Vermischtes

Unsere Politiker schmieden eine "große Koalition" gegen die beunruhigend geringe Wahlbeteiligung in unserem Land. Fast mit Sicherheit dürfte keiner der Beteiligten darauf kommen, dass Bürger, die beispielsweise die Frauenquote als Menschenrechtsverletzung erkennen, keine einzige der im Bundestag vertretenen Parteien mit gutem Gewissen wählen können – kaum anders ist es beim Thema Genitalverstümmelung bei Jungen – und dass keine einzige deutsche Partei, ob innerhalb oder außerhalb des Bundestages, über einen männerpolitischen Sprecher verfügt. Wenn man parteiübergreifend die Hälfte der Bevölkerung ignoriert, braucht man sich über die innere Emigration vieler Wähler nicht zu wundern.

Ähnlich kurios war ein Beitrag bei einer linken Szeneveranstaltung am 10. Juni: "Die Geschlechter– und Erziehungswissenschaftlerin Juliane Lang zeigte auf, dass Antifeminismus, Ablehnung des Gender Mainstreaming und Familienpopulismus der Kitt sind zwischen der extremen Rechten und der Mitte der Gesellschaft." Mit anderen Worten: Sowohl Rechte als auch Nicht-Rechte finden Familie okay und Feminismus doof. Nach der Logik von Juliane Lang könnte man auch postulieren, der "Kitt" zwischen der extremen Rechten und vielen anderen Bürgern bestünde darin, dass sowohl Rechtsextreme als auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft mit Messer und Gabel essen können. (Andreas Kemper turnte übrigens auf derselben Veranstaltung herum.)

"Der Vater muss seinen Platz wiederfinden" erklärt der Psychoanalytiker Alain Valterio und fordert eine Rückkehr der althergebrachten Vaterrolle statt des vielgelobten "neuen Vaters". Zudem beklagt er die Herrschaft einer "Kultur der Therapie, die Mitgefühl über alles setzt und pathologisch geworden" sei.

Über meinen Facebook-"Freund" Neil Gaiman erreicht mich ein Hinweis aus dem von Gaiman unterstützten Comic Book Legal Defense Fund, der sich gegen die Zensur von Comics einsetzt:

A 20-year-old college student in Yucaipa, California is protesting the inclusion of four landmark graphic novels in an English class that she took during the recently-finished Spring 2015 semester at Crafton Hills College. According to the Redlands Daily Facts newspaper, Tara Shultz and her parents object to Persepolis, Fun Home, Y: The Last ManVol. 1, and The Sandman Vol. 2: The Doll’s House as "pornography" and "garbage."

Shultz, who is working towards an Associate of Arts in English at the public community college, signed up for English 250: Fiction because it fulfills one part of her degree requirements. She was apparently aware that the specific focus of the class was graphic novels, but she told the newspaper that "I expected Batman and Robin, not pornography." Shultz says that Associate Professor Ryan Bartlett, who has taught the course for three terms without any other complaints, failed to adequately warn students about the books’ content. Her father Greg Shultz said that "if they (had) put a disclaimer on this, we wouldn’t have taken the course." Tara Shultz agreed, saying that Bartlett "should have stood up the first day of class and warned us."

(...) When asked what she hopes to accomplish, Shultz replied: "At least get a warning on the books. At most I would like the books eradicated from the system. I don’t want them taught anymore. I don’t want anyone else to have to read this garbage."

Das Pikante an dieser Attacke ist, dass sich damit studentischer Protest und die Forderung nach Trigger-Warnungen gegen feministische Werke bzw. Autoren richtet (übrigens empfehlenswerte feministische Werke, auch wenn das vielen Genderama-Lesern als innerer Widerspruch erscheinen wird). In Persepolis geht es um die innere Befreiung einer Frau von dem unterdrückerischen Regime der iranischen Revolution – auch die Verfilmung des Comics ist gelungen. Fun Home stammt von der Feministin Alison Bechdel, der Erfinderin des in ihren Kreisen beliebten Bechdel-Tests. Neil Gaiman gilt ähnlich wie Joss Whedon zu den bei Feministinnen beliebtesten Männern, die auch Comics veröffentlichen – seine großartige Geschichte A Game of You etwa ist ein kultureller Meilenstein beim Thema Homosexualität und Transgender. The Doll's House fand ich vergleichsweise langweilig, ist aber noch frauenbewegter orientiert. Und Brian Vaughns Serie Y: The Last Man, die ich schon mal auf Genderama empfohlen hatte, beginnt damit, dass sämtliche Männer bis auf einen sterben – die Konsequenzen machen deutlich, wie sehr unsere Gesellschaft noch immer von Männern beherrscht wird, weshalb die Serie feministisches Lob erntete. (Ich hatte die Serie empfohlen, weil sie sich vielfach auch maskulistisch und feminismuskritisch interpretieren lässt.)

Aber nein: alles "Pornographie". Oder wie man hierzulande vermutlich phantasieren würde, da wir Europäer mehr Angst vor "rechten" Positionen als vor Pornos haben: Kitt zwischen Rechtsextremen und der Mitte der Gesellschaft. Die Revolution verschlingt weiter gierig ihre Kinder.

Von den Comics zuletzt zum Zeichentrick: Wie mir einer meiner Leser schreibt, wurde gestern die "Family-Guy"-Episode "Peter-elle Belästigung" ausgestrahlt, in der die sexuelle Belästigung der Hauptfigur Peter Griffin thematisiert wird. Mein Leser merkt dazu an:

Mir hat an der Episode gefallen, dass Peters Frau ihm nicht glaubt. Alles in allem für eine "Comedyserie" durchaus kein schlechter Umgang mit der Thematik, zumindest für mich als Nichtbetroffenen.

Die Episode wird spät in der Nacht wiederholt, findet sich aber natürlich auch auf den bekannten illegalen Seiten im Web.