Donnerstag, Januar 30, 2025

"Ausmaß unbeschreiblicher Grausamkeit": Mädchengruppe filmt sich bei brutalem Gewaltexzess gegen 16-Jährige

1. Seit ich 2001 in meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" auf das Problem brutaler Mädchengangs hingewiesen habe, eskaliert es immer mehr, ohne dass diese Entwicklung Teil der genderpolitishen Debatte wird. Wenn die Mädchen sich inzwischen nicht selbst dabei filmen würden, gäbe es nicht einmal Berichte wie diesen im "Focus". Ein Auszug:

Mit seinen eigenen Worten beschreibt "De Winterthurer" das Geschehen in dem Video: "Ein Ausmaß an unbeschreiblicher Grausamkeit, wie ein Mädchen von drei anderen zu Boden gerissen wird, gnadenlos auf ihrem Kopf herumgetrampelt wird, mit einem Schnitt am Vorderhals wird sie vor die Kamera gestellt ... alles wird gefilmt ...". In der Schlussszene ist das Mädchen in einem Wald, alles ist dunkel, sie muss sich nackt ausziehen ... alles wird gefilmt".

Nachdem er das Video auf seinem Instagram-Konto veröffentlicht hatte, hätten sich die Mädchen bei ihm gemeldet und ihn bedroht.

(…) Eine ähnliche Schreckenstat ereignete sich kürzlich in der österreichischen Hauptstadt Wien: Eine 12-jährige Schülerin wurde am 25. Oktober Opfer einer Jugendbande. Drei gleichaltrige Mädchen lauerten ihr auf, misshandelten sie schwer und zündeten ihr Haar an.




2. In der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) erklärt der deutsche Philosoph Philipp Hübl, wie Moral in der gegenwärtigen Empörungsgesellschaft zum Statussymbol und zur Waffe in politischen Debatten werde. Ein Auszug:

NZZ: Herr Hübl, vor einigen Tagen geriet der deutsche Politiker Stefan Gelbhaar in die Kritik wegen sexueller Übergriffe. Es zeigte sich bald, dass die Vorwürfe zumindest teilweise falsch waren. Eine Sprecherin der Grünen Jugend sagte darauf, falsche Beschuldigungen seien nicht so wichtig. Entscheidend sei, dass man den Opfern glaube. Wie ist das zu verstehen?

Philipp Hübl Das ist ein ebenso fataler wie interessanter Satz. Die Idee dahinter entspringt einer edlen Motivation: Man will Opfer von Sexualdelikten schützen. Weil man weiss, dass viele Sexualverbrechen im Dunkeln bleiben und nie angezeigt werden. Weil die Taten selten beweisbar sind, weil sich die Opfer schämen oder sie befürchten, dass man ihnen nicht glaubt. Der Satz "Wir glauben den Opfern" ist Ausdruck einer besonderen Fürsorge für Menschen, denen kein Unrecht geschehen soll.

NZZ: Was ist dagegen einzuwenden, dass Menschen sorgsam miteinander umgehen?

Philipp Hübl Nein, das ist soweit verständlich. Aber die Fürsorge darf nicht das alleinige Leitprinzip sein. Fürsorge beruht auf Mitgefühl. Auch das ist etwas Gutes, aber wir neigen dazu, eher mit Menschen mitzufühlen, die wir mögen, die uns ähnlich sind. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen. Ohne Korrektiv führt das zu Ungerechtigkeiten. Der Grundsatz, den Opfern zu glauben, unterstellt ja zugleich, dass wir wissen, wer ein Opfer ist und wer nicht. Darin liegt der Denkfehler. Niemand würde im Ernst sagen: «Wir glauben allen, die behaupten, Opfer zu sein.» Aber tatsächlich impliziert der Satz das, auch wenn es kaum in der Absicht der Sprecherin lag.

(…) NZZ: Strafen gibt es im Alltagsleben keine. Von daher ist vielleicht auch die Unschuldsvermutung nicht so zentral.

Philipp Hübl Doch, die Unschuldsvermutung muss natürlich auch im Alltag gelten. Es darf nicht sein, dass eine Behauptung reicht, um einen Menschen zum Schuldigen zu machen. Die Sprecherin der Grünen Jugend will Frauen zu Recht vor Diskriminierung und Gewalt schützen, übersieht aber kurioserweise die Möglichkeit der Verleumdung, die ja im Fall Gelbhaar nachgewiesen wurde.

NZZ: Aber auch die Bereitschaft, Leute öffentlich zu beschuldigen, die vielleicht gar keine Täter sind.

Philipp Hübl Nüchtern betrachtet könnte man sagen: Das Ganze ist eine Frage der Priorisierung, da wir ja nie perfekt urteilen. Was ist uns wichtiger: Keine Unschuldigen zu verurteilen oder kein Opfer zu verpassen? Die Rechtsprechung sagt verständlicherweise: Wir dürfen auf keinen Fall jemanden unschuldig ins Gefängnis stecken. Die Alltagsmoral ist heute mehr darauf fokussiert, den Opfern kein Unrecht zu tun.

NZZ: Hat die Sprecherin der Grünen Jugend nicht eine gesellschaftliche Tatsache benannt? Gilt die Unschuldsvermutung im Alltag wirklich noch?

Philipp Hübl In den öffentlichen Debatten ist sie tatsächlich kein Leitprinzip mehr. In sozialen Netzwerken ist die Schwelle niedrig, Vorwürfe in die Welt zu setzen. Sie verbreiten sich schnell, und schon wenn sie erhoben werden, sind die Beschuldigten in vielen Fällen erledigt. Da wird Moral als Waffe eingesetzt. Auch wenn sich die Anschuldigungen im Nachhinein als falsch erweisen, ist die moralische Reputation der Menschen langfristig beschädigt.


Auch Philipp Hübls Buch zu diesem Thema ist lesenswert.



3. In gleich zwei Interviews wird die Pornowissenschaftlerin Madita Oeming zu diesem Genre befragt. So erklärt sie beim Redaktionsnetzwerk Deutschland, wie sehr der Genuss erotischer Filme noch heute von Ideologen stigmatisiert wird:

"Das Internet hat Pornos einerseits durch die Verfügbarkeit normalisiert, auch durch Plattformen wie Only Fans, die in Mainstreammedien auftauchten, in Popkultur übergehen und relativ breit diskutiert werden. Gleichzeitig gibt es große Widerstände dagegen. Historisch betrachtet war jeder Sichtbarkeitsschub von Pornografie mit gesteigertem Widerstand verbunden – durch feministische oder konservative christliche bis rechte Gegenbewegungen."


In der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) kann die Wissenschaftlerin einige Punkte weiter ausführen:

Madita Oeming: Mit dem Aufkommen von Massenmedien durch die Industrialisierung erreichten pornografische Inhalte erstmalig ein breiteres Publikum. Das wurde von den Obrigkeiten als Gefahr für die soziale Ordnung verstanden. Die Erregung schien außerdem die Vernunft herauszufordern, die die sogenannte Aufklärung ja in den Mittelpunkt stellte.

FAZ: An diesem Dienstag vor 50 Jahren wurde Pornografie in der Bundesrepublik legalisiert. Was hat sich seitdem verändert?

Madita Oeming: Vieles – und gleichzeitig sehr wenig. Einerseits haben wir einen rasanten technologischen Wandel erlebt, der zu einem Boom der Pornonutzung geführt hat. Nach dem Pornokino kam der Videorekorder, der den Porno nach Hause gebracht hat – und schließlich das Internet. Porno ist heute einfach und kostenlos zugänglich. Gleichzeitig sehen wir eine Kontinuität des Tabus: Pornonutzung wird noch immer stigmatisiert und auch pathologisiert. Ich nenne es gerne ein alltägliches Tabu. Pornos sind weit verbreitet, aber trotzdem haben wir keine Gesprächskultur darüber entwickelt. Und sie nicht einmal vollständig entkriminalisiert.

(…) FAZ: Aber haben nicht der feministische Porno und Angebote wie die Plattform "Femtasy" Porno aus der Schmuddelecke herausgeholt? "Femtasy" richtet sich explizit an Frauen und wirbt mit Pastellfarben und "sexual wellbeing" für seine Erotik-Hörbücher – und erwirtschaftet damit nach eigenen Angaben bereits Millionenumsätze.

Madita Oeming: Ich finde nicht. Sie haben höchstens eine Hierarchie aufgemacht. Guter Porno, böser Porno. Das Label "feministischer Porno" – und gerade solcher Anbieter wie "Femtasy" – funktionieren ja ganz stark über die Abwertung herkömmlicher Pornografie und werden auch eher als Ausnahmen wahrgenommen. Somit verstärken sie insgesamt das negative Image.

FAZ: Was heißt das?

Madita Oeming: Sie arbeiten genau mit dem bekannten Narrativ, dass Pornos problematisch sind, um ihr eigenes Produkt als das Bessere und Ethische zu verkaufen. Was wir sehen, ist eigentlich nur eine dogmatische Verschiebung zu den vermeintlich besseren Pornos, die sich dann aber häufig nur durch Ästhetik, Komplexität oder künstlerische Qualität auszeichnen. Das sind keine feministischen Kriterien für mich. Hier wird die alteingesessene Abwertung von Sex und die Aufwertung von Kunst eigentlich nur wiederholt. Das finde ich kritisch.

(…) FAZ: Noch einmal zurück zu dem, was Frauen vermeintlich sehen oder hören wollen – lässt sich nicht sagen, dass es vor allem Männer sind, die Pornos schauen?

Madita Oeming: Mehr vielleicht, aber Frauen holen auf. Fast 80 Prozent der erwachsenen Frauen in Deutschland sagen, dass sie schon öfter Pornos gesehen haben. Selbst große Mainstream-Porno-Plattformen sprechen von einem Frauenanteil von 35 Prozent bei ihrem Publikum. Und sowohl Studien als auch Klickzahlen legen nahe, dass die geschlechterspezifischen Unterscheide kleiner sind als die individuellen. Also weder wollen alle Männer das Gleiche sehen, noch wollen Frauen grundsätzliche etwas anderes. Auch, dass Frauen grundsätzlich visuell nicht so leicht zu erregen seien wie Männer, ist ein Mythos und inzwischen widerlegt. Studien zeigen, dass Männer und Frauen rein körperlich identisch auf pornografische Reize reagieren.

FAZ: Aber warum hält sich diese Vorstellung dann so hartnäckig?

Madita Oeming: Wir klammern uns als Gesellschaft an Geschlechterunterschieden und biologistischen Erklärungen fest. Und die haben wir so sehr verinnerlicht, dass wir sie oft selbst glauben. In besagten Studien zeigte sich eine Diskrepanz zwischen der nicht kontrollierbaren neurobiologischen Reaktion und den Aussagen der Frauen. Entweder haben sie ihre körperliche Erregung nicht zugegeben oder sogar gar nicht wahrgenommen.


Auch über solche Untersuchungen hatte ich bereits 2001 in meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" berichtet. Damals hatte Alice Schwarzer in ihrer Zeitschrift "Emma" noch viel geifernder als heute gegen Pornos gewettert – vermutlich weil sie als reines Männermedium galten und Schwarzer hoffte, über die Pornos einmal mehr die Männer niedermachen und beschämen zu können. Derartige Versuche waren politisch gefährlich einflussreich. Ich zitiere mal eine Passage aus meinem Buch, die das ganz gut zeigt:

Im September 1998 veröffentlichte die Zeitschrift "Emma" eine Petition für das gesetzliche Verbot von Pornographie. "Zwei von drei jungen Männern in Deutschland frequentieren heute regelmäßig pornographische Medien", heißt es darin. "Pornographie ist sexualisierter Hass. ... Er muss in der Zukunft ähnlich geahndet werden können wie Fremdenhass oder Antisemitismus: Wer in Wort, Schrift oder Bild zu Hass oder Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt, sie in ihrer Menschenwürde verächtlich macht oder erniedrigt, macht sich der Volksverhetzung schuldig und wird mit Freiheitsstrafe bestraft. ... Schon der Besitz von Pornographie ... muss international verboten, verfolgt und bestraft werden. Denn die Konsumenten von heute sind die Täter von morgen." Unterschrieben ist die Petition unter anderem von Sabine Bergmann-Pohl (CDU), Andrea Fischer (Grüne), Michaela Geiger (CSU), Regine Hildebrandt (SPD), Rita Süssmuth (CDU) und Christine Bergmann (SPD). Letztere ist inzwischen Frauenministerin in Bonn und schickt sich einem "SPIEGEL"-Interview zufolge gerade an, das geforderte Pornographie-Verbot durchzusetzen - wobei sie mit den Erotika sexueller Minderheiten wie der Sadomasochisten anfangen möchte. In Kanada sind genau die von "Emma" aufgestellten Forderungen übrigens 1992 Gesetz geworden.

Es ist auffallend, dass sich hier ein alle politischen Lager übergreifender Konsens gebildet hat. Selbst auf einen Einspruch der Liberalen darf man verblüffenderweise nicht rechnen, "Pornographie ist die erniedrigende Darstellung von Sexualität", behauptet Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Den weitaus größeren Teil der Konsumenten verleitet es zu Gewalt und Penetration ihres sexuellen Gegenübers." Hui. Pornographie "verleitet" also zur "Penetration", die hier in einem Atemzug mit "Gewalt" genannt wird, als wären's siamesische Zwillinge.


Ohne den Siegeszug des Internets, der es illusorisch gemacht hat, Pornos verbieten zu wollen, und ohne die wachsende Erkenntnis, dass auch zahllose Frauen solche Medien genießen, hätten wir solche Kreuzzüge entweder heute noch oder sie wären erfolgreich gewesen. Heute spricht kaum jemand über die damals weit verbreitete pseudowissenschaftliche Behauptung, der Konsum erotischer Filme würde zu Gewaltverbrechen führen. Ich fürchte jedoch, unter der Oberfläche gären solche Phantasien und damit verbundene Verbotswünsche noch immer. "Hilfe, er guckt Pornos!" titelte die "Emma" noch vor ein paar Jahren. "Zensur ist der stärkste Drang der menschlichen Natur" schrieb in den Neunzigern treffend ein Leitkolumnist der Los Angeles Times. "Sex kommt abgeschlagen an zweiter Stelle."



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