"Kein böses Patriarchat" – Junge Feministinnen beziehen Position zu Alice Schwarzer
Vor ein paar Tagen keilte Alice Schwarzer anlässlich ihrer Rede zum Erhalt des Ludwig-Börne-Preises ganz ordentlich gegen die "neuen Feministinnen" aus. Da zugleich auch Prostituierte gegen Schwarzer demonstrierten, bloggte ich hier, dass Deutschlands Oberfeministin von Frauen in so deutlichen Worten kritisiert wird, wie man es von Männerseite schmerzlich vermisst. Eva Herman hätte man als weiteres Beispiel nennen können. Und jetzt auch die "neuen deutschen Mädchen": Sie lesen Alice Schwarzer auf den Seiten der "Süddeutschen" die Leviten: "Wie selbstgerecht und autoritär tut Alice Schwarzer als 'nichtssagend' ab, was Frauen zu sagen haben, die nicht leben wie sie."
Und das schreiben die Autorinnen Schwarzer sonst noch ins Stambuch:
Unser weibliches Selbstbewusstsein ist so selbstverständlich, dass wir uns in Bereiche vorwagen, die der deutsche Buchhalter-Feminismus, der die Welt in Einnahmen und Ausgaben aufteilt, bisher ignoriert hat: die Grauzonen, die Überlagerungen, die Widersprüche, die eigentliche Herausforderung an Herz, Intelligenz und Moral. Wir trauen uns, nuanciert zu sprechen, da für uns gelebte Realität ist, was Alice Schwarzer noch als Errungenschaft ihrer Generation feiert: Frauen dürfen studieren! Frauen dürfen Karriere machen! Frauen dürfen sich scheiden lassen! Frauen dürfen abtreiben! Während Alice Schwarzer in der EMMA noch monatlich ihre Männerwitzchen reißt, in der Liebe zwischen Mann und Frau nichts als "Zwangsheterosexualität“ sieht und in der Liebe zum eigenen Kind einen "Mütterwahn“, versuchen wir eine zeitgemäße Sprache zu finden, um über Männer und Frauen, Kinder, Liebe und Sex zu reden.
Deshalb können wir auch davon schreiben, was der Feminismus immer verschwiegen hat. Der Feminismus, dessen Parole einmal lautete, das Private ist politisch, hat das, was uns privat beschäftigt, immer als banal abgetan. Er hat das Thema Liebe und Sex den Frauenzeitschriften und der Ratgeberliteratur überlassen. Wir schreiben darüber, dass einem die Sehnsüchte, die man im Leben so hat, zum Beispiel die, geliebt zu werden, oft im Weg stehen, eine aufrechte Feministin zu sein. Dass der Preis hoch war, den viele Frauen in der Generation Alice Schwarzers für ihre ökonomische Unabhängigkeit gezahlt haben – den Preis des Alleinseins, den Preis der Kinderlosigkeit. Dass wir diese Widersprüche erkennen und aushalten müssen.
Diese Einsichten werden als "brav“, als "naiv“, als "anti-feministisch“ gelten, solange Feminismus noch gleichbedeutend ist mit Polterrhetorik, talkshowtauglichen Beschimpfungen und Ermahnungen. Aber dass die Frauenbewegung sich für Uneindeutigkeiten und Zwischentöne nicht interessiert, ist natürlich auch keine neue Erkenntnis.
Nein, das ist sie wahrlich nicht.
Die "Alpha-Mädchen" sind bei weitem nicht so kess. Sie sprechen weiterhin von Bewunderung für Alice Schwarzer – und wollen den Feminismus lieber überarbeiten als zu Grabe tragen:
Wer hier von Absetzungsversuchen spricht, hat etwas falsch verstanden. Es geht darum, ein großes, wichtiges Projekt durch das nächste Jahrhundert zu bringen. (...) Denn eben weil wir uns nicht immer wohlfühlen in dieser Gesellschaft, brauchen wir den Feminismus.
Wir haben uns entschlossen, Frauen das generationenübergreifende Gefühl des Scheiterns zu nehmen, indem wir wieder und überall darüber sprechen, dass es noch immer Ungerechtigkeiten gibt in dieser Gesellschaft; Strukturen, die Frauen das Leben ein bisschen schwerer machen als Männern. (...)
Es sind vor allem Rollenklischees und Rollenerwartungen, die junge Frauen nicht das Leben führen lassen, das sie sich ausmalen. Sie starten mit tollen Schul- und Berufsabschlüssen, haben von ihren Eltern gehört, dass ihnen die Welt offensteht. Und dann begegnen sie dem sexistischen Chef, dem überforderten Ehemann, den ehrgeizigen Freundinnen, den traditionsbewussten Bekannten. Sie erwarten von einer jungen Frau etwas anderes, als diese eigentlich tun wollte.
Nee, klar, das macht Sinn. Dass alle möglichen Stinkstiefel, männliche wie weibliche, auch von Männern "etwas anderes erwarten, als diese eigentlich tun wollten", kommt ja eigentlich kaum vor. Wir Männer leisten begeistert staatliche Zwangsdienste, treten Quotentussis zuliebe gerne beruflich zurück und zahlen mit Freude Unterhalt für Kinder, mit denen uns unsere Ex jeglichen Kontakt stur verweigert.
Den "Alpha-Mädchen" zufolge (und es schmerzt ein wenig, über von den Medien hochgehypte einzelne Autorinnen so zu schreiben, als handele es sich um eine ernsthafte politische Bewegung) geht es nur darum, dass der Feminismus seine Strategien ändere, so wie sich die Zeiten und Menschen änderten:
Schauen wir uns um, was derzeit alles passiert. Junge Feministinnen wollen mit dem neuen Magazin MISSY das Thema Popkultur für Frauen aufbereiten, Charlotte Roche hat mit ihrem Roman "Feuchtgebiete" einen neuen Ton in puncto weiblicher Sexualität angeschlagen, Lady Bitch Ray mischt die Männerdomäne Hip-Hop mit ihren Raps auf, im Internet wird in feministischen Weblogs die Zukunft der Frauen diskutiert.
Das ist jetzt euer Ernst, ja? Wenn der "neue Feminismus" ernsthaft aus Charlotte Roche, Lady Bitch Ray und den Massen feministischer Bloggerinnen bestehen soll, dann hat er fast so viel politische Relevanz wie die Kinderbastelgruppe meiner Kirchengemeinde.
Wir wollen eine Debatte darüber, wie die Gleichstellung der Geschlechter in den heutigen gesellschaftlichen Umständen erreicht werden kann und welche Ungerechtigkeiten noch beseitigt werden müssen. Denn nur das Diskutieren und Verhandeln erhält eine soziale Bewegung wie den Feminismus am Leben.
Stimmt, so eine Debatte ist eigentlich überfällig. Warum liest man nur in den Zeitungen so wenig darüber, was Frauen alles wollen? In unseren Medien immer nur diese maskulistischen Forderungen zu hören, ist auf Dauer ja doch ein bisschen einseitig.
Aber sogar wir, die wir erst seit einigen Monaten als Feministinnen wahrgenommen werden, wurden schon zigmal anonym beleidigt und beschimpft, mit Häme und Spott überzogen oder als Frauen einfach nicht ernst genommen.
Ehrlich? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen weshalb.
Labels: Alice Schwarzer, Bücher, Feminismus, Triviales
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