Montag, Januar 04, 2016

Marius Jung: "Moral für Dumme" (Buchvorstellung)

Ginge es nach den politisch korrekten Sprachreformern, lautete der Standardsatz von Obelix nicht mehr, "Die spinnen, die Römer!", sondern "*spinnen, "Röm*!"


So heißt es auf dem Backcover des Buches Moral für Dumme. Das Elend der politischen Korrektheit des schwarzen Kabarettisten Marius Jung (mit Oliver Domzalski als Co-Autor), der zuvor schon mit seinem Bestseller Singen können die alle! Handbuch für Negerfreunde für hochkontroverse Debatten gesorgt hatte. Ähnlich wie die E-Book-Satire Ist der Feminismus noch zu retten? setzt sich Jungs Buch mit den Auswüchsen der Politischen Korrektheit in Deutschland auseinander: eine Ideologie die Jung als "ideale Religion für Hirnwichser" bezeichnet. Dabei betont Jung bereits im Vorwort, dass das problemlos möglich ist, ohne sich deshalb dem rechten Lager anschließen zu müssen:

Natürlich wissen wir, dass die wirklich schlimmen Gegner nicht die Politisch Korrekten sind, sondern die Reaktionäre und Machos, die Rassisten und Faschisten. Also, liebe Pirinccis, Sarrazins, Klonovskys, Achsionäre des Guten, AfDler, Pegidisten, UKIPs, Politisch Inkorrekte, Neocons, Tea-Party-Wichser, Compacte, Fox-News-Fans und so weiter: Ihr könnt das Buch jetzt weglegen. Als Kronzeugen eurer durch und durch unsympathischen und inhumanen Weltsicht stehen wir nicht zur Verfügung. Wir meinen allerdings, dass man die PC trotzdem kritisieren darf und nicht die Klappe halten muss, weil man damit "falsche Freunde" auf den Plan rufe. (Es hat dem Sozialismus schließlich auch nicht geholfen, sondern massiv geschadet, dass er Kritik aus den eigenen Reihen mit der Begründung unterdrückt hat, sie könne Antikommunisten in die Hände spielen.) Ja, "Political Correctness" ist mittlerweile auch ein Kampfbegriff von Rechten, die damit die Überzeugungen attackieren wollen, die hinter der PC stehen. Und, ja: Sie übertreiben maßlos, wenn sie sich zu Opfern der PC stilisieren und behaupten, ihrer Meinungsfreiheit beraubt zu werden. Aber wir finden es falsch, darauf zu reagieren, indem man kurzerhand bestreitet, dass es überhaupt irgendwelche Denk- und Sprechverbote gebe.


Jungs solcherart differenzierte Einschätzung entspricht der Haltung vieler linker Männerrechtler: Er wendet sich gegen eine Auffassung, die sowohl von Social Justice Warriors vom Schlag eines Andreas Kemper als auch von Einzelnen am rechten Rand der Männerszene vertreten wird, nämlich dass jemand, der die irrwitzigen Auswüchse der Politischen Korrektheit kritisiere, automatisch "rechts" sein müsse und jede anderslautende Darstellung nur eine Art Maskerade sein könne, um Anfeindungen zu entgehen. Jung stellt hierzu lapidar fest:

Viele können sich nicht vorstellen, dass ich gegen PC bin, obwohl ich mich nicht dem reaktionären Lager zurechne. Wenn etwas nicht in die Schublade passt, hören manche eben direkt auf mit dem Denken.


Allerdings. Tatsächlich erkennen auch immer mehr Linke, wie sehr Politische Korrektheit immer wieder zu einer "Moral für Dumme" verkommt; rechte und linke Männerrechtler vertreten in dieser Debatte schlicht unterschiedliche Werte und Ziele. ("Traditionalistischer Antifeminismus und egalitärer/maskulistischer Antifeminismus haben praktisch keine ideologischen Berührungspunkte" stellte ein User mit dem Nick "Bombe 20" kürzlich fest.) Daher fällt es auch einem Linken wie Marius Jung leicht, feministische Positionen zu karikieren und zu kritisieren – wobei er explizit die "Frauen-sind-die-besseren-Menschen"-Haltung dieser Ideologie anspricht – und so Positionen von Männerrechtsbewegung und Feminismuskritik aufzugreifen. Das geschieht mal durch einen mitunter recht schwarzen Humor, etwa wenn er unter dem Bild eines ans Kreuz genagelten Jesus Christus fragt "Warum nicht mal 'ne Frau?" oder satirisch folgenden angeblichen Vorschlag einer Kommission für gendergerechte Sprache präsentiert:

Da die Formulierung "Jüdinnen und Juden" eine Festlegung auf zwei Geschlechter enthält, wird als neue Schreibweise Juden* vorgeschlagen. Noch ungeklärt ist, ob der Stern gelb sein soll.


Um die "Sprachpolizei" des Feminismus und dessen Lust an Wortverboten zu persiflieren, schreibt Jung:

Eine glatte Gemeinheit ist übrigens die Herkunft des Begriffes "femina" für "Frau". Er geht auf den indogermanischen Begriff für "säugen" zurück. Das Wort "Feminismus" reduziert Frauen sprachlich also auf milchgebende Wesen. Uiuiui!


In anderen Passagen seines Buches ist Jungs Gesellschaftskritik sachlicher:

So richtig schlimm wird es, wenn man Kindern diesen Generalverdacht gegen ihre eigenen männlichen Bezugs- und Vertrauenspersonen einimpft. So werden in Deutschland händeringend männliche Erzieher gesucht – einerseits. Als Rollenmodell, für eine vielfältigere Erziehung und weil Männer sich endlich auch mal an der bisherigen Frauenaufgabe "Erziehung" beteiligen sollen. Aber andererseits kennt jeder männliche Erzieher die panischen Blicke von Eltern, wenn der Angstfilm in ihren sexualisierten Hirnen abläuft: Ein MANNMONSTER soll mein wehrloses Kind auf den Schoß nehmen? Oder es gar wickeln? No way! Und so gibt es in immer mehr Kitas Regeln, die es männlichen Erziehern verbieten, Kindern zu nahe zu kommen. Aber wie soll ein Kind, das sich wehgetan hat, begreifen, warum der nette Erzieher es nicht auf den Arm nimmt und tröstet? Ausgerechnet jetzt, wo es seine liebevolle Zuwendung am dringendsten braucht?


An einer anderen Stelle merkt Jung an:

Die vermeintliche Selbstverständlichkeit, dass die Quote auch für Männer gelte, sofern sie in einem Betrieb in der Minderheit seien oder sogar diskriminiert würden, rief den Protest zahlreicher Gleichstellungsbeauftragter hervor. Männer als Opfer? Das kann doch per se nicht sein! Opfer können immer nur Frauen sein.


Über Anne Wizoreks kuriose Vorstellungen von unserer Gesellschaft lästert Jung:

Sie fordere "eine Welt, in der Mädchen und Frauen mehr zugetraut wird als Schminken und Schuhkauf". Ja, das wird wirklich höchste Zeit, dass man Frauen noch was anderes zutraut! Vor allem Frau Wizorek sollte das endlich mal tun. Weil sie dann möglicherweise einen Blick dafür bekommt, dass die Welt längst weiter ist, als ihr beschränktes Frauenbild ihr vorspiegelt.


Dabei thematisiert Jung auch, wie unzureichend sich das Lager der Social Justice Warriors mit anderen Meinungen auseinandersetzt:

Interessanterweise ging die politisch korrekte Kritik an Birgit Kelle nicht auf ihre Argumente ein, sondern monierte lediglich ihre "Nähe zu christlichen Gruppen". Zu deutsch: Mit den Thesen einer Reaktionären müsse frau sich inhaltlich nicht auseinandersetzen.


Genüsslich zitiert Jung auch aus Blogeinträgen, in denen Feministinnen vor der Lektüre der EMMA gewarnt werden:

Teilweise sind die Texte der EMMA auf die ich mich beziehe, verlinkt. Die Wortwahl dort ist in keinster Weise sensibel, verharmlost/verleugnet u.a.Rassismus-Erfahrungen und negiert alles außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit. Achtet auf euch, wenn ihr die Links anklickt.


Dabei ist die Auseinandersetzung mit dem Feminismus nur jener Aspekt von Jungs Buch, das es für uns Männerrechtler reizvoll macht. Auch zu anderen Themen wie etwa unglückliche Versuche, Rassismus zu bekämpfen, hat Jung einiges zu sagen. Alles in allem handelt es sich hier um ein vergnüglich zu lesendes, ebenso pointenreiches wie sachkundiges Werk, dessen Lektüre ich empfehlen kann.

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