für die Verfahrens-(Auftrags-)Dauer und damit den Einnahmen freier beteiligter Professionen.
2.) Aus mehreren Quellen ist mir bekannt, dass pro MitarbeiterIn 140 Fälle auf dem Tisch liegen: eine kaum vernünftig zu bewältigende Zahl.
3.) Ein Teil des Personals dieser Ämter stammt frisch von der Uni, es fehlt ihm dadurch am notwendigen fachlichen Background.
4.) Der Großteil des Personals allerdings besteht aus älteren Frauen, die in einer Zeit ideologisch geprägt wurden, in der eine harte Konfrontation mit dem "unterdrückerischen Patriarchat" gefordert wurde. Das führt dazu, dass diese Beamten häufig gegen die Väter Partei ergreifen. Es ist zum Beispiel nicht unüblich, dass selbst im Beisein des frischgebackenen Vaters der Mutter vom geteilten Sorgerecht abgeraten wird.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Jugendämter zahlreiche gravierende Fälle trotz vieler Meldungen aus der Nachbarschaft und dem Umfeld bis zum Kindstod ausgesessen haben, in anderen Fällen bei einfachen Verleumdungen und Denunziationen aus der Nachbarschaft grundlos ganze Familien auseinander rissen. Nicht selten wird willkürlich eine gewisse Machtposition und Amtsanmaßung ausgespielt. Was kann man tun, wenn das Jugendamt eingreift? Meist nur jahrelang klagen.
Arne Hoffmann: Wie sollte man diese Problematik angehen?
Tristan Rosenkranz: Offen gestanden gibt es bis heute keine generelle Wahrheit, wie man zu agieren hat, um erfolgreich etwas zu ändern. Ein Mitautor meines Manuskripts und früherer Manager ist seit vielen Jahren auf EU-Petitionsebene aktiv und vermeldet eine zunehmende Kritik auf Seiten der EU-Abgeordneten gegenüber der deutschen Jugendamtsmethodik (weniger Kindeswohlgefährdungen, kontinuierlich steigende Inobhutnahmen). Ein Ex-Betroffener ist viel in Sachen Selbsthilfe und als Petitent unterwegs und vermeldet mit seiner aus meiner Sicht sehr brachialen Diskussionskultur gewisse Erfolge. Karin Jäckel als bekannteste Fachperson wie auch andere Fachleute sind seit Jahren unermüdlich aktiv, um an der Basis Verfahrensbeistand gegenüber bornierten, kalten Amtspersonalien zu leisten.
Einige andere meinen, sie fahren mit Druck, derben Slogans und Hysterie am Erfolgreichsten oder damit, die Jugendämter als Terrorzellen mit KZs zu vergleichen oder alle Deutschen als Mitläufer und die Jugendämter als typisch deutsche Nazibehörde zu betitulieren. Oder indem sie sich als Hilfsorganisationen anbieten und letztlich Kindesentführungen und Verhetzung des zurückbleibenden Elternteils befürworten und unterstützen. Für mich ist dieses Auftreten absolut inakzeptabel.
Bekannt ist mir von einer Berliner Familie, dass sie bereits zweimal in einigen Jahren bis auf merkwürdigerweise das kleinste Kind alle Kinder weggenommen bekamen aufgrund bloßer Nachbarschaftsverleumdung. Die Geschwister wurden getrennt, die Orte des Verbleibs wurden zum Teil geheim gehalten, ein Kind hatte öfters Blessuren, auch gab es wochenlange Zwangspsychiatrisierung. Beide Eltern lernte ich als liebevolle, sorgsame Menschen, die Wohnung als gelebtes und herzlich und lebenswert eingerichtetes Familienzentrum kennen. Eine andere Mutter, auch absolutes Willküropfer und bereits bei Kerner Gegenstand einer Berichterstattung, musste ins Ausland fliehen.
Nicht selten wird mit Behauptungen gearbeitet, die aus zahlreichen Mündern und angesichts des Leids, derer, die darüber sprechen, zwar sehr glaubhaft klingen, allerdings nicht belegt werden können und insofern leider nie Gehör finden werden. Mir fehlen bis heute trotz mehrfacher Äußerungen Betroffener Belege für Auslandskinderheime oder dafür, dass Heimkinderschwangerschaften durch darauf folgende Babywegnahmen einen zusätzlichen Einnahmefaktor darstellen. Was verständlich ist: Wer wird schon seine derart fragwürdigen Methoden gern im Licht der Medien sehen wollen?
Ein Faktor, das System aufzubrechen, sind jene, die auf dem Verwaltungsweg klagen, bis sie Recht bekommen. Das ist ein langer, nervenaufreibender und für Lohnempfänger kostenintensiver Weg, der aber mit jedem Fall auf Europa-Ebene erneut auf die Problematik aufmerksam macht.
Arne Hoffmann: Themenwechsel: Dein reklamekritischer Blog "Schlusslicht" behandelt eines der ältesten Anliegen unserer Bewegung. Ich erläutere mal in geraffter Form den Hintergrund dieser Problematik: Schon 1991 hat der amerikanische Männerrechtler Frederic Haywarth in seiner Analyse "Male bashing" darauf hingewiesen, dass einer Auswertung von 1000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Werbesendungen zufolge in 100 Prozent der dargestellten Mann-Frau-Beziehungen der Mann der Trottel war. Dabei hat die Drastik in den letzten Jahrzehnten zugenommen. So stellte 2006 eine Studie des Österreichischen Sozialministeriums anhand Dutzender Beispiele aus dem gesamten deutschen Werbesprachraum fest, dass Männer in der Reklame durchgehend zu Trotteln gemacht werden – und zu Volltrotteln in der Vaterrolle. Die Autoren merkten an, dass es als sexistisch empfunden würde, wenn Frauen und Mütter so dargestellt würden: Männer werden vom Stier niedergetrampelt, aus dem Auto geworfen, müssen Stacheldraht essen, laufen gegen Laternenmasten, werden von ihren Hunden nachgezogen und letztlich mit einem Küchentuch weggewischt. Sogar die Londoner "Times" empörte sich einmal über das "walnussgroße Gehirn von Werbefritzen, die sich an weibliche Käuferschichten anschleimen, indem sie Männer als unfähige Trottel zeigen". Warum besteht deiner Einschätzung nach bei vielen weiblichen Konsumenten überhaupt ein derartiges Bedürfnis nach der Herabsetzung von Männern, das die Werbeindustrie glaubt erfüllen zu müssen, um damit Produkte zu verkaufen?
Tristan Rosenkranz: Hier komme ich ein wenig ins Spekulative. Zum einen ist nachgewiesen worden, dass Frauen in westlichen Ländern zu weit über 80% die Konsumentscheidungen treffen. Das erklärt die Ausrichtung der Werbung auf weibliche Käuferschaft. Zum anderen, und hier mag man mir Spekulation nachsagen, sind Frauen das Geschlecht, welches oftmals sehr ausführlich und mit Bedienung einer Vielzahl von Emotionen über Mitmenschen redet. Frauen reden ausführlicher über ihr Sexualleben und werten oftmals detailgetreu die psychischen wie physischen Nachteile ihrer Mitmenschen aus. Das gilt bei weitem nicht für alle Frauen, aber eine gewisse Genugtuung dabei darf ruhig als Motivation benannt werden. Ich denke, darin liegt der Boom männervertrottelnder und –herabwürdigender Werbeformate.
Ich habe selbst in sechs Jahren Gastronomie immer wieder erlebt, welch festgefahrenes, undifferenziertes und unreflektiertes Männerbild selbst gestandene und vielleicht von der einen oder anderen Partnerschaft enttäuschte Frauen hatten. Ich muss dazu sagen: Es gibt natürlich auch männliche Spezis, die die kultiviertere Form des männlichen Selbstverständnisses mit zuverlässiger Regelmäßigkeit ordentlich beschämen.
Arne Hoffmann: Welche negativen Auswirkungen hat deiner Ansicht nach die von dir kritisierte Form der Reklame für unsere Gesellschaft?
Tristan Rosenkranz: Besagte Werbeformate sind unverantwortlich und leichtfertig, da sie ein differenziertes Geschlechterbild nicht nur des Mannes entwerten und eine dringend notwendige neue Respektskultur im Miteinander unterwandern. Vergleichbar ist das vielleicht am ehesten mit Gewalt. Wer ständig Gewalt konsumiert, stumpft ab; seine Sensibilität gegenüber Opfern geht verloren.
Arne Hoffmann: Das Bewusstsein für dieses Problem wird immerhin stärker. Anfang 2012 lag Männerdiskriminierung – gleich nach Gewaltverherrlichung übrigens – bereits auf Platz 4 der Reihenfolge von Gründen, weshalb sich Menschen beim Deutschen Werberat besonders häufig beschwerten. Das ist erfreulich, aber anhand der skizzierten Verunglimpfungen fragt man sich: Warum protestieren Männer nicht noch viel öfter? Und warum rügt der Deutsche Werberat sexistische Reklame nur, wenn sie zu Lasten von Frauen geht?
Tristan Rosenkranz: Meiner Erfahrung nach ist diese Selbstbezogenheit eines der Grundprobleme dieser Gesellschaft. Meckern ist eben viel einfacher, als sich die Mühe zu machen, oftmals auch nur wenige Stunden pro Woche etwas mitzuverändern, sei es mit ein paar Beschwerdeschriftsätzen je Monat. Während andererseits einige wiederum ihr ganzes Leben dem Engagement widmen.
Arne Hoffmann: Von welcher Position aus ist deine Gesellschaftskritik zu verstehen? Wo würdest du dich also im politischen Spektrum verorten, wenn wir es weiter fassen als das Männerrechtsthema allein?
Tristan Rosenkranz: Ich sehe mich links, als Sympathisant der Piraten. Ich sehe in neoliberalen und konservativen Kräften wie allerdings auch den Sozialdemokraten eher den Sozialabbau und die zunehmende Schere zwischen arm und reich der vergangenen Legislaturperioden als die Zukunft unseres Landes. Elitepolitik blutet das Land aus, eine über ein Jahrzehnt anhaltende Deckung des NPD-freundlichen Verfassungsschutzes bringen unsere Demokratie in Gefahr. Und Grüne sind für mich als Kriegsbefürworter und ihrer männerausgrenzenden Fraktionspolitik wegen unwählbar.
Arne Hoffmann: So wie du das schilderst, bietet sich an nachzuhaken: Ist deine Kritik an einer Reklame, die Menschengruppen niedermacht, nur damit mehr Produkte verkauft werden können, Teil einer grundsätzlicheren Kritik an Fehlentwicklungen unseres kapitalitischen Wirtschaftssystems? Männerrechtler beklagen ja des öfteren, dass in diesem System Männer oft nur als bessere Maschinen gelten, die immer mehr Leistung und Effizienz zu immer geringeren Kosten erbringen sollen und über deren persönliche Bedürfnisse (nach größerer Sicherheit bei der Berufsausübung, nach mehr Vereinbarkeit mit der Familie) man schneller hinweggeht als bei Frauen?
Tristan Rosenkranz: Indirekt verbirgt sich in "Schlusslicht" ganz sicher eine Kritik an menschlich herabwürdigenden Marktmechanismen, aber eher als Archiv. An anderer Stelle gehe ich deutlich weiter. Auf meinem "Feinstoff"-Blog verlinke ich regelmäßig systemkritische Artikel der Leitmedien, wobei ich auf Kapitalismuskritik und Feminismuskritik den Schwerpunkt lege. Zumindest in den letzten Monaten; früher ging es auch um Weisheit, Literatur und Spiritualität.
Und ja, wenn man die geschlechterpolitische Landschaft reflektiert, drängt sich der Gedanke des funktionierenden Mannes als Effizienzfaktor auf: Er ist zum Beispiel Spitzenreiter bei den Berufsunfalltoden, in der Obdachlosigkeit, als Gewaltopfer, bei den Suiziden und in der Sucht. Aus meiner Sicht sprechen all diese Felder männlicher Benachteiligungen beziehungsweise Gefährdungen Bände, wie es um ihre Bedeutung steht. Und letztlich würde die öffentliche Diskussion der Frage nicht schaden, welche Last und Verantwortung eine Vielzahl von Wirtschaftsbossen neben Macht und hohem Einkommen zu tragen haben.
Arne Hoffmann: Durch deine Einträge und Kommentare bei Facebook weiß ich, dass du dich noch konsequenter gegen rechts abgrenzt als ich. Wenn ich z. B. auf einen gelungenen Beitrag von Bernhard Lassahn verlinke, der aber bei der "Achse des Guten" erschienen ist, wendest du ein, dass eine Verlinkung von solchen rechtspopulistischen Seiten der Männerbewegung schade. Und wer Reklame für Broder oder Sarrazin macht, wird von deiner Freundesliste entfernt. Wo genau sollte deiner Ansicht nach die Grenzziehung unserer Bewegung nach rechts verlaufen?
Tristan Rosenkranz: Ich meine, dass jede Schnittmenge, die Menschen ihrer Religion, Hautfarbe oder Nationalität wegen abwertet, unsere Sache schadet. Was in dieser Debatte fehlt, sind Aspekte wie die bewusste Kriminalisierung des Islams durch die USA sowie die Hintergründe von 9/11. Es fehlen Kolonialismus und Sklaverei sowie deren verheerenden Langzeitauswirkungen, und es fehlen weitgehend auch die noch heute andauernde Ausbeutung armer Länder durch den Westen. Warum kommen denn so viele in "unsere" Welt?
Arne Hoffmann: Gibt es etwas, was du der deutschen Männerrechtsbewegung abschließend raten würdest?
Tristan Rosenkranz: Mir liegt die Position des Mahners nicht wirklich. Punkte, die uns angreifbar machen, sind Frauenfeindlichkeit, unseriöse, hochemotionale Argumentationsweisen und Ausgrenzung aus Ausgrenzung heraus. Professionalisierung ist sehr wichtig, das Erreichen und Einbinden von Fachleuten. Fortschrittliche Frauen sind wichtig, nur mit ihnen kommen wir weiter. Auch schaden uns Paranoia, Hysterie und endlose Grabenkämpfe untereinander.
Arne Hoffmann: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Gute Nacht und viel Glück!
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