Mittwoch, Januar 29, 2025

"Wenn ich auf korrekte Grammatik poche, werde ich an Unis als rechts bezeichnet"

1. Für "Die Welt" (Bezahlschranke) berichtet der mehrfach preisgekrönte Wissenschaftsjournalist Tim Schröder über den Gender-Zwang an Universitäten. Ein Auszug:

Eines muss man der Ampelregierung zugestehen. Sie hat das Gendern in so ziemlich allen Bundesministerien, Bundesämtern und Institutionen, die aus Bundesmitteln finanziert werden, mit Erfolg durchgesetzt. Es genügt, einen Blick auf die Websites werfen. Beim Kraftfahrtbundesamt ist inzwischen von "Nutzendeninformationen" und "Kraftfahrenden" die Rede. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr kümmert sich um den Schutz von "zu Fuß Gehenden" und beim "Bundesamt für Flüchtlinge" begrüßt man "Kursteilnehmende" und "Asylbewerbende". Andere Behörden gendern durch permanente Beidnennung wie "Seniorinnen/Senioren". Und auch das Gendersternchen oder der Doppelpunkt werden nach wie vor gern verwendet – etwa in "Bürger*innenrat".


Schröder setzt diese Sprachverhunzung in Kontrast mit der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung, die in einer Umfrage nach der anderen das Gendern ablehnt. (Genderama berichtete.)

Ungeachtet dieser Befunde, gendern die Behörden munter weiter. Und auch einige meiner Journalistenkollegen halten es für wichtig oder höflich, mit dem Gendern permanent kundzutun, dass sie stets an alle Geschlechter denken. Die Domänen, in denen am intensivsten gegendert wird, dürften indes die Hochschulen und die Forschungslandschaft sein. Wer heute die Tür zur Alma mater öffnet, tritt in eine Parallelwelt ein, in der das Gendern zur Pflicht geworden ist. Hier ist nur noch von "Forschenden", "Studierenden", "Dozierenden" und "BibliothekarInnen" die Rede – aller grammatikalischen Logik zum Trotz. An der Universität Köln zum Beispiel spricht man inzwischen statt vom "Softwareberater" von "einer Person, die kompetent in der Softwareberatung ist". Man dreht sprachliche Pirouetten, um das korrekte generische Maskulinum wie der "Wissenschaftler" oder "Experte" zu neutralisieren; das sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass es Personen keinem Geschlecht zuordnet und somit geschlechtsneutral ist.

Doch wie kommt es zu dieser Diskrepanz? Obwohl der Großteil der Bevölkerung dem Gendern nichts abgewinnen kann, gendert die akademische Elite. Zu einem Teil liegt es daran, dass das Gendern ein genuin akademisches Pflänzlein ist, das in den vergangenen Jahren vor allem in den Geisteswissenschaften kultiviert worden ist. Dass es sich in der gesamten akademischen Landschaft aber derart durchsetzen konnte, hat vor allem einen Grund: Weil Druck gemacht wird. Als Wissenschaftsjournalist schreibe ich für viele verschiedene Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Inzwischen ist es mir nicht mehr möglich, Texte mit generischem Maskulinum, also der korrekten Schreibweise, durchzukriegen. Die Beidnennung wie "Expertinnen und Experten" ist das Mindeste; wobei das grober Unfug ist, denn mit der Beidnennung spricht man explizit nur von "Frau" und Mann". Diverse Menschen, um die es den Befürwortern der Gendersprache ja in erster Linie geht, sind damit ausdrücklich ausgeschlossen.

Interessanterweise wird der Genderzwang meist nicht direkt ausgeübt. Er spielt sich subtiler ab. In den Verträgen, die ich unterschreiben muss, wird auf "Genderleitfäden" oder "Richtlinien" verwiesen. So etwa in dem Vertrag eines Forschungsinstituts, den ich kürzlich erhielt. Darin stand: "Wir empfehlen, bei der Nennung von Geschlechtern beide zu nennen oder geschlechterneutrale Formulierungen zu verwenden, vor allem in personalpolitischen Bereichen."

Da hier "empfohlen" wurde, wählte ich für meinen Text das generische Maskulinum als korrekte geschlechtsneutrale Form. Die E-Mail, die mir die Kollegin aus dem Institut schickte, las sich dann wie folgt: "Zum Thema Gendern haben wir sehr klare Richtlinien, die wir auch umsetzen müssen. Ich habe diese nun bereits auf den Text angewendet (siehe anbei). Wenn Sie sich damit nicht identifizieren können, würde ich auf Ihre Nennung als Autor verzichten." Die Empfehlung entpuppte sich als Zwang.

Genderbefürworter betonen nach wie vor, dass man tolerant sei. Jedem stehe es frei, zu gendern oder nicht. Ich erlebe beinahe wöchentlich, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Vorgaben sind knallhart und müssen umgesetzt werden. Ein Beispiel für das Selbstverständnis derer, die sich tolerant geben aber das Gendern einfordern, weil sie am längeren Hebel sitzen, liefert diese E-Mail-Korrespondenz mit einer Wissenschaftsagentur. Mit dem Anschreiben suchte die Mitarbeiterin nach freien Autoren für ein Technikmagazin.

Da sie mit "liebe Kolleg*innen" gegenderte, antwortete ich: "Vorab eine Nachfrage. Wie sieht es mit Ihrer Gender-Policy aus? Dürfen wir Autoren die Texte mit generischen Feminina und Maskulina schreiben?" Antwort der Agentur-Mitarbeiterin: "Lieber Herr Schröder, wieso, würden Sie nicht gendern wollen?" Meine Antwort: "Ich verwende ich meinen Texten grundsätzlich keine Gendersprache. Es wäre mir wichtig, dass, sollten die Texte als Namensartikel erscheinen, keine Gendersprache eingebaut wird." Agentur-Mitarbeiterin: "Lieber Herr Schröder, wie schade. Ich würde niemals jemanden zwingen, zu gendern. Aber wenn Sie nicht wollen, müssen Sie ja nicht für uns schreiben." Meine Antwort: "Kurz nochmal nachgefragt. Werden die Texte im Magazin nun gegendert oder nicht?" Agentur-Mitarbeiterin: "Lieber Herr Schröder, ja, es ist allerdings noch nicht klar, ob mit Sonderzeichen oder durch Nennung beider Geschlechter."

Als Journalist weiß ich inzwischen sehr genau, mit welchen Mitteln in der Wissenschaftskommunikation das Gendern eingefordert wird. Wie innerhalb der Hochschulen Druck erzeugt wird, war mir lange unklar. Durch Zufall traf ich vor wenigen Tagen einen Hochschullehrer, der bereit war, aus dem Hochschulalltag zu berichten. Er möchte anonym bleiben. "Auch bei uns gibt es ,Gender-Empfehlungen‘, die in der Praxis aber umgesetzt werden müssen", sagt er. "Fakt ist, dass ich in den vergangenen Jahren in der internen und externen Kommunikation keinen ungegenderten Text mehr veröffentlichen konnte. In jedem Fall muss ich mich mit den Gleichstellungsbeauftragten, Mit-Autoren oder Verlagen um Formulierungen intensiv auseinandersetzen, mit manchen gar streiten." Schicke man zum Beispiel ungegenderte Stellenanzeigen raus, werde man vom Gleichstellungsbüro postwendend angezählt.

"Im Alltag zeigt sich, dass die meisten Kollegen solchen Konflikten aus dem Weg gehen, um sich Ärger zu ersparen", sagt der Hochschullehrer. In letzter Konsequenz gendere man dann halt mit. "Die Diskussionen werden sehr schnell sehr emotional. Selbst wenn ich sachbezogen bleibe und auf korrekte Grammatik poche, werde ich schnell als konservativ und in manchen Fällen als rechts bezeichnet." Sein Hochschulalltag zeige, dass der Druck vor allem von einer Minderheit erzeugt werde – den Gleichstellungsbeauftragten und insbesondere auch den Studenten im Allgemeinen Studentenausschuss. "Die meisten anderen Studenten finden es sogar sehr gut, dass ich als einer der wenigen gegen das Gendern klar Stellung beziehe."

Doch in manchen Fällen sehe auch er sich gezwungen zu gendern – etwa bei der Bewerbung um eine neue Anstellung. "Wenn ich mich an einer anderen Hochschule um eine neue Position bewerbe, muss ich davon ausgehen, dass im Gremium Gleichstellungs- oder Diversity-Beauftragte sitzen. Da die erfahrungsgemäß zu den Genderhardlinern zählen, gendere ich mein Anschreiben, um nicht Gefahr zu laufen, gleich aussortiert zu werden." Dasselbe gelte für Drittmittelanträge bei Stiftungen. "Auch dort wird inzwischen umfassend gegendert. Das Risiko, mit einem ungegenderten Antrag anzuecken, kann ich nicht eingehen – also gendere ich."

Längst machten auch Wissenschaftsverlage Druck und verlangten gegenderte Manuskripte, sagt er. Auch dort poche er auf korrekte Grammatik. Bei Verlagen, die Wert auf seine Fachartikel legten, komme er damit durch. Bei anderen nicht. Dort könne er nicht mehr publizieren.




2. Im "Stern" setzt sich Viorica Engelhardt mit den Falschbeschuldigungen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar auseinander. Ein Auszug:

Der seit 2017 grassierende #MeToo-Slogan "believe women" ist ein lobenswerter feministischer Anspruch. Doch er verkommt zur quasi religiösen Ideologie, wenn Nachfragen und Zweifel grundsätzlich unerwünscht sind. Es ist kein Widerspruch, empathisch zu sein und gleichzeitig genau zu recherchieren.

(…) Das grüne Selbstverständnis als feministische Partei kommt hier an einen wunden Punkt. Auf der Website der Grünen heißt es über die Arbeit ihrer Ombudsstelle: "Wir stellen die Betroffenengerechtigkeit in den Vordergrund. Die Perspektive der Betroffenen ist für uns handlungsleitend." Übersetzt bedeutet das: Wir sind vorsätzlich parteiisch.

(…) "Betroffenengerechtigkeit". Offenbar wird dieses Wort in der Grünen Jugend falsch verstanden. Es sollte nicht bedeuten, dass alle Frauen automatisch Recht haben, nur weil sie Frauen sind. "Betroffenengerechtigkeit" sollte heißen: Wir handeln im Sinne aller Menschen, die tatsächlich sexualisierte Gewalt erlebt haben. Niemand, der so eine furchtbare Erfahrung machen musste, wünscht sich Trittbrettfahrer(innen). Man müsse die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs "ernst nehmen", heißt es immer. Dieser Fall beweist, dass Vorwürfe "ernst nehmen" immer bedeuten muss, dass man sie sorgfältig prüft. Das ist gerade im Sinne von Feministinnen: Es erhöht die Glaubwürdigkeit aller tatsächlichen Opfer.

(…) Falschbezichtigungen gegen Männer sind keine Kollateralschäden, die man halt in Kauf nimmt, um die gute, feministische Sache voranzutreiben. Ganz im Gegenteil. Falschbezichtigungen sind unfeministisch. Denn Feminismus bedeutet: mehr Gerechtigkeit, mehr Solidarität. Gerade eine Bewegung, die sich richtigerweise für Opfer starkmacht, sollte das Ziel haben, tatsächliche Opfer von Trittbrettfahrer(innen) zu trennen. Sonst kostet es die Bewegung kostbares Vertrauen.


Leider enthält Engelhardts Artikel auch einigen Unfug, der natürlich als "Fakten", die "wahr sind", verkauft wird, darunter, dass Falschbeschuldigungen selten sind und häusliche Gewalt vor allem von Männern ausgeht. Hier hätte es der Autorin gut angestanden, selbst sorgfältig zu prüfen, bevor sie weit verbreitete Behauptungen einfach nachplappert.



3. Mit "Die fragilen Egos von Männern werden die Welt zerstören" verbreitet Tara-Louise Wittwer auf Spiegel-Online sexistischen Hass. Kernaussage des reichlich wirren verschriftlichten Wutanfalls ist, dass sich Elon Musk, Mark Zuckerberg und Donald Trump gegenseitig die Eier kraulen, wobei man sich bei Musk nicht sicher sei, ob er "eigentlich ein Echsenmensch" ist. Schönste Passage, bevor Wittwer beschließt, jetzt lieber Feenbücher zu lesen:

Kein krasser Komet, der uns alle niederschmettert im Emmerich-Style, keine Aliens sind auf die Erde gekommen, nicht mal Jesus ist auferstanden, niemand kommt, außer drei Männer, die in der absoluten Banalität ihrer eigenen Egos baden, die mit viel Geld ihre eigene Relevanz insofern erkauft haben, als wir alle ihre Sims geworden sind, die dabei zuschauen, wie sie uns untergehen lassen. Mein Gott, bin ich gelangweilt, sogar von mir selbst.


Die Ansprüche, damit ein Artikel auf Spiegel-Online erscheinen darf, sind befremdlich niedrig geworden.



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