Dienstag, März 19, 2024

Leben mit einem gesellschaftlichen Tabu: Vergewaltigte Männer in Kosovo

1. Während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien waren Massenvergewaltigungen ein verbreitetes Kriegsverbrechen, besonders in Kosovo 1998/99. Auch Männer zählten dazu. Ein Betroffener berichtet der Deutschen Welle.

Es handelt sich um den meiner Kenntnis nach ersten deutschsprachigen Medienbeitrag über dieses Thema. Als ich es in meinem Buch "Sexuelle Gewalt gegen Männer" behandelt habe, konnte ich nur auf englischsprachige Artikel zurückgreifen.



2. Unter anderem mit Elektroschocks an den Genitalien werden ukrainische Kriegsgefangene einem UN-Bericht zufolge monatelang gefoltert.

Die Misshandlungen seien "entsetzlich", systematisch und weitverbreitet, berichtete die Ukraine-Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates am Freitag in Genf. In ihrem jüngsten Bericht schilderte die Kommission unter anderem den Fall eines Mannes, dem in Gefangenschaft Steißbein, Schlüsselbein und Zähne gebrochen wurden. Er schilderte den UN-Fachleuten auch, dass er so stark geschlagen wurde, dass er aus dem Anus blutete. Seit seiner Entlassung musste er 36 Mal operiert werden.

(…) "Die Schilderungen der Opfer zeigen, dass ihnen brutal und unablässig schwere Schmerzen und schweres Leid während nahezu der gesamten Haftzeit zugefügt werden", hieß es. (…) Laut der Kommission handelt es sich bei der Folter durch russische Armeeangehörige und Gefängnisbeamte um Kriegsverbrechen.




3. Dänemark will die Wehrpflicht auch für Frauen einführen: als drittes skandinavisches Land nach Norwegen und Schweden und damit auch als drittes NATO-Mitglied. Angesichts der Sicherheitslage in Europa müsse die Zahl der Wehrdienstleistenden vergrößert werden, argumentierte die Regierung in Kopenhagen. Darüber hinaus soll die Wehrpflicht von bislang vier auf elf Monate verlängert werden.



4. "Ukraine: Wer eine Frau mit Behinderung heiratet, muss nicht an die Front" titelt die linke Wochenzeitung FREITAG. In Tigran Petrosyans Artikel, der hinter einer Bezahlschranke steht, heißt es:

Blond, groß gewachsen, schlank. Diese ebenso klischeehaften wie sexistischen Vorstellungen bei der Suche nach der perfekten Ehefrau sind in der Ukraine längst nicht mehr so weit verbreitet, wie sie es vielleicht mal waren, in den Zeiten vor dem Krieg. Der Heiratsmarkt funktioniert inzwischen eher nach dem Motto: "Je behinderter auf dem Papier, desto besser."

Wie diskriminierend und billig dieser Satz auch klingen mag: Er funktioniert. Denn wenn ukrainische Frauen mit einer bescheinigten körperlichen Einschränkung in die Ehe einwilligen, dann rettet das vielen jungen Männern in der Ukraine das Leben. Wer seine Ehefrau pflegen und ins Ausland begleiten muss, kann sich dem Kriegsdienst entziehen und damit der Gefahr, an der Front getötet zu werden. Aber diese Möglichkeit hat auch Konsequenzen – für die Frauen, und für die Männer. Angebot und Nachfrage nach einer solchen Scheinehe werden inzwischen natürlich massiv über die sozialen Medien befeuert, in der Ukraine hat sich eine regelrechte Heiratsindustrie zwischen Wehrpflichtigen und Frauen mit Einschränkungen entwickelt. Und das ist nicht die einzige Lücke, die von Männern genutzt wird, um ihr Leben zu schützen: Auch das alleinige Sorgerecht für Kinder wird seit Kriegsausbruch von Vätern erstritten.

(…) Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen nach wie vor das Land nur unter bestimmten, sehr eng gefassten Voraussetzungen verlassen. Seit Beginn der russischen Invasion hat der staatliche Grenzschutz mehr als 24.000 Männer festgenommen, die versuchten, die Grenze illegal zu überschreiten. Und die Zahl der Männer, denen dies gelungen ist, könnte mehr als 20.000 betragen, wie die britische BBC herausgefunden haben will. Laut BBC sei dies durch die Abfrage von Daten über illegale Grenzübertritte aus den Nachbarländern Rumänien, Moldau, Polen, Ungarn und der Slowakei festgestellt worden.

Die mehr als 40.000 Männer, die geflohen sind oder zu fliehen versuchten, könnten einen erheblichen Teil der Männer ausmachen, die die Ukraine benötigt, um ihre Armee aufzufüllen. Im August 2023 schätzten US-Beamte diese Zahl auf bis zu 70.000 – die ukrainische Regierung selbst allerdings will keine Zahl nennen.

(...) Nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes wurden immer wieder Männer beim Versuch des illegalen Grenzübertritts festgenommen und vor Gericht gestellt. An der ungarisch-rumänischen Grenze versuchten Männer, die Grenze mit Schlauchbooten zu überqueren, wofür sie ihren "Helfern" 2.000 Euro gezahlt haben sollen.

Einige Fluchtversuche verliefen durchaus dramatisch oder auch tödlich. Ein Video zeigt beispielsweise einen Mann, der durch den Dnjestr in Richtung Moldau schwimmt, bis moldauische Grenzsoldaten ihn in Empfang nehmen. Ein anderes Video zeigt Leichen von Männern, die im Grenzfluß Theis zwischen der Ukraine und Rumänien treiben. Es gibt natürlich auch weniger gefährliche Versuche, dem Militärdienst zu entgehen. So fälschen Männer Dokumente, die sie für dienstuntauglich, behindert oder zum Vater von drei oder mehr Kindern erklären. Und zu den verbreiteten Strategien gehört das Schließen von Scheinehen mit behinderten Personen (um unter dem Vorwand ihrer Begleitung ins Ausland reisen zu können). Solche "Dienstleistungen" kosten in der Ukraine derzeit mehrere Tausend Euro.

Die Zahl der Männer, die vom Gericht das alleinigen Sorgerecht eines Kindes zugesprochen bekommen und damit vom Kriegsdienst befreit werden, hat sich inzwischen drastisch erhöht – fast verzehnfacht. Das Medienunternehmen NGL Media machte Anfang 2024 diese Form der Korruption publik. Im Juli des Vorjahres hatte sich der Anwalt einer Militäreinheit an das Medienunternehmen gewandt. Aus dieser Einheit hatten innerhalb kurzer Zeit ein Dutzend Soldaten ihren Austritt aus der Armee beantragt. Die Begründung: Sie seien nach ihrer Scheidung alleinige Vormunde ihrer minderjährigen Kinder. Mehr als 30.000 Sorgerechtsstreitigkeiten der letzten zwei Jahre untersuchte das investigative Team von NGL Media. Vor dem Krieg hätten sich die Familien oft untereinander geeinigt – oder die Frauen seien vor Gericht gezogen. Im Jahr 2019 seien nur 133 Entscheidungen zugunsten der Väter gefallen, 2022 waren es bereits 859 und im vergangenen Jahr 2.708.Auffällig sei laut NGL Media, dass 30 Prozent dieser Sorgerechtsentscheidungen von einem Gericht in einer Kleinstadt rund 80 Kilometer von Odessa entfernt getroffen wurden. Und genau dort gingen Klagen aus dem ganzen Land ein. Auch die Antikorruptionsbehörden sind auf diese Fälle aufmerksam geworden und haben Hausdurchsuchungen durchgeführt.

Anwälte, Vermittler und vier Richter werden nun verdächtigt, von dem Verfahren profitiert zu haben. Die ukrainischen Männer sollen 3.500 Euro pro Sorgerechtsfall gezahlt haben. Diese wurden als Teil der Anwaltshonorars deklariert. Die Anwälte wiederum sollen die Bestechungsgelder an die Richter weitergeleitet haben. An das kleine örtliche Gericht seien durch dieses System allein im vergangenen Jahr rund drei Millionen Euro geflossen.

Das Dilemma all dieser Fälle und der aktuellen Debatte über den Kriegsdienst in der Ukraine liegt natürlich auf der Hand. Wenn mann) nicht in den Krieg zieht, muss es ein anderer tun. Mit anderen Worten: Entweder man opfert sich selbst, oder man rettet sich und fordert das Opfer eines anderen. Gesamtgesellschaftlich gesehen ist hier Gerechtigkeit gefragt.

(…) Die Frage nach der gerechten Lastenverteilung beim Militärdienst in der Ukraine wird weiter Diskussionen auslösen. "Das Mobilisierungsgesetz wird noch für Empörung sorgen. Aber unabhängig davon werden Männer immer Mittel und Wege finden, die Mobilisierung zu umgehen", sagt ein ukrainischer Journalist, der für europäische Medien berichtet und deshalb ausreisen darf, gegenüber dem FREITAG. Er will anonym bleiben. Sein Argument: Auch wenn Versammlungen in Kriegszeiten verboten seien, könnten Demonstrationen die Unzufriedenheit verringern, wenn die Zeit des Militärdienstes befristet werde und die Männer nach Ablauf dieser Frist zu ihren Familien zurückkehren könnten. Die Demonstrationen von Soldatenfrauen haben etwas bewirkt. Die Korruption werde trotz der harten Strafen weiter blühen, meint der Journalist. Nur der Preis für den Freikauf vom Militärdienst werde steigen. Heute brauche man schon bis zu 9.000 Euro, um die Grenze überqueren.

In der Rekrutierungsfrage sieht der Militärexperte Dikij derweil aber noch einen ganz anderen Spielraum. "Zwangsmobilisierungen sind keine Besonderheit der Weltgeschichte. Schließlich wurde noch nie ein großer Krieg allein durch Freiwillige gewonnen."


Währenddessen berichtet die Washington Post über ein Dorf, in dem es fast keine Männer mehr gibt. Die wenigen, die noch übrig sind, befürchten jeden Moment ihren Zwangseinzug an die Front. Dabei wird in diesem Dorf die männerfreie Welt, die sich so manche Feministin erträumt, zur Wirklichkeit.



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