Freitag, März 27, 2015

Lesermail (Rolf Pohls Propaganda-Abend)

Genderama-Leser Torsten Herwig hat mit einem anderen MANNdat-Mitglied den Vortrag von Rolf Pohl besucht, bei dem schon abzusehen war, dass er dazu dienen sollte, Feminismuskritik und die antisexistische Männerbewegung ideologisch als Feindbilder am Leben zu erhalten. Torsten Herwig berichtet über den Verlauf der Veranstaltung:

Das Ganze war eigentlich die recht vorhersehbare – wenn auch recht eloquent vorgetragene - Leier über hegemoniale Männlichkeitsstrukturen und so weiter durchmischt mit einer Masse von Aneinanderreihungen von Zitaten, bei denen man zu 95 Prozent nicht nachvollziehen konnte, von wem das Gesagte oder Geschriebene denn nun stammen sollte. Bei der Zusammensetzung der "Männerrechts/Maskulisten/Antifeministen/Wasauchimmer-Bewegung" blieb Pohl vorhersehbar vage, konkret wurden keine Vereine und Organisationen genannt, weder MANNdat, AGENS, VafK, Gleichmaß oder andere bekannte Namen. Stattdessen erwähnte Pohl nebulös "Internetforen und Blogs". Die einzigen Personen, die er mit Namen nannte, waren Walter Hollstein und Gerhard Amendt. Von beiden wiederholte Pohl repetierartig Zitate, die er polemisch anwürzte. So stichelte er beispielsweise zu Professor Hollsteins Anmerkung, dass in der Geschichte der Menschheit nahezu alle Erfindungen und künstlerischen Produkte von Männerhand stammten, mit Bezug auf das musikalische Damentrio, das den Abend begleitete, "ein Musikstück von Frauenhand geschrieben, dass muss wohl ein Unfall gewesen sein!" Das Publikum aus Frauenbeauftragten und Feministinnen aller Couleur reagierte auf seine Späßchen stets brav konform entweder mit Klatschen, höhnischem Gelächter, belustigtem Gegacker und erzürntem Kopfschütteln. Ich fand dieses Abspulen der bekannten Rhetorik irgendwie langweilig. Vielleicht kommt ja doch noch ein Knüller, dachte ich mir.

Interessant fand ich seine Schilderungen und Befürchtungen (!), dass bisher von Männerrechtlern besetzte Positionen und Themen "zumindest punktuell" der Einzug in diverse größere Medien gelungen sei und unsere Themenansätze in der Bevölkerung salonfähig würden. Das war ein Punkt, der mich aufhorchen ließ. Hörte ich da etwa ein klein wenig Angst heraus? Ja, ich denke schon.

Bezeichnend fand ich, dass Pohl die "klassische" Rollenverteilung und den überwiegenden Hang dazu in der breiten Mehrheit der Bevölkerung vollkommen ignorierte. Das geschah nach dem Motto: Was stört mich der mehrheitliche Wille des Volkes, ich weiß als Professor schließlich besser, was gut für die Allgemeinheit ist!

Maskulisten bzw. Männerrechtler sind Pohl zufolge (auch wenn er vorher erwähnt hatte, dass in der Bewegung verschiedenste Strömungen vorkommen) mehrheitlich frauenhassende und die Errungenschaften der Frauenbewegung negieren wollende, sich in einer allumfassenden Opferrolle suhlende Gruppe von Typen (und auch vereinzelt Frauen), die überall eine Verschwörung von gendergemainstreamten Strukturen witterten, die Erkenntnisse der modernen Genderforschung leugneten und sowieso und überhaupt überall ihre patriarchale Rolle im Blick hätten. Pohl zufolge haben wir Männer nur Angst, unsere "patriarchale Dividende" zu verlieren. Die haben wir ja alle! Ausnahmslos! Hmm, kann ich die eigentlich irgendwo anlegen …?

Geschickt platzierte er mit polemischen Bemerkungen auch mal einen Verweis auf Verschwörungstheoretiker – nach seiner Denke sind z.B. entsorgte Väter alles nur bedauerliche Einzelfälle. Ist schon erstaunlich, aus wie vielen "Einzelfällen" sich die Statistik verlorener Sorge- und Umgangsstreitigkeiten in diesem Land zusammensetzt … Dann wieder schwenkte er mal eben über zur Pegida und dem rechten Rand. Nach seiner Ausführung schreiben Männerrechtler unter anderem bei der Jungen Freiheit! Hättest du das geahnt? Ich weiß, dass du denen vor zehn Jahren mal als Interviewpartner zur Verfügung gestanden hast, aber kennst du Männerrechtler, die bei der JF schreiben oder "dort eine Plattform geboten bekommen"? Keine Ahnung, wen er meint. Vielleicht Peter Scholl-Latour? Leider leider hatte Pohl offenbar zu wenig Zeit, das zu konkretisieren … Maskulisten seien jedenfalls auch Rechte "bis hin zu Nazis". Selbstverständlich durfte auch der Verweis auf Breivik nicht fehlen.

Einen echten Knüller hatte er zuletzt noch, das war wirklich das Ass im Ärmel, der Brüller schlechthin: Männerrechtler sind – wie wir ja alle wissen – grundsätzlich auf Herrschen, Macht-Haben, Stark-Sein, Frauen-Haben, Kampf und dergleichen mehr gepolt. Wir sind offenbar alle evolutionär zurückgebliebene Wikinger. Ganz wichtig ist aber: Wir sind nahezu alle homophob! Alle! Ich schwör‘!

Und genau deshalb ordnen wir nach Pohls Denke uns und die Welt ein in: "Männer und Nicht-Männer"!

Erinnert dich das an etwas? Genau, den Aufnahmebogen der Jungen Grünen, bei dem man als Geschlecht nur "weiblich" oder "nicht weiblich" ankreuzen kann.

Wenn DAS nicht Realsatire ist, sexistischen Bullshit auf feministischer Seite mit umgekehrten Vorzeichen auf Männerrechtler zu projizieren! Ich musste mir wirklich verkneifen, nicht schallend loszulachen.

Wir hatten erst überlegt, ob wir uns die "Diskussion mit Häppchen" im Anschluss an den Vortrag antun sollten, entschieden uns dann aber hegemonial-patriarchal-konform, den ganzen Irrsinn lieber mit einem Bier runter zu spülen.

Nichts Neues also könnte man sagen – bis auf den Umstand, dass in Pohls ideologischer Ecke einige Leute inzwischen tatsächlich langsam nervös werden.


Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dieser Bericht nicht etwas unfair gegenüber Rolf Pohl ist. Der Mann ist immerhin 64 Jahre alt. Kann man von jemandem, der sein ganzes Leben lang gelernt hat, sein Publikum mit immer denselben Finessen zum Staunen oder zum Lachen zu bringen wie ein alter Zirkusbär, wirklich erwarten, dass er sich plötzlich neue Tricks draufschafft, nur weil sich die Zeiten geändert haben?

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