Dissertation Schwithal enthüllt interessante Aspekte über weibliche Gewalt
Ich bin dieses Wochenende endlich dazu gekommen, Bastian Schwithals Dissertation Weibliche Gewalt in Partnerschaften. Eine synontologische Untersuchung genauer zu lesen, in der Schwithal mehrere hundert internationale Gewaltstudien einer Metaanalyse unterzieht. ("Synontologie" ist die Soziologie der Partnerschaft.) Bei der Lektüre bin ich auf einige interessante Inhalte gestoßen, die auch mir zuvor so nicht bekannt waren.
Beispielsweise kommt Schwithal in einem Exkurs auch auf Gewalt im öffentlichen Raum zu sprechen. So wie viele andere, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, bin zwar auch ich zu der Erkenntnis gelangt, dass der Anteil von Frauen unter den Tätern höher ist, als man gemeinhin annimmt, habe das aber vor allem für eine Entwicklung der letzten Jahre gehalten. Tatsächlich gab es aber schon Mitte der Neunziger erstaunliche Zahlen. Schwithal führt dazu auf Seite 111 seiner Arbeit aus (dort jeweils mit Quellenangaben in den Fußnoten):
Eine Reihe weiterer Studien zeigte, dass Gewalthandlungen nicht nur im privaten Bereich und in beträchtlichem Ausmaß von jungen Frauen und Mädchen – anders als oftmals glauben gemacht wird – ausgehen. So kam eine repräsentative Untersuchung von Heitmeyer et al. aus dem Jahr 1995 zu dem Ergebnis, dass neben 15% der westdeutschen und 18% der ostdeutschen männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 22 Jahren, die angaben, im vergangenen Jahr Körperverletzungen begangen zu haben, es bei den weiblichen Jugendlichen 9% bzw. 7% waren. Höhere Verbreitungsraten fanden Mansel und Hurrelmann (1998) in ihrer in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Studie. 43% der Schüler und 22% der befragten Schülerinnen gaben körperverletzende Handlungen gegenüber anderen zu. Tillmann et al. (2000) fanden in ihrer Untersuchung heraus, dass 8% der männlichen und 4% der weiblichen befragten Schüler einer hessischen Schule angaben, zur "Kerngruppe" von gewalttätig agierenden Jugendlichen zu gehören. Heitmeyer et al. (1995) sprechen von einem "weiblichen Aufholprozess". Ein Vergleich der Anteile jugendlicher Gewalttäter in den Jahren 1986 und 1994 kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Anteil der weiblichen Befragten, die Gewaltdelikte begangen haben, von 25 auf 42% erhöht hat und der Anteil der männlichen Befragten von 47 auf 64%.
Die jungen Männer haben also noch immer einen klaren "Vorsprung" bei Gewaltdelikten, allerdings kann man bei 42% an Täterinnen unter allen jungen Frauen nicht wirklich von Einzeltätern sprechen.
Was die Gewalt in Partnerschaften betrifft, geht beispielsweise eine Untersuchung des Frauenministeriums davon aus, dass Frauen zwar ähnlich häufig wie Männer zu Tätern werden, Frauen aber infolge schwerer Gewalt auch weitaus häufiger schwerere Verletzungen davontrügen. Dem ist nicht so, wie Schwithal auf Seite 136 zusammenfasst:
Übersicht "Studien: Severe Violence" gibt die Ergebnisse von 94 Studien und Untersuchungen hinsichtlich schwerer Gewaltformen ("severe violence") wieder. Ähnlich wie bei "minor violence" lässt sich auch hier die Beobachtung machen, dass ein höherer Anteil an Frauen schwere Gewalt gegenüber einem Intimpartner gebraucht als umgekehrt. Das Verhältnis von Männern und Frauen im Hinblick auf "verübte Gewalt" ist 47,0% zu 53,0%. Bei "erlittener Gewalt" ergibt sich hinsichtlich der Geschlechtsverteilung folgendes Bild: 52,3% Männer gegenüber 47,7% Frauen hatten schwere Gewaltformen durch einen Intimpartner erlitten.
Auf Seite 138 seiner Dissertation führt Schwithal die Erkenntnisse zu sexueller Gewalt zusammen:
Übersicht "Studien: Sexual Violence" gibt die Ergebnisse von 55 Studien und Untersuchungen wieder. Hinsichtlich sexueller Gewalt lässt sich die Feststellung machen, dass Frauen häufiger diese Form der Gewalt erleiden als Männer. Allerdings lässt sich anhand der Ergebnisse in der Tabelle auch ablesen, dass Männer ebenfalls und im weitaus größeren Ausmaß als bisher angenommen sexuelle Gewalt (auch schwere Formen) erfahren. Beim Verüben von sexueller Gewalt ergibt sich ein Geschlechtsverhältnis von 57,9% Männer gegenüber 42,1% Frauen und hinsichtlich "erlittener Gewalt" ein Männer-Frauen-Verhältnis von 40,8% zu 59,2% .
Von der allgemein herrschenden Auffassung, dass sexuelle Gewalt fast automatisch männliche Täter und weibliche Opfer bedeutet, bleibt unter der Lupe der Wissenschaft wenig übrig.
Generell scheint in unserer Gesellschaft zweierlei Maß zu bestehen, was Gewalthandlungen angeht – je nachdem von welchem Geschlecht sie begangen werden. Dazu schreibt Schwithal auf Seite 229:
Eine andere Studie untersuchte die Akzeptanz von Gewalt in Intimpartnerschaften mit Hilfe von Daten, die durch eine repräsentative telefonische Befragung auf nationaler Ebene von 5.238 Erwachsenen gewonnen worden waren. Die Befragten akzeptierten in höherem Maße Frauen, die ihre Mänmner schlugen. Ferner zeigten sie eine höhere Toleranz gegenüber Gewalt in Partnerschaften, wenn sie zuerst von Gewalthandlungen von Frauen gegenüber Männern befragt wurden. Eine Umfrage des U.S. Department of Justice kam zu folgendem Ergebnis: 41% der befragten Amerikaner finden es weniger gravierend, wenn eine Frau ihren Mann tötet als umgekehrt.
In diesem Zusammenhang zitiert Schwithal eine Studie der australischen Kriminologin Catriona Mirrless-Black:
Virtually no male victims defined their experience as a crime. Female victims of chronic domestic assault were the most likely to describe their most recent experience as a crime (39%), male victims of intermittent assault the least (1%).
Auf diesem Ungleichgewicht basiert natürlich eine entsprechend verzerrte Anzeigenhäufigkeit, die Polizisten und sogar Männergruppen zu der kühnen Behauptung verleiten, dass Frauen eindeutig häufiger Opfer von häuslicher Gewalt als Männer seien. (Genderama berichtete.)
So gut die von Schwithal zusammengetragenen Fakten auch belegt sind, so schwierig dürfte es bleiben, sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Sicher gibt einem das Internet neue Möglichkeiten, aber auch hier existieren Hürden: Die Gesinnungswächter der Wikipedia etwa werden mit Sprüchen wie "Ich habe schließlich Soziologie studiert!" weiterhin versuchen, diese Inhalte aus ihrer Enzyklopädie draußen zu halten. Und dass sich die Chancen von Genderama auf irgendwelche Ehrungen durch Blog-Preise deutlich verschlechtern, wenn ich immer wieder solche politisch nicht korrekten Erkenntnisse zum Thema mache, ist mir natürlich selbst klar. Weit schlimmer bleibt jedoch die Situation in den klassischen Medien, wo sich heute noch Schwachsinns-Artikel wie dieser finden. Journalisten werden hier zum Sprachrohr von Ideologinnen und stellen das Thema häuslicher Gewalt derart verzerrt dar, dass sie ihre Leser regelrecht dumm halten. Zu dem, was ich in diesem Blog gerne als "Deppenjournalismus" bezeichne, äußert sich auch Bastian Schwithal auf Seite 307 seiner Arbeit:
Bei der printmedialen Darstellung von Gewalt und Tötungsdelikten gegenüber männlichen Intimpartnern fällt des Weiteren auf, dass sich ein Teil der Darstellungen – wenn auch nur ein verhältnismäßig kleiner – mit der Thematik in einer ironisierenden und "augenzwinkernden" Art und Weise auseinander setzt. Interessanterweise handelt es sich bei diesen Fällen nicht immer nur um Artikel, die aus so genannten "Boulevardzeitungen" stammen, sondern oftmals um solche aus "renommierten" Tageszeitungen. So gut wie gar nicht findet innerhalb der Artikel ein Bezug zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen statt, wonach Männer im gleichen Maße von Gewalt betroffen sind, was in Anbetracht der durchschnittlichen Artikellänge jedoch nicht wirklich verwundert.
Auf den letzten Seiten seiner Dissertation fasst Schwithal zusammen, wer seines Erachtens daran die Hauptschuld trägt, dass ein Großteil der Bevölkerung beim Thema "Gewalt in Partnerschaften" einem Weltbild anhängt, das mit den tatsächlichen Forschungsergebnissen nichts mehr zu tun hat:
Einer der Hauptgründe für die falsche Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft ist, dass Medien und Regierungen durch ihre Informationspoliktik dazu beitragen. Dies fiel durch die Analyse der öffentlich gemachten Daten zu weiblicher Gewalt gegen Männer auf. (…)
Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland "Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt". Ihre Ziele lassen sich mit dem Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt wie folgt darstellen:
• Rahmenbedingungen zu schaffen, die den umfassenden Schutz und die ausreichende Unterstützung von Frauen und Kindern gewährleisten;
• Die Rechte misshandelter Frauen zu stärken und ihre Rechtsposition auszubauen;
• Die gesellschaftliche Ächtung der Gewalttaten und der Täter durchzusetzen;
• Den Tätern für ihre Taten die Verantwortung zuzuweisen, zum Beispiel durch die polizeiliche Ingewahrsamnahme der gewalttätigen Männer und/oder durch zivilrechtliche Anordnungen und strafrechtliche Sanktionen;
• Das koordinierte Vorgehen aller beteiligten Einrichtungen gegen häusliche Gewalt zu praktizieren und transparent zu machen;
• Aufklärung über männliche Gewalt gegen Frauen und Präventionsarbeit zu etablieren.
Das männliche Opfer findet bei solchen Zielsetzungen keinerlei Erwähnung. Dies steht im Einklang mit der Äußerung von Frau Bergmann, der ehemaligen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die am 12. Mai 2000 in einem Interview mit der Ost-West-Wochenzeitung "Freitag" auf die Frage: "Planen Sie auch Männerhäuser?" sagte: "Nein, Männerhäuser planen wir nicht. Ich denke, das ist auch nicht nötig! Wenn Männer keine Gewalt anwenden, brauchen sie auch keine Zufluchtsorte."
Während Frau Bergmann unter den deutschen PolitikerInnen sicher intellektuell besonders herausragend war, hat sich die ideologisierte Einseitigkeit der Anti-Gewalt-Politik auch im Hause von der Leyen nicht geändert. Männer als Opfer interessieren nicht. So ist das eben in unserer Gesellschaft: Die Ministerinnen kommen und gehen, die Geschlechterapartheid bleibt bestehen.
Labels: Femokratie, Gewalt, häusliche Gewalt, Medien, Sextäterinnen, sexuelle Gewalt, Web 2.0, Wissenschaft
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